Im Endeffekt ist es doch egal.
Jedes Kind ist anders und bei jedem funktionieren andere Dinge. Und, ach, am Ende soll jeder das machen, wie er will.
Weil – man kann es beim Kinder großziehen ja nicht richtig und nicht falsch machen.
Aha?!
Aussagen wie diese lese ich in letzter Zeit vermehrt und ich habe damit ein Problem.
Denn sie stimmen nicht. Es kann nicht jeder machen, was er will und es ist nicht egal, ob ein Kind erzogen wird oder nicht.
Und das ist auch gut so!
Ich meine, stellen wir uns das mal vor: Eine Welt, in der es uns völlig egal ist, wie die nachfolgende Generation großgezogen wird. Eine Welt, in der Gewalt, Demütigungen und ihren Folgen mit achselzuckendem ‚Kann ja jeder seine Sache machen‘ begegnet wird.
Nein, ich will in einer solchen Gesellschaft nicht leben. Ich will in Verbindung und Diskussion und Konflikt leben. Das nennt man dann Demokratie.
In Ruhe lassen – Gleichgültigkeit als Miteinander?
Aber was ist das? Dieser Wunsch, alle Eltern mögen einander in Ruhe lassen und die Klappe halten?
Ich habe den Verdacht, es ist falsch verstandene Toleranz.
Was wir nämlich alle brauchen, ist die Gewissheit, dass wir selber, als Menschen, immer und zu jedem Zeitpunkt gut und in Ordnung sind. Dass wir okay sind, auch wenn wir Scheiße bauen.
Das brauchen alle Menschen. Das Gefühl, okay zu sein.
Unglücklicherweise steht dem die Idee entgegen, wir müssten moralisch falschem Verhalten mit Scham und Schuldgefühlen begegnen. Dem ist nicht so. Moralisch richtiges Verhalten wird, wie alles andere Lernen, nicht erlernt mittels Beschämung und Ablehnung. Sondern indem wir immer und immer wieder unsere Werte rückmelden und begründen.
Wenn wir aber erzogen wurden (und das trifft ja leider immer noch auf viele Menschen zu), erlebten wir häufig, dass wir bestraft und abgewertet wurden für moralisch falsch bewertetes Verhalten.
Das Problem bei Kindern ist, dass sie nicht differenzieren können zwischen Rückmeldungen zu ihrem Verhalten und ihrem Sein.
Und diese mangelnde Differenzierung trägt sich durch. Bis wir als Erwachsene keine Kritik üben wollen am Handeln anderer – denn es könnte sie ja verletzen. Oder wir fürchten, ‚was die Nachbarn sagen könnten‘ weil wir nicht differenzieren können zwischen der moralischen Wertung anderer an unseren Handlungen und unserem Sein.
Wie gebe ich nun einem Menschen das Gefühl, okay zu sein, ohne dass ich seine Handlung billige?
Gute Frage. Ich übe das selber täglich.
Meine Antwort bisher: Empathie, Zuwendung, Interesse. Ich kann es falsch finden, wenn andere erziehen (und das tue ich) und trotzdem empathisch im Kontakt sein – wenn ich das möchte. Ich kann die Not sehen dahinter und mich einfühlen. Und das ist auch der einzige Weg, in Verbindung zu kommen.
Ich kann damit zumindest das Risiko senken, dass andere sich angegriffen fühlen von meiner Art, zu Sein und zu Leben.
Die Moral von der Geschicht…
Aber warum sage ich denn überhaupt was? Warum kann ich die anderen nicht in Ruhe lassen?
Moral lebt von ihrem Ausdruck. Wir alle können theoretisch gegen Mord sein und trotzdem töten – unsere Moral wäre keine, weil sie reine Theorie ist (und unser Rechtssystem ist dabei als geronnene Moral zu verstehen).
Wenn wir gegen Gewalt gegen Kinder sind, müssen wir uns ausdrücken. Nicht, um andere zu beschämen, abzuwerten und ihnen wehzutun. Nein.
Sondern um eine moralische Praxis zu schaffen, in der wir nicht wegsehen.
Noch immer ist körperliche Gewalt Alltag in vielen Haushalten. Psychische Gewalt, wie Erziehung sie darstellt ist beinahe jedem Menschen systematisch angetan worden, der heute in Deutschland lebt.
Natürlich gibt es Abstufungen. Und natürlich ist es wichtig, das dahinter stehende Leid anzuerkennen. Aber in einer Kultur der Kinderfeindlichkeit und erzieherischer Gewalt ist es beinahe unmöglich, damit aufzuhören, wenn alle weiter billigen, was passiert.
Toleranz ist nicht, zu schweigen und weiter Dingen zuzusehen, die schädlich sind. Toleranz ist, die Handlungen anderer kritisieren zu können, ohne ihr Sein abzuwerten.
Das übe ich. Jeden Tag.
Deswegen meine Bitte an dich: In dem Maße, in dem dir Gewalt begegnet, verdeutliche deine Haltung. Sprich es an. Schweige nicht.
Und gleichzeitig weiß ich aus bitterer Erfahrung, wie sehr verletzlich und traurig es macht, wider besseren Wissens zu handeln, wie ich eigentlich nicht mehr handeln will.
Da hat Moral dann nichts mehr zu suchen. Nur Empathie.
Schön geschrieben. Ja, üben. ☺ Und das ist wirklich ein großes Thema. Das geht noch weiter als nur über den Umgang mit Kindern. Die Welt ist so strange.
Liebe Nela,
oh ja. Da geht es – wie immer, wenn wir über Erziehungsfreiheit sprechen – um alles: Darum, wie wir miteinander leben und sein wollen. Ein großes, wichtiges Thema!
Grüße, Ruth
Schwierig. Ich weiß wie angegriffen ichjmich fühle, wenn ich offen kritisiert werde, weil ich mein Kind mit meinem Verhalten verziehe. Und ja ich habe die Worte gehört und sie mir nicht eingebildet. Ich verwöhne und verziehe mein Kind weil ich es zu viel trage, e sbie mir schlafen lasse, ich lasse ihm zu viel druchgehen. Wie soll er bitte und danke sagen lernen, wenn keiner es ihm sagt, wie Du Lobst dein Kind nicht ?!, ab und zu muss man halt schimpfen sonst lernt er es nie. Ich Ecke genug an ich bekomme dafür genug ab, ich habe keine Lust mich dann noch zu streiten, darauf läuft es nämlich dann raus. Zum einen ist es für mich verletzend zum anderen ist meine pure Existens und anders Tun verletzten für mein Umfeld. Die sind in ihren Ansichten absout festgefahren. Und mein Innerer trotzkopf sagt, weshlab soll ich mich da einfühlen. Das ist ansrengend, zumal ich mit weiteren Verlezungen rechnen kann, weil die andere Seite genau dies nicht tut. Aus reinem selbstschutz werde ich einen Teufel tun und mich da einmischen. Ausser bei Schlägen da beziehe ich klar Stellung. Dz kommt ihc bin mir selbst nicht sicher ob nicht erziehen tatsälich aus meinem Kind einen Gedelschafttauglichen Menschen macht. Der Beweis, dass mein Weg zu einem soziel kompetenten in diese Welt passenden Menschen produziert, der steht noch aus. Wenn ich in der Pupertät lächeln kann, weil mein kind sich nicht mit allem was es hat gegen mich stemmt, weil ich seit jahren auf unser Beziehnugkonto einzahle und vielleicht dann etwas rausbekomme, dann kann ich sagen es gibt richitg und flasch. mein Weg war richitg. Vorher habe ich nur Theoriewisssen von sehr schlauen Wissenschaftlern und meine persönliche innere überzeugung, dass es auch ohne „wenn dann“ und ohne blosstellen und ohne schimpfen gehen muss. Wenigstens die meiste Zeit (ich bin nur ein Mensch und manchmal gandenlos überfordert, oder meine Akkus sind leer, so dass mit Empathie einfach sabbat ist. Ich bin die mit dem Was ich sagen will ich bin in meinem Umfeld die, die zuviel liest, die mit den Nuemodeischen Ansichten die gegen Altbewährtes verstößt, das ist anstrengend genug. Da missioniere ich auch nicht, Vielleicht später, dann werden aus denen die mich jetzt kritisieren vielleicht eine alte Genersation die der jungen nicht so reinqutscht wenn die den neuen weg geht.
Auffallend finde ich ja eh zwei Punkte.
Die Einstiegssätze kommen oft
a) von Leuten, wo man echt was sagen sollte
und b) von Leuten, die kein Problem haben, einem Vorschriften zu machen – nur ihnen darf man keine Vorschriften machen.
Gerne treten a) und b) auch in Kombination auf.
Hallo!
Ja, eine gewisse Korrelation lässt sich da nicht verleugnen 😉
Ruth
Ich musste am Wochenende erfahren, dass mein Ansprechen und nicht einfach machen lassen dazu geführt haben, dass ich persönlich beleidigt wurde.
Zu Hause habe ich erst mal bitterlich geweint. Ich konnte nicht mehr! Mein Sohn wurde derart angegangen, aber das gleiche mir vorgeworfen. Ich konnte gar nicht so oft eingreifen, wie es nötig gewesen wäre.
Es fielen Sätze wie:
– T. ist böse
– Willst du Prügel?
– Halte die Fresse
– usw
alles in fiesen Tonfall.
Und immer wieder „Mach mit deinen Kindern was du willst. Du wirst schon sehen was du von deiner Erziehung hast. Meinen Kind hast du nichts zu sagen.“ Selbst aber ständig oben genanntes zu meinen Sohn sagen.
Was macht man da?
Liebe Sabrina,
wie schrecklich! Das tut mir richtig weh beim Lesen…
Da würde ich wirklich schauen – wie viel Belastung bist du bereit zu tragen? Kannst du dich und dein Kind schützen? Kannst du dir Support holen, um in Ruhe und mit Klarheit zu agieren?
Je nach Situation ist das wirklich vertrackt, die Balance zu halten zwischen der inneren KLarheit und dem eigenen Schutz.
Alles, alles Liebe dir!
Ruth
danke! das trifft genau meine gedanken zu dem thema.
meine unsicherheit dabei ist aber noch folgende:
wenn ich diese form von gewalt an einem kind miterlebe, darf/soll/muss/kann ich dann in diesem moment eingreifen oder soll ich lieber in einer ruhigeren späteren situation das gespräch mit dem erwachsenen suchen? beim sofortigen eingriff könnte ich eventuell das kind (für den moment) schützen. aber ist dann der erwachsene bereit, zuzuhören und zu lernen? beim späteren gespräch könnte ich den erwachsenen wohlmöglich besser erreichen, aber das kind bekommt es nicht mit.
Grundsätzlich bin ich ganz bei dir. Nur so wie Unerzogen und gewaltfreie Kommunikation „Gewalt“ definieren, müsste ich nicht nur jeden ansprechen, der z.B. sein Kind überreden will den Spielplatz zu verlassen oder ein Kind wenn auch sanft hinter sich herzieht… mir selbst passiert das und ich muss immer wieder reflektieren wie sinnvoll und wertschätzend das eigentlich ist. Aber deswegen jeden um mich anzusprechen finde ich anmaßend. Ich finde die GewaltDefinition im UnerzogenBereich sowieso problematisch. Ich habe das Gefühl es verwässert tatsächliche Gewalt (also Gewalt im herkömmlichen Sinne).