Okay. Dein Kind ist besonders herausfordernd. Dein Leben hat dich mit besonders beschissener Scheiße gesegnet.

Mist.

Und nun?

Ist es dann nicht angemessen, sich Hilfe zu holen, wenn dein Kind durchdreht? Und auch mal zu verlangen, dass das Problem mit großem Nachdruck behandelt wird?

Schließlich bist du am Ende. Erschöpft. Hast genug Probleme. Wenigstens dein Kind kann mal ne scheiß Nacht schlafen. Oder auhören mit dem Verhalten, was dich wahnsinnig macht vor Sorge. Und Scham.

Genau dafür gibt es Einrichtungen wie die Gelsenkirchener Klinik, die nach dem Erscheinen des Filmes ‚Elternschule‘ massiv unter Druck geriet. Denn sie tut vor allem eins: Das kindliche Verhalten modifizieren.

Und das hat seinen Preis, vor allem einen ethischen. Dazu wurde inzwischen einiges geschrieben – ich mag hier aus der Stellungnahme des DGKJP zitieren, die u.a. die Rechtfertigung massiver Maßnahmen in Abwägung zur Menschenwürde anzweifelt:

Die moderne Behandlung psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen setzt immer voraus, dass das Kindeswohl an erster Stelle steht. Hierzu zählt auch die Achtung des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit und des Rechtes auf Würde. Übergriffige und gewaltsame Methoden zählen keinesfalls zu den genutzten Verfahren. Therapeutische Maßnahmen gegen den Willen der Betroffenen, auch der Kinder, sind nur in Ausnahmefällen und nur unter bestimmten Bedingungen zu rechtfertigen.

Okay. Alles klar. wir haben es kapiert. Das ist Mist.

Aber eine Frage bleibt ja unbeantwortet. WIE gehe ich denn mit diesen wahnsinnigen Belastungen um, wenn nicht so? Gibt es nicht Situationen, in denen Verhalten auch einfach mal aufhören muss ohne Wenn und Aber? Und was kann ich tun, wenn ich vor Erschöpfung nicht mehr weiter weiß?

Meine schlaue Community auf Instagram hat mir für diesen Artikel input gegeben. Zusammen haben wir überlegt, was hilfreiche Schritte sein könnten, um friedvoll mit herausforderndem kindlichen Verhalten umzugehen. Sie sind nicht alle angenehm, aber sie sind langfristig hilfreich, ohne die Gefahr der Nebenwirkungen, die Methoden wie in Gelsenkirchen mit sich tragen.

1. Es. Ist. Deine. Verantwortung.

Nein, das wird kein ‚guilt trip‘. Sowas hast du bestimmt schon oft genug mit dir gemacht. Es wird der simple Hinweis darauf, dass NUR DU die Beziehung zwischen euch retten kannst. Dein Kind ist zu klein und kann die Verantwortung nicht übernehmen. Außerdem ist es in Not.

Du kannst etwas tun!

Das bedeutet übrigens nicht, dass du zwingend schuld bist, an dem was da los ist. Manchmal passieren beschissene Dinge im Leben: Überfälle, Frühgeburten, Umweltkatastrophen, Krieg und Leid hat sich kein Elternteil persönlich ausgedacht. Es kann aber auch gut sein, dass du einen Anteil an der Situation hast – oder auch, dass dein Verhalten sie ausgelöst hat. In jedem Fall hilft dir dieses Wissen nur dann, wenn du es schaffst, aus ihm die Erkenntnis zu ziehen, was du anders machen kannst als bisher.

Und dafür gibt es gute Hilfe.

Zum Beispiel die Emotionale Erste Hilfe, die sich auf Schreibabies bezieht und mit den Eltern und dem Umfeld arbeitet, anstatt das Verhalten des Kindes zu verändern.

Such dir solche Orte, damit du lernen kannst, wie dein Blick auf die Welt, deine Muster und Prägungen der positive Einfluss auf das Leben deines Kindes sein kann. Denk daran – Resilienz braucht oft nur eine Person, die liebevoll und zugewandt war. Auch wenn du nichts für den Mist kannst, in dem ihr jetzt sitzt: Sei diese eine Person.

2. Stell dich auf den Podest.

Du leistest Unglaubliches. Herausforderndes kindliches Verhalten kann unfassbar schwer sein. Es fordert dich in einem Maß auf, über deine (gedanklichen) Grenzen und bisherigen Verhaltensweisen hinauszugehen, dass es beängstigend sein kann.

Aber nur wenn du das tust, kannst du wirklich hilfreich sein im Leben dieses jungen, belasteten Menschen. Und: Selber heilen.

Das bedeutet auch, dass du alle Ressourcen nutzen darfst, die da sind, um DICH zu stützen, zu nähren und dir Gutes zu tun. Weil du dreimal so viel tragen musst für dein Kind als andere Eltern, die aus irgendwelchen Gründen nicht in dieser Situation stecken. Weil du dauerhaft übermüdet bist oder ständig Lehrergespräche führst oder krank vor Sorge bist, weil dein kind nicht isst.

Nimm dir Auszeiten, versorge dich mit Dingen, die dir gut tun (Menschen, Kursen, Therapien, Essen… Alles was dich nährt.) und mach es dir zu Gewohnheit, dir begeistert jeden Tag für deinen Einsatz zu danken. Und denke gar nicht erst daran, in den Chor derer, die vom Verhalten des Kindes auf deine mangelnde Eignung als Elternteil schließen, einzustimmen!

Du machst das großartig. Es bricht mir wirklich das Herz, wie wir als Gesellschaft Eltern in solchen herausfordernden Situationen noch beschämen und klein halten, anstatt sie zu nähren, zu umsorgen und zu feiern für den Job, den sie machen.

Gewalt ensteht genau aus solchen Situationen, aus zu wenig Ressourcen und Angst vor Ablehnung, die beinahe garantieren, dass alte Muster wiederholt werden.

Etwas neu zu machen, anders zu machen als die Eltern, kostet Kraft. Es zu tun, wenn das Kind auffällig ist und der Rest der Welt eine Meinung dazu hat, kostet unfassbare Kraft.

Feier dich. Nimm dich ernst. Nimm diesen Job ernst. Nochmal: Du machst das großartig.

3. Feier dein Kind

Eines der schockierendsten Dinge an dem Film ‚Elternschule‘ ist das Bild vom jungen Menschen. Kinder werden als manipulierende Monster angesehen, die egozentrisch in die Welt geboren werden. Diese Dinge werden nicht nur im Laufe des Filmes gesagt, sie drücken sich vor allem durch die Methoden und Handlungsweisen aus.

Häufig ist uns gar nicht klar, welche Ideen unseren Handlungen zugrunde liegen. Und genau da können wir ansetzen.

Warum glaube ich, dass mein Kind unbedingt still sitzen können muss? Warum glaube ich, dass es das essen muss, was ich für gut halte?

Es geht nicht darum, dass du keine guten Gründe hast! Es geht darum zu spüren – was ist mein Blick auf diesen Menschen. Was ist meine Idee.

Wenn hinter diesen Fragen Dinge wie ‚weil man aber… macht‘ auftauchen, sind die Chancen groß, dass du Muster wiederholst, die dich aus der Beziehung herauskatapultieren können. Gibst du deinem Kind jedoch den Raum, dass du davon ausgehst, dass es immer das Beste tut, was es kann, kannst du spannende Fragen stellen: Was könnte der Grund sein, dass es nicht still sitzt? Wann tritt das auf? In welchen Situationen ist das wirklich nötig und warum? Und wie können wir Lösungen für diese Situationen finden, die für alle passen, ohne dass wir das Kind verändern?

Willkommen in der Welt der Lösungen.

Und nein, das bedeutet nicht, dass es immer eine gibt. Oder dass sie immer perfekt ist. Das bedeutet, dass du, wenn du das kindliche Verhalten annimmst, wie es ist, und aufhörst zu kämpfen, von dort aus anfangen kannst, Lösungen für die daraus entstehenden Probleme zu finden.

Und da beginnt Beziehung.