Das Tablet ist kaputt. Dein Kind will aber was gucken. Jetzt! Sofort! Den Laptop kann es nicht benutzen, unmöglich, den mag es nämlich nicht. Es verlangt mit weinerlicher Stimme und ordentlich Genöle nach deinem Handy. Das willst du aber selber haben. Irgendwie. Kartoffeln schälen ohne Musik ist doch Mist. Dein Kind jault weiter. Eigentlich willst du dein Handy echt nicht abgeben, da war doch was bei den Kleinanzeigen, das du noch nachgucken wolltest. Schnauf! Als dein Kind nicht aufhört zu quaken, schiebst du ihm das Handy unwirsch rüber, maulst ‚Dann nimm es halt!‘ und stampfst angesäuert in die Küche.

Kennste? Joa. Ich auch.

Wie aber können wir friedvoller mit Kindern kommunizieren? Darum soll es heute gehen.

Du hast Bock auf ein Filmchen zum Thema? Geht los!

 

Was ist Kommunikation?

Man kann nicht nicht kommunizieren.

Dieser Satz ist allseits bekannt und kommt aus der Kommunikationstheorie, die auch alle Formen von aufeinander gerichteter Interaktion als Kommunikation bezeichnet.

Ich laufe eine Straße entlang: keine Kommunikation. Ich laufe eine Straße entlang und jemand sieht das: Kommunikation.

Nicht einig ist man sich in der Frage, ob es erst Kommunikation ist, wenn ich eine Kommunikationsabsicht habe, sich die Interaktion also auf einen anderen Menschen bezieht. Es gibt da viele spannende Theorien, aber für unseren Kontext reicht folgende Definition:

Kommunikation ist jene Form der Interaktion, die auf andere gerichtet ist, also soziale Interaktion.

Kommunikation ist so viel mehr als nur Sprechen. Kommunikation ist der liebevolle Blick. Wie guckst du, wenn dein Kind zur Tür rein kommt? Berührst du es liebevoll, wenn es das möchte? Kämpft ihr? Rauft ihr? Rennt ihr rum? Kuschelt ihr auf dem Sofa? Schaut ihr zusammen die Lieblingsserie deines Kindes? Tobt ihr? Geht ihr Hand in Hand spazieren?

Probleme in der Kommunikation mit Kindern

Viele Erwachsene kommunizieren mit Kindern anders als mit älteren Menschen, sie tendieren dazu, sie als nicht vollständige Menschen anzusprechen. Das ist Diskriminierung! Denn Kinder werden auf Grund ihres Alters anders behandelt, als andere Menschen.

Im 19. Jahrhundert fing es an, dass für mehr Freiraum und Rechte von Kindern gekämpft wurde. Zu dieser Zeit ging es eher darum, Kinder nicht wie Erwachsene zu behandeln, sondern ihnen die Pflichten des Erwachsenendaseins abzunehmen.

In den 1970er Jahre ging dann die Antidiskriminierungsarbeit in Bezug auf Kinder mit folgenden Fragen los:

  • Warum sprechen wir mit Kindern anders?
  • Warum gehen wir anders mit ihnen um?

Menschen sprechen beispielsweise mit sehr kleinen Kindern eine Oktave höher, sagen zu Babys ‚Dutzidutzi‘. Dieses Verhalten ist harmlos, aber ein krasses Beispiel für kommunikatorische Veränderung. Und ehrlich, ich hab das auch schon gemacht.

Viele kommunikatorische Inhalte sind nicht mit der Würde von jungen Menschen zu vereinbaren.

Um herauszufinden, ob du auch zu Adultismus neigst, kannst du dich in Alltagssituationen fragen: Würde ich das mit einer erwachsenen Person genauso machen wie mit meinem Kind? Würde ich mit meiner Freundin genauso sprechen?

Einwand: Ein Kind ist  eben keine erwachsene Person und hat viel weniger Möglichkeiten, sein Handeln zu verantworten. Es kann Risiken nicht so gut abwägen, weil ihm Erfahrung fehlt. Selbstverständlich! Und deswegen kann mein Kind auch nicht entscheiden, ob wir als Familie ein Haus kaufen. Aber die Frage ist:

Behandelst du dein Kind als Menschen?

Wir als Bezugspersonen haben eine extreme Macht und wie wir kommunizieren ist absolut entscheidend und trägt dazu bei, dass unsere Kinder wissen und fühlen, dass wir diese Macht nicht ausnutzen.

Intention

Es gibt offene und die verdeckte Kommunikation. Kommuniziere ich offen, sage oder zeige ich direkt und explizit, was ich will. Es ist klar, warum ich kommuniziere. In der verdeckten Kommunikation, verfolge ich ein nur mir bekanntes Ziel. Das passiert oft in der Kommunikation mit jungen Menschen, und meistens ist es uns nicht bewusst (oder es ist als pädagogischer Schachzug gefeiert).

Eine Form der verdeckten Kommunikation ist die Double-Bind-Botschaft: „Mach doch, was du willst!“ Mit Worten sage ich, du kannst machen, was du willst, eigentlich meine ich aber ‚Mach das auf keinen Fall!‘. So ähnlich wie in dem Beispiel vom Anfang. Das Kind bekommt zwar das Handy, aber dazu auch gleich noch die unmissverständliche Botschaft, dass es das eigentlich gar nicht haben soll. Resiliente Kinder fangen dann an, zu provozieren, weil sie merken, dass du nicht echt bist. Es wirkt, als wollten sie dich extra wütend machen, um dich wieder zu fühlen. Und wenn du schlau bist, erkennst du dieses Verhalten als eine Einladung an, dich zu hinterfragen – war spürbar, was  du brauchst? Warst du fühlbar?

Verdeckte Kommunikation fühlt sich für die Person, die sie abbekommt, furchtbar unangenehm an. Das kennst du bestimmt auch selbst. Das liegt daran, dass du in diesem Moment deinen Subjektstatus verlierst. Du wirst nicht mehr als Mensch wahrgenommen, nicht mehr gesehen, sondern reduziert auf ein Objekt, das zu etwas gemacht werden muss. Das fühlt sich nicht wertschätzend an.

Deine Intention kannst du nur selbst lesen.

Ging es dir wirklich um die Sache? Oder hast du eine versteckte Agenda? Willst du dein Kind formen? Aus ihm etwas machen? Willst du dein Kind manipulieren?

Ganz früher bin ich bei Geschwisterstreit harsch dazwischen gegangen. Dann wollte ich es besser machen und habe dem einen Kind gesagt: ‚Oh guck mal, jetzt ist dein Geschwister ganz traurig.‘ Ich meinte das nicht als Information. Nein, das war eine versteckte Beschämung, ich wollte, dass sich das Kind schlecht fühlt und das nächste Mal keinen Streit vom Zaun bricht. Das war Erziehung!

Du nimmst deinem Kind das Tablet nach 20 Minuten weg, damit es auch mal lernt, sich mit etwas anderem zu beschäftigen? Da geht es nicht darum, dass dich das Tablet jetzt gerade nervt (Wobei es auch da andere Möglichkeiten gibt, als das Tablet einfach wegzunehmen.), sondern du willst dein Kind ändern. Dein Handeln hat keine direkte Kommunikationsabsicht für den Moment, sondern ist eine Manipulation für die Zukunft. Das ist Erziehung!

Friedvoller Kommunizieren

‚Ich hab dir doch schon hundert Mal gesagt, dass…‘

Was stimmt da nicht mit eurer Kommunikation, dass dein Gesagtes nicht ankommt? Was könntest du anders machen? Oder ging es dir um Gehorsam? Dann war das Manipulation, also Erziehung!

Es geht mal wieder nicht darum, alles perfekt zu machen. Kommunikation ist hochkomplex und sehr störanfällig. Was kann ich tun, um die Anfälligkeit zu verringern?

1. Rückmeldungen beobachten

Es kann sein, dass du dich bemühst, freundliche Worte zu finden und das bei deinem Gegenüber als total steif oder unecht rüberkommt. Beobachte also die Rückmeldungen, die dir dein Kind gibt. Beobachte, wie dein Kind reagiert.

Nerviges ‚Provozieren‘? Ungehorsam? ‚Frech‘ sein? Nicht selten sind das Einladungen, dich spürbarer zu machen. Vielleicht versteckst du deine echte Emotion hinter Lächeln und freundlich klingenden Worten, aber am Ende hat das Kind keine Wahl. Oder du bist eigentlich total traurig oder aufgebracht, versuchst das aber zu verstecken (passiert mir bis heute. Habe ich nicht gelernt).

2. Fehlerfreundlichkeit

Du wirst Fehler machen. Ich mache Fehler, du machst Fehler, wir alle machen Fehler.

Nur weil wir versuchen, es anders zu machen, bedeutet das nicht, dass es uns immer gelingt.

Das Gute ist, wir kommunizieren die ganze Zeit, wir sind in einem Kommunikationsgewebe miteinander verbunden. Je mehr Zeit wir zusammen verbringen, desto größer wird es. Und dieses Gewebe kann es gut vertragen, dass wir Fehler machen.

Du hast es jetzt versaut? Ja, war doof, aber da kommt schon die nächste Interaktion. Da hast du den nächsten liebevollen Blick, das Streicheln über den Kopf, das nächste Mal, dass du das Lieblingsbuch vorliest, das du nicht schimpfst, dass du die fiese Bemerkung runterschluckst, dass du tief durchatmest. Das geht immer und immer wieder.

Kommunikation ist unsere Art, uns auf andere zu beziehen, das tun wir immer.

Je bewusster du das beobachtest, desto hilfreicher kannst du überlegen: ‚Wie könnte ich das noch ein bisschen anders machen?‘ Kleine Schritte.

3. Verantwortung übernehmen

Du kannst nicht immer beeinflussen, wie etwas ankommt. Du kannst nicht immer verhindern, dass etwas, was du liebevoll gemeint hast, bei einem anderen gewaltvoll und übergriffig ankommt.

Die wahnsinnige Angst vor Gewalttätigkeit führt dazu, dass wir uns nicht mehr trauen, ehrlich hinzugucken, und andere beschuldigen, wenn wir merken, dass wir Mist gebaut haben. Eltern halten sich für die schrecklichsten Eltern weit und breit und haben Angst, ihr Kind ginge kaputt. Es ist viel hilfreicher, ehrlich zuzugeben, wenn man merkt, eine Person verletzt zu haben und dann zu überlegen, was beim nächsten Mal besser laufen könnte.

Du kannst nicht immer verhindern, wie es ankommt, du kannst nur dein Bestes tun. Und immer und immer wieder überlegen: Geht es mir gerade um den Moment? Um unsere Beziehung? Um meine Werte? Um Liebe, um Frieden, um Miteinander? Und drücke ich das bestmöglich aus? Oder geht es mir darum, dass mein Kind oder ich zu etwas werden? Wäre ich gerne an der Stelle meines Kindes in diesem Konflikt? Oder würde sich das unangenehm und diskriminierend anfühlen?

Das sind Fragen, die du dir immer stellen kannst. Und von da aus: Schritt für Schritt.

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