Elternschaft ist so klein, so privat. Irgendwas, was du so zwischen Arbeit und ‚Frauenabend‘ im Pub machst. Es ist verschlossen hinter einer Menge Türen.

Konkrete Türen: Die Vereinzelung unserer Gesellschaft führt dazu, dass wir häufig alleine ein oder mehrere Kinder begleiten, dafür aber in der eigenen Wohnung und mit viel Platz (komische Priorität, wenn ich es so bedenke…).

Psychische Türen: Wenn irgendetwas verletzlich macht, dann das Elternsein. Und weil wir alle entweder selber betroffen waren, weil wir Eltern hatten oder weil wir Eltern sind, ist die Gefahr groß, dass wir kritisiert werden. Auf der Straße, im Netz, in Zeitungsartikeln – der Schritt der Abwertung von Eltern ist verbreitet und einfach. Kinder haben ADHS? Na, weil die Eltern sich nur mit dem Smartphone befassen. Die Jugend protestiert und geht nicht zur Schule? Na, die Eltern haben die verwöhnten Blagen mit ihrer linksgrünen Dogmablase indoktriniert.

Elternsein ist unfassbar vulnerabel. Denn wir Eltern sind unsicher. Wir haben Angst. Zweifel. Schuldgefühle. Und deswegen machen wir lieber zu als auf. Deswegen fotografieren wir lieber das neueste Outfit unseres perfekt geschniegelten Kleinkindes auf Instagram, als zu erzählen, dass wir überlegen uns psychiatrische Hilfe zu holen, weil wir manchmal Phantasien haben, in denen wir das Kleinkind ernsthaft verletzen.

Ein Teil des Problems ist, dass Elternschaft immer noch als angeboren und nebenbei zu erledigen gilt. Dabei ist bewusste, friedvolle Elternschaft für die meisten Menschen das gleiche wie Schach spielen – eine Lernaufgabe, die den einen schwerer, den anderen leichter fällt.

Und Lernaufgaben brauchen unfassbar viel Kraft.

Unser Gehirn kann nur sehr kurz die Kraft halten, das liegt an seiner Anlage. Fokussiert etwas neu zu machen, sich einem Trauma zu stellen, eine angelernte Handlung zu hinterfragen, all das kostet unfassbar viel Kraft. Erstmal. Dann kommt die Routine (deswegen lohnt es sich so sehr)!

Anstatt das anzuerkennen und Eltern mit Ressourcen zu überhäufen, beschämen wir sie – vor allem wenn sie Frauen sind -, kritisieren sie und erklären sie im Zweifelsfall für alles verantwortlich, was schief läuft und auch nur im Ansatz ihre Kinder betrifft. Bildungskatastrophe? Na, weil die Eltern so scheiße sind! Hohe Anzahl psychischer Erkrankungen bei Kindern? Na, rate mal.

Und ich sage: Hören wir auf, uns diesen Kram anzuhören. Hören wir. Einfach. Auf.

Wir dürfen uns ein Umfeld suchen, das uns unterstützt, nährt und feiert.

Zufällig weiß ich, wovon ich rede. Ich habe jahrelang in unpassenden Umgebungen gelebt. Umgeben von Menschen, die mich weder verstanden noch ernsthaft Interesse an einem Austausch hatten. Und dachte, das muss, na klar, irgendwie an mir liegen.

Nein. Verdammt nochmal. Es hat einfach nicht gepasst! Nein, ich muss nicht ständig jede Meinung ertragen und geduldig lächeln, wenn mir jemand Kindererziehung erklärt. Nein, ich muss nicht die Lehrer*innen ertragen, die mich kritisieren, die Freund*innen, von denen ich mich entfernt habe.

Ich darf gehen.

‚The most basic freedom is the freedom to quit‘ schreibt Peter Gray. Und wenn ich mir meine Kinder so ansehe, stelle ich fest, dass die das total gut können. Die können wunderbar nein sagen und gehen, wenn etwas nicht gut für sie ist. Und auch ja sagen und bleiben, wenn es ihnen das wert ist. Wann genau hab ich das verlernt?!

Ach ja, nun fällt es mir ein: An dem Punkt, an dem mir vorgegaukelt wurde, dass ‚Gesellschaftsfähigkeit‘ gleichzusetzen sei mit der Fähigkeit, Menschen, Meinungen und Ideen hinzunehmen, ohne für mich zu sorgen. Als mir gesagt wurde, ich müsse Situationen, die mir schaden, aushalten und das dann Toleranz nennen und mich durch Zwangskontexte wie Schule und Arbeit durchzwingen – wie alle anderen auch -, um gesellschaftsfähig zu sein. Ähm. Nee danke.

Du darfst dir Freund*innen suchen, die dich stützen auf deinem friedvollen Weg. Und Orte, die dir gut tun (oh ja, auch im bösen Internet! Hier wäre so ein Ort).

Hiermit gebe ich dir die Erlaubnis, falls du das gebraucht hast. Und mir auch, mal wieder.