Dein Kind hat Stress mit einer Lehrerin? Irgendwas ist schwierig in der Kita? Es gibt es einen Konflikt und du möchtest deinem Kind beistehen, es schützen?

Heute will ich mit dir darüber sprechen, wie du deine Kinder verteidigen kannst. Gar nicht so einfach. Ich hab natürlich nicht die perfekte Antwort, ich möchte dir aber ein paar konkrete Vorschläge machen, wie du deinem Kind zur Seite stehen kannst.

 

 

 

Kurze Vorbemerkung: Am Anfang geht es erstmal darum, herauszufinden, ob das Kind überhaupt Hilfe will, ob es geschützt werden möchte und wessen Drama es ist, ob ich eingreifen sollte oder nicht. Das ist definitiv eine ganz eigene Betrachtung wert. Heute gehe ich davon aus, dass dein Kind deine Hilfe haben will und/oder die Lehrperson/Erzieher*in etc etwas von dir brauchen, dass du bereit bist, dein Kind zu verteidigen und dass du versuchst, konstruktiv zu helfen.

Verteidigen als Schutz? Was soll das sein?

Wenn du dein Kind schützen und verteidigen willst, geht es darum, dass du als ihre*seine Anwält*in auftrittst. Du gibst ihm*ihr die Worte, die es noch nicht hat, wenn es noch sehr klein ist, die es sich nicht traut, zu sagen oder die Worte, die eben nicht gehört werden, weil dein Kind strukturell benachteiligt wird, einfach weil es ein Kind ist.

Kinder sind systemimmanent strukturell diskriminiert, sie werden nicht so ernst genommen, wie erwachsene Leute. Das ist unfassbar ungerecht, keine Frage! Manchmal hilft es, ihnen unsere Stimme zu geben. Mir fällt das immer wieder auf, wenn mein Kind etwas fragt oder sagt und die Erwachsenen das komplett ignorieren. Erst wenn ich genau das gleiche, was mein Kind eben gesagt hat, wiederhole, wird zugehört und darauf reagiert. Manchmal sage ich so etwas wie: „Oh, sie hat gerade gesagt, dass …“

Indem du dein Kind verteidigst und schützt, gibst du ein Stück deiner Macht an dein Kind ab.

Dein Job ist es, einfach nur da zu sein und zu verteidigen, damit dein Kind mit minimalem Schaden und möglichst stressfrei aus der Nummer raus kommt. Vielleicht kannst du einen Deal aushandeln, einen Abschluss oder einen Weg finden, der möglichst wenig Ressourcen bindet, je nachdem, worum es geht.

Die Aufgabe so klar zu haben, finde ich persönlich sehr befreiend, vor allem wenn ich selber involviert bin und eine starke emotionale Reaktion zeige. Mein Job ist es, meine Macht, die ich einfach nur dadurch habe, dass Menschen erwachsene Personen mehr als Mensch ansehen, als junge Personen, ein Stück weit fairer zu verteilen und so zu einer Machtverschiebung beizutragen.

Mein Verständnis von verteidigen ist nicht angreifen. Nicht unbedingt, auch wenn es mal nötig sein kann.

1. Schutz durch Themenwechsel

Eine Herangehensweise, die ich immer sehr hilfreich finde, kenne ich als „Pass the bean dip“. Dabei wechselst du schlicht das Gesprächsthema.

Abbrechen der Situation ist mein erster move, wenn es darum geht, meine Kinder zu verteidigen und zu schützen.

Beispiel: Die Oma macht mal wieder abwertende Bemerkungen über die viiiiel zu langen Haare deines Sohnes. Du merkst, deinem Sohn geht es nicht gut damit und du willst ihn schützen, er hatte dir sogar mal den Auftrag gegeben, einzugreifen, wenn Oma so etwas sagt. Da finde ich Ablenkung als einen sehr deeskalierenden Ansatz super! „Ähm, ja, interessant, schöne lange Haare. Kannst du mir mal bitte den Bohnen-Dipp geben?“ Oder: „Was hast du denn in diesen Salat getan? Der ist ja herrlich!“

Verteidigen bedeutet nicht, dass du jeden Kampf kämpfen musst.

Du brauchst bei adultistischen, übergriffigen Kommentaren nicht angreifen. Gerade, wenn es nicht so richtig wichtig ist, weil eben nur der Nachbar blöd quatscht und nicht die Klassenlehrerin um einen Gesprächstermin bittet, weil „das Kind Probleme macht“ und ihr wirklich eine Lösung braucht.  Das ist nicht immer der beste Weg, aber da geht es auch um deine Ressourcen. Natürlich ist es manchmal total angemessen, auszuflippen, aber ich glaube, oft ist es die Energie nicht wert und sie ist besser in die Beziehung zu deinem Kind und in Dinge, die dir wichtig sind, investiert. Also ablenken. Thema wechseln.

2. Schutz durch klare Grenzen vom Kind

Wenn Kinder ihre persönlichen Grenzen ziehen, wird das häufig als problematisches Verhalten angesehen. Ein Unding, dass wir gesamtgesellschaftlich Kinder, die ihre persönlichen Grenzen aufzeigen, als verhaltensproblematisch ansehen, ich halte das für Gaslighting. Ich könnte mich da endlos drüber aufregen, weil das zu Erwachsenen führt, die ihre persönlichen Grenzen nicht einhalten können. Ich bin ein gutes Beispiel dafür. Ich konnte einst für mich einstehen, aber bearbeite meine Themen jetzt seit Jahren in der Therapie.

Anstatt also das Kind zum Problem zu erklären, sollten wir dafür sorgen, dass seine persönlichen Grenzen gewahrt bleiben, indem wir diese wiederholen. Wenn das Kind also um sich schlägt, „auffällig“ oder „schwierig“ ist, sagen wir für das Kind: „Nein, das ist nicht Ordnung, das möchte ich nicht.“ Oder: „Si*er hat es eben schon gesagt, si*er möchte nicht angefasst werden.“ Oder: „Si*er möchte diese Aufgabe in der Schule nicht machen.“ Wir wiederholen einfach nur das, was das Kind mit seinen Worten oder seinem Verhalten schon mitgeteilt hat und nutzen unseren Vorteil, erwachsen zu sein.

Ich schütze mein Kind, indem ich seine Grenzen anderen klar mache.

Als Frau* könntest du Pech haben, dass dein Eingreifen als schwieriges Verhalten oder hysterisch gelabelt wird – danke Partriarchat -, aber hej, we can take it. Außerdem haben wir die Verantwortung für diesen jungen Menschen. Also schmeißen wir uns dazwischen und ziehen dieselbe Linie, die der junge Mensch gezogen hat, mit unserer Authorität als erwachsene Person.

Wenn Dritte Erwartungen an uns herantragen, dass wir zB Kinder bestrafen oder zu etwas zwingen sollen, wir aber klar haben, dass wir so nicht handeln werden, können wir das auch sagen: „Nein, es wird nicht passieren, dass ich mein Kind zu den Hausaufgaben zwinge.“ An diesem Punkt dürfen wir üben, anzunehmen, dass unser Gegenüber uns nicht mögen muss und dass es in Ordnung ist, wenn Leute (von uns) nicht begeistert sind.

Grenzen aufzeigen, bedeutet nicht, dass wir angreifen müssen. Es wird manchmal als Angriff aufgefasst, aber es geht wirklich nur darum, stellvertretend für das Kind zu sagen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Und ich finde auch nicht, dass wir immer eine Lösung parat haben oder vermitteln müssen. Allerdings kann beides natürlich sehr hilfreich sein, besonders wenn wir es mit Personen zu tun haben, mit denen das Kind viel Zeit verbringt. In Bildungseinrichtungen zB, die das Kind weiter besuchen muss, macht es sehr viel Sinn, nicht in die totale Konfrontation zu gehen.

3. Schutz durch Übersetzen

Damit ist gemeint, dass du deinem Kind hilfst, das, was ihm wichtig ist, so auszudrücken, dass es besser gehört und verstanden wird. Du bist also die*der Übersetzer*in, die*der in effektiver Weise, die Würde deines Kindes verteidigt, indem du die Kommunikation, die vom Kind ausgeht, immer wieder in eine der sozialen Situation angemessene Art übersetzt.

Du kannst zB das Verhalten deines Kindes in Bedürfnissen erklären – das finde ich zwar in Anwesenheit des Kindes nicht so cool, aber es ist eine Möglichkeit, wenn es gar nicht anders geht.

Beispiel: „Ich glaube, für mein Kind ist es sehr wichtig, selbstbestimmt wählen zu können, ob es eine Aufgabe macht oder nicht. Vielleicht können wir dafür eine Lösung finden. Ich bin mir sicher, es möchte gerne kooperieren, aber ich glaube, auf diese Art ist das schwierig.“

Als Übersetzer*in schützt du dein Kind, indem du sein Verhalten anderen verständlich machst.

Bei derartigen Übersetzungen ist es sehr wichtig, aufzupassen, dass du dein Kind nicht verrätst. Denn der mögliche Kompromiss ist nicht für dich, er ist nicht dafür, dass es dir besser geht und du dich wohl fühlst, er ist für dein Kind. Du bist nur die*der Übersetzer*in.

Wie geht es dir dabei?

Wenn wir unser Kind verteidigen und schützen, kann das manchmal auch bedeuten, dass wir aushalten müssen, dass es mit bestimmten Leuten und in bestimmten Situationen keine Lösung gibt. Spätestens an diesem Punkt kann es sein, dass wir mit unseren eigenen Themen konfrontiert werden.

Mir fällt es schwer, meine Kinder zu verteidigen und zu schützen, weil es schwierig für mich ist, genau das für mich selbst zu tun.

Ich lerne noch, meine Grenzen wieder kompetent zu verteidigen, nein zu sagen, stop zu sagen. Ich will auf meine persönlichen Grenzen konstruktiv, freundlich und klar hinweisen und wenn sie verletzt werden, auch entsprechende Konsequenzen ziehen, wie beispielsweise nicht mehr mit dieser Person zu interagieren. Das klappt noch nicht immer.

Und diese Erfahrungen kommen bei mir auf, wenn ich versuche, meine Kinder zu verteidigen, wenn ich merke, sie brauchen meine Unterstützung. Da komm ich mir selbst in den Weg. Es ist wichtig, zu verstehen, dass ich selbst auch noch vorkomme, dass ich für mich selbst da sein darf und dass ich mich nicht überfordern muss.

Es ist total ok, schlicht abzulenken und einer Sache aus dem Weg zu gehen, wenn das das beste ist, was du gerade hinbekommst. Wenn es dir geht wie mir, dann musst du da kleine Schritte machen, dann kannst du nicht volle Breitseite in den Konflikt rein gehen, weil es für dich zu ängstigend ist.

Es macht Sinn, sich da Hilfe zu holen. Es macht Sinn, freundlich zu dir zu sein.

Und nicht vergessen: Wir sind alle sehr, sehr unperfekt! Sei lieb zu dir!