Auf dem hohen moralischen Ross sitzt es sich leicht. Ich weiß. Mich verschlägt es da auch ab und an hin – wenn Menschen öffentlich versuchen meine Arbeit zu diskreditieren oder mir seltsame Fragen gestellt werden. Wenn ich unsicher bin oder müde.
Dann zeige ich gerne mal auf andere, belehre und werte ab, was sie tun. Ich gebs zu.
Das ist, glaube ich, auch nicht immer nur falsch – vor allem wenn die Person selber nicht offen ist, ist das klare Markieren von Gewalt (und Erziehung ist Gewalt) wichtig für alle die, die zuschauen oder mitlesen.
Es macht nur eines mit Sicherheit: Es belastet die Beziehungen zur kritisierten Person.
Das wird immer dann schwierig, wenn die uns wichtig ist.
Partnerschaft als Klugscheißer*innen-Prüfung
Als ich begann, unerzogen zu entdecken, hatte mein Partner es schwer mit mir. Er bekam Vorträge, ich verbesserte ihn ständig und ab und an schimpfte ich mit ihm. Weil ich plötzlich sah, was wir falsch machten. Und ganz nebenbei selber keine Ahnung hatte, wie mensch es anders machen könnte.
Das ist übrigens doppelt gemein. Erstmal ist Kritik ohne Verbindung oder Interesse an sich problematisch und ziemlich sicher vergeblich – aber dann ist da auch noch die Tatsache, dass unsere Partner*innen in eine fiese Falle kommen, wenn wir aufhören zu erziehen und uns beziehungsorientiert verhalten.
Der stumme Erziehungspakt
Erziehung hat einen wichtigen Aspekt: Dass es alle tun. Wenn ein Elternteil etwas erlaubt, was eigentlich verboten ist, quengelt das Kind beim anderen Elternteil. Deswegen darf es niemand erlauben. Wenn die Eltern erlauben, dass das Kind widersprechen darf, wird es in der Schule frech. Deswegen müssen die Eltern das Kind erziehen. Das ist die Logik.
Wenn wir also aufhören, unseren Teil des Paktes zu erfüllen, weil wir die grauenvolle und abwertende Logik dahinter nicht mittragen, hat unser*e Partner*in ein Problem. Ungewollt.
Das ist so wichtig, dass ich es nochmal schreibe: Es ist UNGEWOLLT. Du und ich, wir wollten das. Wir haben uns die Informationen gesucht und die Fragen gestellt. Er*sie kommt nun plötzlich in die Situation, konfrontiert zu sein mit Gedanken, die schmerzhaft sind und Verhalten, was ihn*sie herausfordert.
Verstehe mich nicht falsch. Es ist Blödsinn, dass Eltern an einem Strang ziehen müssen. Aber es ist schmerzhaft und unangenehm, sich mit der dahinterstehenden Idee auseinandersetzen zu müssen, ohne danach gefragt zu haben! Ich meine, für dich und mich ist es von Zeit zu Zeit schon schmerzhaft und wir WOLLEN das.
Lassen wir also unsere Partner*innen in Ruhe. Wir haben Staub aufgewirbelt, ohne sie zu fragen und das kann sich unter Umständen echt unangenehm anfühlen!
Was tun?!
Beziehung voranzustellen, lässt sich nicht belehren – unter anderem, weil belehren genau das Gegenteil davon ist.
Ich kann niemanden dazu erziehen, nicht zu erziehen. Merken.
Aber ich kann es zeigen. Wir haben in unserer Community genug Beispiele, wo Partner*innen durch das ZEIGEN des Weges plötzlich neue Welten erlebt haben. Durch das Erleben der vertieften Beziehung zum Kind. Durch das angenehme Erleben, wenn ihnen Gutes unterstellt wurde, auch wenn sie sich nicht gut verhielten.
Liebe steckt an.
Letzten Endes ist aber auch eines wichtig zu verstehen: Deine*n Partner*in im eigenen Weg zu respektieren, bedeutet nicht, alles verstehen zu müssen oder gar zu Gewalt zu schweigen. Du kannst eingreifen, ohne abzuwerten – und du bist nicht verantwortlich dafür, dass dein*e Partner*in sich zu jeder Zeit dabei wohlfühlt. Beizutragen zur Elternschaft anderer, ist ein Geschenk, nicht deine Pflicht.
Danke für dieses Thema, es ist bei uns In der Partnerschaft immer präsent. Unerzogen war für mich so eine Offenbarung, vieles ist mir nach und nach schmerzlich klar geworden. Bei mir selbst und auch bei meinem Partner…ich hatte dann auch ein großes Bedürfnis, mich über das Thema zu unterhalten, zu diskutieren. Besonders mit meinem Mann. Er findet auch vieles gut und richtig an den Gedanken, aber er ist halt nicht so tief drin wie ich. Ich hab auch schnell gemerkt, dass ich dazu neige, sein Verhalten zu kommentieren, ihn zu kritisieren. Ja und das ist nicht das einzige Thema, wo das so ist bei uns. Ich steig oft voll ein in sowas und lese und lese und es arbeitet in mir und ich hätte eigentlich den Wunsch, mit ihm zusammen durch diese Veränderungen zu gehen. Aber das ist natürlich nicht der Fall und kann ich auch nicht von ihm erwarten. Naja, jedenfalls habe ich aufgehört, ihn zu kritisieren. Jetzt bin ich einfach unsicher, was ich stattdessen machen kann in Situationen, in denen ich sein Verhalten den Kindern gegenüber nicht richtig finde. Freu mich auf die Beiträge zum Thema
der Punkt ist glaub ich genau der, sein Verhalten nicht zu werten. Es ist ok, wie er ist, mit seinen Möglichkeiten.
Ich kenne das von mir auch sehr gut, mein Partner interessiert sich leider absolut gar nicht dafür – manchmal macht es mich wütend, machmal macht es mich traurig, aber ich habe aufgegeben es ihm „zu erklären“ – ich lebe es, so gut es mir gelingt, er kann nur das daraus machen, was er gewillt ist, daraus zu machen.
schöner Artikel. danke. bei mir war es so, dass ich es nicht ertragen habe, wenn der Papa den Kindern Angst machte, Autorität als Machtmissbrauch nutzte und ich dabei stand … da kann ich nicht nur zuschauen – und ja, reagiere auch im selben Moment. der Vater will sich eh nicht in etwas Anderes reindenken. er will es einfach nicht. WAS NUN?
Mein Mann und ich streiten gerade so viel. Mir fällt es so unfassbar schwer wenn er ungerecht ist, ihm die Verantwortung zu lassen. Manchmal schaffe ich es seine Not zu sehen, seine Ängste. Meistens stelle ich mich schützend vor meine Kinder. Und sage, dass er aufhören soll so Argumentations- / Schimpftiraden über sie zu ergießen. Ganz ehrlich, ich schaffe das auch nicht immer, versuche dann die Verantwortung bei mir zu lassen. „Mir ist es zu laut “ nicht “ Ihr seid zu laut“. Immer schaffe ich das nicht es gibt auch bei mir echte schwarze Tiefpunkte. Für mich ist es einfach schmerzhaft, dass mein Mann normales kindliches Verhalten als problematisch sieht, weil er seinen Stress nicht unter Kontrolle hat. Manchmal schaffe ich es sogar in die Empathie (Königsweg) und ich berühre ihn am Arm oder frage ob er einen Tee will, meist triggert er mich aber.
Im Moment ist unsere Beziehung allerdings echt in einer Schräglage und ich finde nur schwer einen Ausweg. Ich meinte neulich ich würde gerne eine Mütterkur in den Ferien ohne Kinder machen. Damit ich mich erholen kann. Er war dafür meinte aber, dass er in der Zeit hier andere Seiten aufziehen würde. Er hat echt Angst, dass unsere Kinder durch mich schaden nehmen und ich geh jetzt nicht in kur, weil ich aAngst habe, dass hier die Integrität meiner Kinder massiv verletzt wird. Ich finde bald jeden Kontakt mit Mann Kinder und mir als Belastung und das macht mich gerade sehr traurig, weil wir so gut zusammmen passen und seit meinem Wandel die Freude und der Spaß vollkommen aus unserer Beziehung gewichen ist. Das macht mich sehr traurig.
Liebe Cindy, die Kluft zwischen euch könnte grösser werden. Ihr Mütter (wo sind die Väter in der ‚Unerzogen-Bewegung??) denkt, ihr seid die Allwissenden.
Ich müsste auch zur Kur, wenn ich euer Nicht-Erziehungs-Konzept mit meinen drei Jungs leben würde.
Bleibt pragmatisch und in Beziehung zu euren Kindern, aber stellt euch selbst und eure Partnerschaft nicht hintenan.