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Gewalt und die Frage nach Gewaltfreiheit ist das, was meiner Arbeit zugrunde liegt. Die Frage, derenwegen ich den Kompass gegründet habe, lautet:
Wie können wir der Gewalt in dieser Welt begegnen?
Je länger ich darüber nachdenke – und das sind mittlerweise fast 12 Jahre -, je mehr ich mich damit befasse, je bewusster ich durch die Welt gehe, desto weniger weiß ich. Aber das, was ich weiß, will ich heute mit dir teilen.
Gewalt hat mehrere Ebenen und nicht alle sind bekannt und anerkannt.
Physische Gewalt
Als ich anfing, mich in der Elternwelt zu bewegen, war Gewaltfreiheit darauf beschränkt, dass Kinder nicht gehauen werden sollen. Das war noch vor zehn Jahren eine große Revolution in der Elternwelt. Auch heute ist es noch in großen Teilen der Gesellschaft normal, Kinder zu schlagen. Es gibt Diskussion darüber, dass es ein Klaps ja nicht schade, so richtig schlagen aber schon. Physische Gewalt ist also noch immer ein Thema und unser Verständnis bei Gewaltverzicht häufig „Ich bin gehauen worden, das war schrecklich, das will ich bei meinen Kinder nicht tun.“ Das ist super, wenn du das nicht tun willst! Es ist aber nicht die einzige Ebene von Gewalt.
Psychische Gewalt
„Ej, das war total kacke!“
„Stell dich nicht so an, so schlimm war das gar nicht!“
Einer Person ihre Fähigkeit abzusprechen, dass ihre Integrität verletzt wurde, ist ein Beispiel von Gaslighting, was als Form psychischer Gewalt anerkannt ist. Wenn es um häusliche Gewalt geht, fällt dieser Begriff oft.
Andere Formen psychischer Gewalt sind:
- Ignorieren
- Abwertungen („Das kannst du noch nicht!“)
- Manipulation („Ach komm schon, sonst ist Mami ganz traurig.“)
- Einschüchterung („Warte nur, bis wir zuhause sind!“),
- Verbote („Heute gibt es kein Tablet!“)
- Kontrolle (App, die regelt, dass auf dem Tablet oder Handy Apps nur nach Freigabe der Eltern installiert werden können)
- Bespitzelung von Sozialkontakten (Messenger lesen)
- Drohungen („Wenn du dich nicht benimmst, müssen wir halt nach Hause gehen!“
- Stalking (App auf dem Handy, die verfolgt, wo das Kind/die*der Jugendliche sich befindet)
- Freiheitsberaubung (Hausarrest)
- Beschimpfungen
- Bevormundung („Du weißt nicht, was gut für dich ist, also wähle ich die richtigen Schuhe aus.“)
- Demütigung („Hahaha, guck mal wie besonders sie sich vorkommt, dabei sieht sie unmöglich aus!“)
Diese Handlungen werden in Bezug auf erwachsene Menschen als Gewalt anerkannt. Geht es aber um Eltern-Kind-Beziehungen, gelten sie als völlig normal und nur in der unerzogen-Bewegung wird von psychischer Gewalt gesprochen. Die Beispiele in Klammern sind ganz normale Sätze und Taten, die Kinder und Jugendliche ertragen müssen.
Systemische Gewalt
Seit wenigen Jahren wird über bestimmte Formen systemischer Gewalt, die sich meistens als Diskriminierung ausdrücken, gesamtgesellschaftlich diskutiert. Das ist sowas wie Sexismus. Systemische Gewalt ist nichts, was jemand tut. Meistens ist eher etwas, was jemand unterlässt. Und es ist normalerweise komplett unabhängig von der Absicht. Wenn wir über diesen Aspekt von Gewalt sprechen wollen, müssen wir eine ganz große Grundannahme beiseite legen, die immer und immer wieder auftaucht, wenn wir über Gewalt sprechen:
Gewalt ist nicht die Intention.
In der Rassismusdebatte gibt es da gerade eine ganz typische Dynamik:
Person 1: „Das, was du gerade gesagt hast, ist rassistisch.“
Person 2: „Waaaaas? Ich bin doch kein*e Rassist*in, ich hab sogar Schwarze Freund*innen. Ich bin total entsetzt, dass du mich als Rassist*in beschimpfst.“
Positiver Sexismus ist ein weiteres Beispiel. Mein Partner und ich haben die traditionellen Rollenbilder relativ vollständig vertauscht und die Reaktionen darauf sehen häufig so aus:
„Oh wow, das ist ja toll wie du das mit den Kindern machst!“
„Suuuuuper, dass du kochen kannst!“
„Wie machst du das bloß alles? Brauchst du Hilfe?“
Die Leute, die so etwas sagen, wollen meinen Mann weder beleidigen, noch halten sie ihn für einen schlechten Mann, weil er sich um die Kinder kümmert. Gar nicht, sie freuen sich darüber, aber sie freuen sich deshalb, weil sie davon ausgehen, dass ein Mann das eigentlich nicht kann.
Wir müssen aufhören, darüber zu reden, wie wir etwas meinen und stattdessen, darüber reden, wie das bei der Person ankommt. Das sind sehr unterschiedliche Dinge.
Gewalt ist Kommunikation
Gewalt ist eine Form der Kommunikation. Kommunikation ist erstmal ein nicht ethisch belastetes Wort, es ist also weder gut noch schlecht, es ist einfach die Art und Weise, wie wir Handlungen aufeinander beziehen, rein theoretisch. Wenn wir Handlungen aufeinander beziehen, dann kommunizieren wir. Gewalt ist eine Form des kommunikatorischen Handelns.
Kommunikation ist nie so, dass Person A etwas sagt oder macht und Person B versteht es genauso, wie Person A es gemeint hat. Schön wärs. Es kann passieren, dass ich meinen Partner nach einem langen Tag, fürchterlich anfahre, wenn er mich fragt, ob ich daran gedacht hätte, den Müll wegzubringen, weil ich mich nicht wertgeschätzt fühle. Ich höre dann etwas anderes, als mein Partner meint. Wir alle kennen das. Emotionen, die Art und Weise wie wir bestimmte Worte hören, was verstehen wir unter bestimmten Begriffen, all das macht einen unheimlichen Unterschied im Kommunikationsakt.
Und das gilt auch für Gewalt. Gewalt wird nicht (zwingend) von einer Seite bewusst ausgeübt und kommt bei der anderen Person so an. Es geht auch andersrum. Ich kann was total gemeines sagen mit der Absicht, zu verletzen, und die Person nimmt das gar nicht so wahr.
Du hast es nicht allein in der Hand, ob du Gewalt ausübst.
Du kann eine Sache von Herzen gut meinen und damit eine Person furchtbar verletzen. Wir alle wissen das, uns allen ist das passiert, mir passiert das ständig. Ich sage etwas, ich mache etwas und eine andere Person meldet mir zurück, dass es für sie nicht in Ordnung war.
Was Gewalt ist, entscheidet nicht die*der Sender*in, sondern die*der Empfänger*in.
Das ist dieses unangenehme Gefühl, das ich habe, wenn ich mich als weiße Person mit Rassismus auseinander setze. Das unangenehme Gefühl, das männlich gelesene Personen haben, wenn sie sich mit Sexismus auseinander setzen. Es ist nicht böse gemeint und trotzdem fühlt es sich scheiße an!
Was also kannst du tun?
Du kannst nicht vermeiden, gewaltvoll zu handeln. Gewaltfrei geht nicht!
Aber wir können hinterfragen. Wir können versuchen, zu verstehen, versuchen, zu antizipieren, versuchen, hinzugucken. Und! Die Verantwortung zu übernehmen, wenn es uns passiert. Denn wenn eine Person sagt, etwas sei nicht in Ordnung für sie, es tue ihr weh und du hörst nicht zu, sondern bemängelst die Lautstärke oder den Tonfall oder irgendwas anderes, dann muss diese Person immer, immer lauter werden.
Genau diese Spirale von Gewalt und Gegengewalt lässt sich gerade in der Rassismusdebatte beobachten.
Was hat das mit friedvoller Elternschaft zu tun?
Darf ich jetzt nie wieder den Fernseher ausschalten? Doch!
Du hast Macht über dein Kind. Lässt sich nicht ändern. Und in unserer Gesellschaft wird es als angemessen oder sogar positiv angesehen, wenn Eltern diese Macht missbrauchen (Grenzen setzen), denn junge Menschen werden oft nicht als Menschen angesehen (Adultismus – Diskriminierung aufgrund des Alters) Das macht es schwer, anders zu handeln. Hier ein paar Ideen, worauf du achten kannst:
- Wie siehst du dein Kind?
- Lachst du über dein Kind in seinem Beisein?
- Führst du es vor?
- Erwartest du Verständnis für gewaltvolle Akte?
- Machst du Sachen, die es seiner Menschlichkeit beraubt, die es zum Objekt machen?
Mir passiert es immer wieder, dass ich meine Kinder süß finde und sie dann nicht mehr als Subjekt sehe, dass ich in ihrer Gegenwart unpassende, nicht wertschätzende Bemerkungen über sie mache. Und vergesse dass sie vielleicht nicht niedlich sein wollten sondern ein wichtiges Anliegen hatten. Das mache ich, obwohl ich mich schon lange mit dem Thema beschäftige. Es ist eine Reise.
Übernimmst du die Verantwortung, wenn du dein Kind verletzt hast?
Die echte Verletzung deines Kindes passiert nicht in dem Moment, in dem du sagst: „Jetzt lass den Scheiß mal!“, weil du gerade genervt bist. Sondern es passiert in dem Moment, in dem du die Kränkung deines Kindes mit einem „Mein Gott, so schlimm ist es doch gar nicht.“ wegwischst. Wenn du die Trauer ignorierst, wenn du entnervst weggehst, wenn du willst, dass dein Kind aufhört zu weinen, wenn du willst, dass es anders reagiert, andere Gefühle hat, wenn du es ablenkst. Das ist dann die dopplete Verletzung, eine weitere Lage von Gewalt auf das Aufzeigen von Gewalt oben drauf gelegt.
Dein Kind verhält sich aggressiv oder schwierig? Erinner dich an die Gewaltspirale. Hast du dein Kind (aus Versehen) verletzt und seine Rückmeldung relativiert, klein geredet oder ignoriert? Hast du von deinem Kind Verständnis erwartet, als du es gegen seinen Willen vom Spielplatz gezerrt hast, weil du ja schließlich mehrmals erklärt hast, warum du gehen willst? Hast du Ruhe und Freundlichkeit gefordert, als du deine Macht genutzt und das WLAN ausgestellt hast, um dein Kind vom tablet wegzukriegen, weil es sich nicht an die „Abmachung“ gehalten hat. Du hast 10x erklärt, warum es nicht so lange gucken soll und es brüllt trotzdem? Ja logo! Du übst Gewalt aus! Fühlt sich scheiße an, wenn dein Kind dir das so offen zeigt, oder? Lass ihm jedenfalls dieses Ventil. Lass ihm die Möglichkeit über die Integritätsverletzung sauer zu sein!
Aufgeben ist keine Option, wenn dir Gewaltfreiheit wichtig ist.
Es ist schmerzhaft, sich mit Gewalt auseinander zu setzen und festzustellen, dass du gewalttätig sein wirst, weil es eben nicht in deiner Hand liegt, wie eine Handlung interpretiert wird. Bleib offen! Versuch mit der Scham und der Schuld umzugehen, versuch, die Verantwortung zu übernehmen, zuzuhören und es irgendwie anders zu machen. Zeige dich verletzlich! Trau dich unsicher zu sein! Deine Welt ist nicht die einzig wahre und richtige, sei offen für die Welt deines Kindes.
Diese Offenheit, diese Verletzlichkeit, dieser Wille dich damit auseinander zu setzen, das ist für mich Gewaltfreiheit.
Gewaltfreiheit ist ein Prozess wie auch friedvolle Elternschaft. Das ist kein Zustand, in dem du ankommen kannst, nein, es geht immer und immer weiter.
Wie es dir geht mit dem Begriff? Wo warst du schon gewalttätig, obwohl du es nicht wolltest? Wo hast du noch keine Alternative entwickelt? Wo brauchst du noch Input? Was könnte dein nächster Schritt sein? Lass uns gemeinsam diese Fragen stellen! Lass uns ihnen nicht aus dem Weg gehen!
Der Artikel kommt gerade passend.
Heute war ich meinem Sohn (2 Jahre) gegenüber gewalttätig. Wir waren in einem Bekleidungsgeschäft und suchten ein Outfit für ihn. Wir sind zu einer Hochzeit eingeladen. MIR gefiel ein Oberteil. In MEINER Vorstellung würde er ganz goldig darin aussehen. Da ich mir bezüglich der Größe unsicher war, wollte ich, dass er es überzieht. Er wollte nicht, aber ich. Ich hielt ihn fest und zog es ihm an. Er weinte.
Ich brach ab und atmete durch. Mir wurde bewusst, dass ich seine Grenzen überschritten hatte und es eine Form von Gewalt war. Es fühlte sich furchtbar an.
Wir versuchen unseren Sohn friedvoll zu begleiten und doch tappt man in solche Situationen. Ich wollte, dass er an der Hochzeit toll aussieht. Warum? Vielleicht um darüber Wertschätzung zu bekommen. Dabei vergaß ich einen Moment die Grenzen meines Sohnes.
Es ist tatsächlich normal, dass im Umgang mit Kindern Ausnahmen gemacht werden. Kinder werden festgehalten, damit sie etwas über sich ergehen lassen.
Kindern werden Sachen gesagt, die die kleinen Seelen verunsichern.
Kinder müssen immer funktionieren.
Kinder werden manipuliert und bestraft.
Noch zu wenige denken da an Gewalt!!!
Ein toller Artikel.
Super Thema um sich der Gewalt die ich bestimmt auch ausübe mal bewusster zu werden.
Liebe Ruth,
Ich habe die Aufnahme gehört. Mal wieder voll ins Schwarze getroffen.
Ich hab mal eine Frage dazu:
Wie begegne ich Menschen, die mir und meinen Kinder “ jetzt hab dich doch nicht so-Gewalt“ antun.
Menschen denen ich nicht aus dem Weg gehen kann.
LG
Franzi
Das würde mich auch brennend interessieren! Vor allem die Omas und Opas sagen ja immer wieder „So schlimm war das doch nicht. Stell dich nicht so an!“ etc….
Ich wuerde da immer gucken wie es dem Kind geht – wenn du die engste Bezugsperson bist, ist der Schaden den das von anderen anrichtet nicht so sehr hoch, aber ggf doch so, dass es Sinn macht was zu sagen. – Ruth
Ein Artikel mit klarer Haltung dem Thema gegenüber.
Ich liebe es nachwievor.
Es gibt im Augenblick niemanden, dem ich auf dem Gebiet gewaltfreie Begleitung näher bin als Ruth.
Vielen Dank.
Weiter so.
Zum Thema Gaslithing bin ich Meisterin und ich verstehe, was es heißt, auf diese Weise missbraucht zu werden.
Liebe Ruth,
danke für diesen Artikel. Er hilft mir sehr, denn auch ich beginne mich immer mehr mit den anderen Dimensionen von Gewalt zu beschäftigen. Leider fällt es mir und meinem Partner noch schwer die „Metaebene“ zu finden also zu merken wenn etwas entgleist und nicht mehr gut ist. Ich mache die Erfahrung dass mir das aber am besten hilft aus Situationen raus zu kommen. Vor kurzem hat unser Kind (4J.) seinen Papa wüst geschlagen. Immer und immer wieder. Der Papa hat immer stopp gesagt aber wurde nicht gehört und hat das Kind dann schließlich festgehalten oder auch mit der Hand abgewehrt. Dabei aus meiner Sicht auch in Kauf genommen dass das Kind eine Hand zu stark abbekommt und sich weh tut. Es war schrecklich und ich habe mich sehr geschämt. Das ist so schwer danach darüber zu sprechen! Mein Partner meinte dann in der Situation es gäbe keine andere Art zu reagieren „ich lass mich doch nicht schlagen“. Ich denke wenn es so eskaliert ist ist es superschwer da wieder rauszufinden. Das Kind und mein Partner waren eigentlich nicht mehr erreichbar. Ich konnte nur spielgeln dass beide sehr wütend waren. Die ganze Zeit hab ich nachgedacht was ich sagen könnte und beide in uhrer Wut ernst nehmen könnte aber trotzdem auch dafür sorge dass sie aus der Spirale „hauen-festhalten“ (also Gewalt auf Gegengewalt) rauskommen. Am Ende haben sie irgendwie aufgehört als ich auf mein Kind und das was es gesagt hatte näher eingegangen bin und es ist innerhalb von 2 Min eingeschlafen. Es war neben der verletzten Integität (in der Situation vorher angeschnautz und gezwungen worden etwas zu tun auch noch völlig müde gewesen, so dass gar nix mehr ging. Ich denke obwohl es maximal scheisse war wie wir Erwachsenen gehandelt haben (zumindest am Anfang) bin ich froh dass ich währenddessen nachdenken konnte und eben die Metaebene gefunden habe. Mein Partner leider nicht. Er war zu wütend. Deswegen finde ich den letzten Satz von dir so zentral: „Diese Offenheit, diese Verletzlichkeit, dieser Wille dich damit auseinander zu setzen, das ist für mich Gewaltfreiheit.“ Ja genau das ist es!! Danke!!
Danke für diesen tollen Artikel.
Ich habe mir mittlerweile angewöhnt zu sagen das es mir Leid tut wie ich reagiert habe, aber ich wusste mir in diesem Moment nicht anderst zu helfen. Ist natürlich bei Ausnahmen gemeint.
Manchmal habe ich einfach keine Kraft mehr, dann streicheln ich den Kopf. Ich bin momentan so müde immer alles erklären zu müssen, nicht nur bei den Kindern.
Deine Berichte zeigen mir immer wieder wie lang der Weg ist und das es einfach wichtig ist ihn zu beginnen und ich nicht gleich perfekt sein muss
Mein Sohn hat im September im Kindergarten angefangen, er ist 3,5 Jahre. Am Anfang war alles spannend und toll, seit Anfang der Woche (also drei Wochen nach Start) ist der Abschied wieder furchtbar. Er ging bereits mit einem „Baba Mama, bis später“ in den Gruppenraum, die letzten Tage fuhr er wieder das volle Programm mit Sitzstreik vor dem Gartentor, Augen zu machen, nicht weiter gehen wollen, anklammern, „Du musst immer bei mir bleiben“ weinen, schreien und toben.
Nachdem ich seine Hände von meinem Hals gelöst, das zeternde Bündel in die Arme der Kindergärtnerin übergeben habe und mit meiner 15monatigen Tochter geflüchtet bin, bin ich auch in Tränen ausgebrochen – den dritten Tag hintereinander.
Jetzt ist es drei Uhr nachmittags, mein Sohn seit halb 12 wieder vom Kindergarten zurück (wo er die ganze Zeit gespielt hat und sichtlich überhaupt kein Problem damit hatte dort zu sein), ich sollte arbeiten und ich heule immer noch. Ich komme wohl mit meinen eigenen Emotionen grad nicht klar.
Von allen Seiten höre ich: Da müsst ihr durch. Das wird schon. Bei dir war das nicht anders. Er BRAUCHT den Kindergarten. Er ist REIF dafür (dieser Meinung bin ich ja auch, ich kann ihn zuhause nicht mehr ausreichend fordern und fördern, vor allem gemeinsam mit seiner kleinen Schwester).
Für mich ist es die schlimmste Form von Gewalt – das sich anklammernde Kind von mir weg reißen und dann einfach gehen. Oder? Auch wenn er sich innerhalb einer Minute beruhigt. Oder? Ich bin vollkommen verunsichert. Mein Bauchgefühl sagt, am liebsten würde ich nachgeben und ihn wieder mit nach hause nehmen. Es sagt aber auch, dass es ihm im Kindergarten unter Gleichaltrigen besser geht – mit Dingen, die ich ihm zu hause nicht bieten kann.
Ist das nur eine Form des Sich Eingewöhnen Müssens, so wie es auch Erwachsenen in einem neuen Job geht? Die bei Kindern halt extremer ausfällt? Testet er, wie weit er gehen muss, wie sehr er sich „aufführen“ muss, damit ich aufgebe (und ihn wieder mitnehme)? Ist es Ausdruck seiner Frustration, dass ich ihn hier einfach abliefere, obwohl er gesagt hat, er will nicht? Und wenn ja, soll ich hier wirklich nachgeben? Wird es in einem halben Jahr / Jahr anders sein?
Jetzt würde mich echt die Meinung der unerzogen-Fraktion interessieren….
Liebe Grüße
von einer Mama zweier Löwenkinder
Oh, da würde ich mich auch sehr über Meinungen, Erfahrungen freuen, mich beschäftigt zu Zeit Ähnliches. Liebe Grüße
Hast du ihn mal gefragt, warum er nicht in den Kindergarten möchte, was ihn beschäftigt?
Falls es jemanden interessiert, wie die Geschichte weiter ging: Mein Sohne hatte corona-bedingt Pause vom Kindergarten. Seit zwei Wochen geht er wieder. Und es gab bisher kein einziges Mal Tränen oder sonst was. Er geht (zwar am Anfang noch zögerlich, aber mittlerweile auch schon voraus) von allein zur Tür und nach kurzer Umarmung oder meine Hand nehmen ohne irgendwas rein. Seit Tagen hab ich kein „Ich mag nicht in den Kindergarten“ gehört.
Was ist jetzt anders?
– Er ist älter (fast 4)
– Ich mach in der früh keinen Stress: er darf ausschlafen (oft bis 8, dann kommen wir halt ein paar Minuten zu spät), er darf in der früh noch zuhause spielen und ich lasse ihn selber entscheiden wann er Zähne putzen gehen und anschließend fahren möchte. Wir waren die ersten beiden Tage 5min zu spät und dann immer mindestens eine halbe Stunde früher dort als sonst. Ich hab geglaubt ich spinn…..