Dein Kind hat total verzottelte Haare, will sie partout nicht kämmen und du bist gestresst? Oder dein Kind hat total verzottelte Haare, will das so auf gar keinen Fall behalten, aber Haare kämmen will es ebenfalls nicht?

In diesem Artikel kriegst du Input für beide Situationen!

 

 

Haare kämmen und Autonomie

Haare sind meiner Meinung nach ein sehr eindeutiger Fall von „das geht uns nichts an“.

Natürlich gibt es Bereiche. Mein mittleres Kind wollte sich zB mit vier Jahren die Haare färben lassen, da war es mir wichtig eine Lösung zu finden, mit der mein Kind gesund bleibt, denn darauf zu achten, ist unser Job. Aber anders als beim Zähne putzen, wo unser Auftrag recht klar ist, ist beim Haarthema das wirklich Herausfordernde, dass wir keine Ausreden haben und den Kindern – und erst recht den Jugendlichen – nicht reinreden sollten, wenn wir es ernst meinen mit der Souveränität eines Menschen über den eigenen Körper, das Recht auf Ausdruck und das Recht auf den eigenen Stil.

Ich finde, Kinder haben ein Recht darauf, ihre Haare ganz genauso zu tragen, wie sie wollen.

Es ist wichtig, dass wir Kindern zeigen, dass sie ein Recht darauf haben, mit ihrem Körper genau das zu machen, was sie für richtig halten. Wir sollten gar nicht erst eine Debatte anfangen oder eine Normalität erschaffen, in der wir von außen bewerten, ob das jetzt gut aussieht oder nicht. Oder ob das jetzt richtig so ist oder nicht. Mir fällt kein Szenario ein, in dem die Haare in irgendeiner Weise berechtigterweise unserer Bewertung als Eltern unterstehen.

Wie können Haare die Freiheit anderer eingrenzen?

Wir erinnern uns hier mal kurz an die goldene Regel: Wir haben ein Recht darauf, zu tun und zu lassen, was wir wollen, bis zu dem Zeitpunkt, wo es die Freiheit anderer eingrenzt.

Während meiner Pubertät habe ich angefangen, mit meinem Stil zu spielen, und es hat mich total verletzt, wie Erwachsene, die mir wichtig waren, darauf reagiert haben. Wie ich abgewertet wurde. „Zieh doch mal was richtiges an!“, „Wie sehen denn deine Haare schon wieder aus?“ Das war beleidigend und übergriffig meiner ureigenen Persönlichkeit gegenüber.

Warum willst du deinem Kind die Haare kämmen?

Ok, dein Kind hat verfilzte Haare und du willst sie bürsten. Und was will dein Kind mit seinen*ihren Haaren machen? Wer hat das Problem? Um wen geht es hier gerade? Ist es dir peinlich, dass dein Kind verfilzte Haare hat? Oder ist das grundsätzlich ein Problem und möchte dein Kind, die Haare bürsten? Neben einem Läusebefall und raren medizinischen Situationen sehe ich keinen vernünftigen Grund, mit dem sich rechtfertigen lässt, in den Bereich unserer Kinder einzugreifen.

Gute Eltern sind nicht an den gekämmten Haaren ihrer Kinder zu erkennen!

Der einzige Grund, den wir haben könnten, ist der, dass wir unsere Kinder als unsere Verlängerung ansehen, als Ausdruck unseres Stils, die Gepflegtheit ihrer Haare als Ausdruck der Art und Weise, wie gut wir als Eltern sind.

Es ist nicht der Job des Kindes mit seinen gekämmten Haaren dafür zu sorgen, dass wir uns wohlfühlen.

Mir fällt da kein Szenario ein. Tut mir leid, wir haben da keine Ausrede. Wir müssen anerkennen, dass wir es gewöhnt sind, Kinder so zu behandeln, dass sie wie ein verlängerter Arm sind. Wie ein verlängertes Ich. Und dass wir es gewöhnt sind, Kinder als Ausdruck davon anzusehen, ob wir gute oder schlechte Eltern sind. Dass wir sie als Ausdrucksweise von Eltern verstehen. Das ist schmerzhaft, aber wichtig zu erkennen! Wenn wir unseren Kindern also die Haare kämmen wollen, weil wir ein Problem haben, haben wir da meines Erachtens kein Recht zu. Dann müssen wir fünf Schritte zurücktreten und uns erstmal fragen:

Wie komme ich darauf, dass dieser wunderbare, von mir seperate Mensch seine*ihre Haare auf eine Art und Weise tragen muss, die mir gefällt?

Und was vermittele ich da? Ist es in Ordnung, das einem jungen Menschen zu vermitteln? Meine klare Antwort ist: Nein! Es geht uns nichts an. Es ist wichtig unseren Kindern an diesem kleinen, scheinbar unwichtigen Beispiel zu zeigen, dass sie selbstverständlich über ihren Körper, ihren Ausdruck und ihren Stil entscheiden, sie sollten das als Normalität ansehen.

Es gibt keine ganz großen Themen, die sich nicht im Kleinen spiegeln.

Wenn wir wollen, dass Menschen sich ausdrücken können, genauso wie sie sind, dann müssen wir mit ungekämmten Haaren anfangen!

Wenn wir wollen, dass Menschen erfahren, dass es total ok ist, Körperbehaarung so zu tragen, wie wir das wollen, uns anzuziehen, wie es uns gefällt, dass es total ok ist, genderunabhängig Stil und Klamotten zu wählen, dann müssen wir an irgendeiner Stelle anfangen. Die Souveränität, die unsere Kinder mit auf die Welt bringen, nicht zu zerstören, ist dafür ein guter Startpunkt!

Jetzt muss das Kind aber wirklich mal Haare kämmen!

Ok, stellen wir uns vor, du bist in einer Situation, in der du glaubst, ums Bürsten der Haare nicht herum zu kommen, dein Kind hat sich über eine Wiese gerollt und nun lauter komische Dinge auf dem Kopf, es gibt einen Läusebefall oder dein Kind hat selbst Bock auf gekämmtes Haar. Wie kann das klappen?

Ich glaube, es ist erstmal wichtig, zu verstehen, dass wir beim Haarebürsten – wie auch beim Zähneputzen – sehr, sehr viel Kooperation abverlangen vom Kind. Haare kämmen ist eine Form des Konflikts und zusätzlich relativ unangenehm, hat, je nachdem wie lang und wie strukturiert die Haare sind, mit relativ langem Stillsitzen zu tun und es ziept! Ich habe bisher noch von keiner Bürste gehört, die das Ziepen wirklich umgeht. Der Konflikt braucht nicht eskalieren, wenn du einige Sachen beachtest.

Schaffe eine Umgebung, in der dein Kind beim Haare kämmen kooperieren kann.

Bei uns hilft Ablenkung: ein tolles Spiel am Tablet, ein fidget toy zum Rumfrickeln, ein spannender Film. Und dann natürlich der Ort. Das find ich ja beim Zähneputzen immer so mindblowing: Warum sollte ich mich abends im Bad mit einem total müden Kind vor den Spiegel stellen? Wenn das für euch passt, macht das weiter, keine Frage, aber wenn es stressig ist, geht halt in den Garten, macht es mittags oder auf der Sofalehne. Das ist beim Haarebürsten ganz genauso. Ich hatte eine Zeitlang immer eine Haarbürste dabei, um meinem jüngsten Kind unterwegs das Haarebürsten anzubieten. Sie wollte lange Haare und die sollten nicht verfilzt sein. „Du, kann ich dir kurz die Haare bürsten? Du bist ja gerade abgelenkt.“ Und dann hab ich die Haare soweit gekämmt wie es ging.

Kämme deinem Kind die Haare in Etappen.

Auch wichtig: Es müssen nicht zwangsweise alle Haare auf einmal entwirrt werden. Pausen zwischendurch können so hilfreich sein. Auch lange Pausen über mehrere Tage bei Bedarf.

Vielleicht sind auch Pflegeprodukte der Durchbruch. Ordentlich Spülung in die Haare und dann kämmen zB. Oder wenns nur mal eben zwischendurch sein soll, ist eine Sprühflasche mit einem Gemisch aus Spülung und Wasser super. Oder die Schere. Entweder für eine komplett neue Frisur, die weniger Pflege braucht, oder jedenfalls für die allzu fies verknoteten Stellen. Schnippschnapp!

Was ich hier eigentlich sagen will ist: Machs dir leicht!

Es ist total in Ordnung, keinen mega Stress wegen ein paar gekämmter Haare zu haben!

Ich bin total gespannt auf deine Tipps und Ideen! Schreib sie gerne in die Kommentare.

Und wenn du Hilfe brauchst, um in solchen Situationen gelassener zu bleiben, geduldiger zu werden und mehr so zu reagieren, wie du das möchtest, dann guck dir unbedingt unsere absolut kostenlose Challenge an. Im September geht es los und wir werden ganz praktisch besprechen, wie du in stressigen Situationen in deiner Mitte bleiben kannst. Es wird jeden Tag einen kurzen Input per Mail geben und zusätzlich können wir uns in einer Facebookgruppe zum Austausch treffen. Es ist komplett kostenlos.

Ich freu mich schon auf dich!