Okay. Tief durchatmen. Das wird jetzt nicht angenehm.
Immer mal wieder fragen mich Leute sinngemäß „Du, Ruth, was hast du denn gegen Erziehung? Es ist nun mal wichtig, unsere Kinder auf die Zukunft vorzubereiten!“
Falls du ähnliche Bedenken hast: Lass mich da mal was klarstellen.
Ja, ich habe was gegen Erziehung. Dazu habe ich hier schon geschrieben und zu den einzelnen Aspekten und vielen Gründen, die gegen Erziehung sprechen sind schon einige Bücher geschrieben worden.
Gründe gibt es genug gegen Erziehung.
Heute widme ich mich aber speziell eben jener Idee, die der oben genannten Frage zugrunde liegt. Erziehung, die so wie oben verstanden wird, beruht auf zwei Illusionen. Eine davon ist Zeit. Die andere ist die Formbarkeit von Individuen.
Fangen wir mit der Zeit an.
Die Illusion der Zukunft
Keine Angst, ich werde jetzt nicht esoterisch. Das einzige, was ich feststelle ist: Zeit ist ein gedankliches Konzept. Und nicht fühlbar.
Das kannst du an kleinen Kindern und ihrem Lernprozess gut beobachten. Während für ein zweijähriges Kind ‚gleich‘ ein noch vollkommen unüberschaubares Konzept ist, weil es außerhalb des Erfahrungsrahmens liegt, ist ‚gleich‘ für ein sechsjähriges schon eher verständlich – das Konzept von Zeit braucht Jahre, um verstanden zu werden.
Wenn du erziehst, tust du das in dem Glauben, deinem Kind etwas beizubringen, was dessen Zukunft beeinflusst. Egal, wie liebevoll du das tust, du tust es nicht für heute.
Dein Kind soll heute lernen, sich gut zu benehmen, damit es das morgen kann und heute rechtzeitig zum Kindergarten gehen, weil in der Schule kann es dann nicht zu spät kommen.
Erziehung rennt der Illusion hinterher, wir könnten wissen, was morgen wichtig ist.
Und das ist ein Problem.
Die menschliche Psyche und unser Körper kennen nur die Gegenwart. Nur das Jetzt. Eckehard Tolle beschreibt in seinem Buch Jetzt! Die Kraft der Gegenwart
, wie wir vor lauter Denken in Zukunft und Vergangenheit vergessen haben, dass Jetzt der einzige Zeitpunkt ist, zu dem wir leben.
Nur Jetzt ist fühlbar und erlebbar. Das gilt für große wie für kleine Menschen.
Jetzt ist der Moment, in dem du Beziehungen gestaltest und jetzt ist der einzige Moment, in dem du überhaupt weißt, was passiert. Und wie es passiert. Was danach kommt, liegt komplett außerhalb deines Einflusses.
Bittere Pille, ich weiß. Eltern stehen auf diese sehr simple Wahrheit meistens überhaupt nicht. Es kann sogar sein, dass sie wütend werden, wenn man sie darauf aufmerksam macht.
Warum? Weil Erziehung ein einziges Leben in einer imaginären Zukunft ist. Alles ist darauf ausgelegt, heute einen Menschen zu formen, der morgen oder irgendwann Dinge kann und Eigenschaften hat, die wir anlegen.
Es tut weh, sich einzugestehen, dass all das Erziehen illusionär ist. Es beruht auf Vorstellungen, Projektionen und Wünschen.
Dabei ist das vollkommen egal, ob wir das liebevoll meinen oder nicht. Wir zerstören den Moment.
Wenn ich meinem Kind das dritte Eis verweigere, obwohl das möglich wäre, mit der Begründung, es müsse lernen, nicht alles zu bekommen, bin ich von Angst vor der Zukunft geprägt und nicht in der Gegenwärtigkeit, in der es kein Problem ist, dem Kind ein Eis zu geben (außer natürlich, es ist ein Problem, konkret, in der Gegenwart. Das hat dann mit Verantwortung und nicht mit Angst zu tun).
Ohne Erziehung leben ist deswegen tief verknüpft mit dem Aufgeben der Konzeption von Zeit und mit dem Annehmen und Leben in dem, was ist.
So weit, so unangenehm.
Kommen wir zum zweiten Irrtum: der Formbarkeit des Menschen.
Warum Erziehung Beziehungen tötet
Okay. Zeitkonzepte hindern uns daran, in Beziehung zu sein. Aber, höre ich dich sagen, ich kann ja nicht leugnen, dass wir Eltern unsere Kinder in einer – wie auch immer gearteten – Zukunft geformt haben werden.
Wenn du das denkst, sitzt du dem Irrtum auf, dass Erziehung funktioniert.
Du hast richtig gelesen. In vielfachen Studien ist bewiesen worden, dass Erziehung so derartig unterschiedliche Ergebnisse hervorbringt, dass es beinahe lächerlich ist, noch zu glauben, dass sie überhaupt ansatzweise so wirkt wie gedacht. (mehr dazu in dem Grundlagenwerk Zeit für Kinder. Theorie und Praxis von Kinderfeindlichkeit, Kinderfreundlichkeit, Kinderschutz.
, in dem es eine hervorragende Zusammenfassung der Studien zur Wirksamkeit von Erziehung gibt).
In meinem Umfeld wurden zum Beispiel die meisten Menschen zu Ordnung erzogen – und ich kann nur sagen, die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich. Manch einem hüpft das Herz bei blankgewienerten Böden und bei anderen ist es sauber, wenn die Krümel unter dem Esstisch noch keine Beine haben.
Geschwister sind das beste Beispiel für die Wirkungslosigkeit von Erziehung. Das gleich Elternhaus, meist die gleichen Erziehungsziele – und nicht selten vollkommen unterschiedliche Ergebnisse.
Erziehung funktioniert nicht. Es tut mir leid. Ich habs lange selbst geglaubt. Aber mit all der Dressur erreichst du nur, dass du dich von deinen Kindern, wie sie sind (und nicht wie du sie haben willst) entfernst.
Einfluss und Werte
Was allerdings hängen bleibt (und häufig verwechselt wird), sind Werte. Was nicht heißt, dass sie übernommen werden, übrigens. Aber das, was du lebst, das bleibt bei deinen Kindern im System.
Deswegen schreibe ich hier. Dafür, dass mehr Eltern respektvoll handeln, statt ‚Respekt‚ zu predigen und dabei respektlos zu handeln. Dafür, dass mehr Eltern leben, was sie fühlen und weniger manipulieren, drohen und ‚Konsequenzen‚ einsetzen und dabei ihre Werte aus den Augen verlieren.
Der Schlüssel ist, die Illusion von Formbarkeit aufzugeben und endlich in eine lebendige Beziehung einzutreten, in der du deine Macht nur zum Schutz und zur Hilfestellung und nicht zur Durchsetzung von Erziehungszielen nutzt.
Immer, wenn du etwas willst von deinen Mitmenschen kannst du erstens die Illusion von Zeit auflösen und zweitens deine Werte anstatt deines Willens leben.
Das ist einfacher als du denkst. Und doch ist es schwer. Es kostet dich nur 30 Sekunden. Und einige Illusionen und Machtansprüche.
In 30 Sekunden in Frieden handeln und leben
Ich habe sehr gute Erfahrungen mit einer abgewandelten Übung aus dem oben genannten Buch gemacht:
Die Aufmerksamkeit auf den Moment richten.
- Bringe Raum zwischen dich und den ersten Impuls. Atme. Richte deinen Blick auf dich, auf die Situation, auf das Jetzt. Lasse dir mindestens 30 Sekunden Zeit, ganz im Moment anzukommen.
- Der zweite Schritt ist dann, deine Werte anstatt deines Willens als Richtschnur zu nehmen.
Werte sind abstrakt. Sie sind das, was du leben willst und das, was dir wichtig ist. Im Gegensatz zu deinem Willen entspringen sie nicht deinen Verhaltensmustern, sondern deinem moralischen Kompass, der dich durch das Leben geleitet.
Wenn der Wert, den du leben willst, Ordnung ist, brauchst du nicht mehr durchsetzen, dass diese Ordnung auf eine bestimmte Weise erreicht wird. Du kannst kreativ werden. Du darfst aufhören zu glauben, die Manipulation deines Kindes würde ernsthaft bewirken, dass es später ordentlich wird – außer Schmerz und dem Gefühl, nicht angenommen zu sein, bewirkt Gehorsam gar nichts.
Das befreit. Garantiert. Probier es aus!
danke <3
Sehr gut geschrieben!
Wenn mein Kind (2 Jahre) mir (auf dem Wickeltisch liegend) mit beiden Beinen in den Bauch tritt – obwohl ich noch vor dem Wickeln gesagt hatte, dass ich nicht getreten werden möchte… dann weiß ich zwar, dass mein Kind das nicht aus böser Absicht tut und auch dass meine Werte keine Gewalt mögen, aber dennoch weiß ich nicht, wie ich darauf am besten reagieren sollte…
Gebe ich dem Kind einen Klaps und führe ihm ebenfalls Schmerzen zu, dann bin ich kein Vorbild, sondern handle genauso, wie es meine Werte verbieten. Also was kann man tun, um nicht jedes Mal wieder getreten zu werden? Reden bringt nichts, Gewalt möchte ich nicht, zaubern kann ich nicht und akzeptieren will ich es nicht!
Hallo!
Ja, das sind dann tatsächlich die spannenden Dinge im Alltag – wie schütze ich mich? Wie finde ich eine Lösung, ohne Gewalt anzuwenden?
Meine erste Frage ist: Warum tritt das Kind? Mag es die Position nicht? Oder das wickeln an sich nicht? Worum geht es ihm? Hast du mal nachgefragt?
Lösungen hast du ja schon genannt und auch, warum du sie nicht gut findest. Andere mögliche Lösungen wären: An einem anderen Ort wickeln, im stehen wickeln (in der Dusche evtl?), das Kind effektiv ablenken, das Treten umlenken (Kuscheltier oder eine Person, die es aushalten kann?).
Ich denke, dass es deinem Kind um Autonomie und Selbstbestimmung geht. Da würde ich nochmal genau hinschauen, wie du ihm da helfen kannst.
Dass du nicht getreten werden möchtest, verstehe ich. Mit zwei Jahren fehlt es einem Kind allerdings oft noch an anderen Möglichkeiten, seinen Unmut auszudrücken und seine Autonomie zu verteidigen. Vielleicht kannst du dich auch einfach damit arrangieren, wenn du von dem Gedanken wegkommst, dass es das nicht tun sollte – DER verursacht nämlich den Stress bei dir.
Ich wünsch dir ganz viel Gelassenheit für diese Phase – sie geht vorbei!
Alles Liebe, Ruth
Ja er möchte wahrscheinlich nicht so gerne gewickelt werden. Aber Nachts geht es nicht ohne. Die ganz schlimme Autonomie-Phase haben wir durch. Zwei oder drei Monate der blanke Terror, wann immer es ging… wobei ich definitiv noch anstrengendere Kinder kennen. Aber es bleiben eben immer ein par Themen, die ich schwierig finde und wo ich dann oft Impuls gesteuert reagiere. 30 Sekunden durchatmen kann da wirklich helfen :).
Aus eigener Erfahrung: auch mit dem Klaps nin ich bei meinem Kind nicht weitergekommen.Ich habe mir die Zeit genommen mit den Beinen zu spielen…sie abzuknutschen.Kurz um: die Konzentration auf das Treten wegzulenken.Ich habe die tretenden Beinchen schnell gepackt und in den Strampler gepackt.Ich vermute, Euch beiden passt nicht die Uhrzeit. Und das kommt zum Ausdruck und schnell rutscht dann auch die Hand aus.Der Wickeltisch ist dem Kinde vielleicht auch unangenehm.Zum eigenen Schutz würde ich auf dem Sofa Windeln wechseln…da Du besser den Tritten ausweichen kannst.Jedes Kind fängt an zu treten.Im KiGa hat mein Kind nie beim Wickeln einen Aufstand gemacht.Zuhause bin ich dabei durchgedreht….es ist auch die Grenzen austesten. Aber mit dem Klaps kommt man nicht weiter…außer dass das Kind weint und bitterlich entsetzt ist.
Einfach toll und wertvoll, wie du Hilfestellung gibst 🙂
„Erziehung rennt der Illusion hinterher, wir könnten wissen, was morgen wichtig ist.“ Mit der Aussage komme ich nicht klar. Natürlich, Kinder leben in der Gegenwart und „morgen“ ist nicht greifbar. Für uns Erwachsene allerdings schon und unsere Aufgabe ist es doch, Kinder darauf vorzubereiten, an „morgen“ zu denken. Sie auf „morgen“ so gut wie möglich vorzubereiten, damit sie nicht scheitern werden. Ohne (liebevolle und klare) Erziehung geht es m. M. nach nicht. Ganz praktisch, fängt das zB beim Zähneputzen an (warum sollten Kinder das von sich aus tun, wenn sie im Moment leben? Welches Kind macht das ohne Beeinflussung von außen gerne und regelmäßig?), geht weiter über Ernährung (Meine Große würde sich ausschließlich von Schokolade und Gummibärchen ernähren oder auch mal lange gar nichts essen) bis hin zur Freizeitgestaltung (3 Stunden plus vor dem Fernseher verbringen ist doch für viele Kinder das Größte). Das klingt mir alles sehr nach einem Konzept, bei dem die Kleinen die Chefs sind. Wäre bei uns zu Hause nicht durchführbar. Warum ist Erziehung nicht auch kooperativ und auf Augenhöhe möglich? Warum wird der Begriff so verteufelt?
Liebe Simone,
deine Antwort ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie wenig Vertrauen erziehende Menschen in ihre Kinder haben. Die nicht erzogenen Kinder, die ich kenne, sind keine Chefs, sondern gleichberechtigt im Miteinander ihrer Familien (und Freund_innen). Zähne putzen ist ein ebenso häufiges Thema wie Ernährung und TV. Und all deine Befürchtungen, die das tiefe Misstrauen gegenüber der Kooperationsfähigkeit von Kindern, wie wir sie in dieser Gesellschaft täglich erleben, schillernd illustrieren, treffen einfach nicht zu. Niemand ist Chef, weil es nciht mehr um Machtmissbrauch geht.
Die Vorbereitung auf morgen ist meiner tiefen Überzeugung nur insofern unsere Aufgabe, als wir unseren Kindern heute maximales Vertrauen und unsere ausgedrückte (!) bedingungslose Liebe schenken sollten, um sie für die Aufgaben, die auf sie warten, zu stärken. Was diese Aufgaben sind, wissen wir nicht.
Warum Erziehung nicht auf Augenhöhe möglich ist, fragst du. Dazu empfehle ich das Grundlagenwerk der Antipädagogik ‚Zeit für Kinder‘ von Ekkehard von Braunmühl. Erziehung KANN nicht auf Augenhöhe stattfinden, weil sie immer ein exremes Machtgefälle nutzt. Der eine erzieht den anderen. Leben auf Augenhöhe, also gleichberechtigt, bedeutet, die Idee der KOntrolle über andere aufzugeben.
Warum Erziehung weder sinnvoll noch gesundheitsförderlich ist, habe ich in meinem Blog schon angefangen darzulegen (more to come!). Auf dem Blog diephysikvonbeziehungen.de und auf elternmorphose.de, auf freiefamilie.de und meingeliebteskind.de kannst du mehr dazu erfahren. Viel Freude beim Einlesen!
Grüße, Ruth
Hallo Ruth,
Ich bin durch Zufall auf deinen Blogg gestoßen und etwas verwirrt. Ich bin Kinderpflegerin, Erzieherin und Heilpädagogin mit dem Schwerpunkt, Kinder mit Verhaltensstörungen. Zudem Mutter von einem 17 mon. Altem Sohn und einer in der 31. Woche lebenden Bauchbewohner in.
Kinder nicht Erziehen….mhhh das stellt natürlich vieles auf den Kopf, nachdem ich Arbeite und lebe und vor allem dessen Auswirkungen ich in meiner Arbeit oft Ausbügeln soll, da der 10 Jährige einfach nicht Gesellschaftsfähig ist.
Bei meinem Sohn lebe ich zur Zeit nach dem Motto, Erziehung bringt nichts der macht mir eh alles nach. Also entfernen ich die Knöpfe vom Herd, dass er ihn nicht unkontrolliert an macht, da er das Ausmaß seines Handelns ja noch nicht überblickt. Ich auch nicht ständig schimpfen will.
Ich erkläre es ihm, und sehe das aber schon auch als Erziehung meinem Kind zu erklären, warum ich so Handle, seine Umwelt angemessen gestalten usw.
Ich persönlich finde es gefährlich zu sagen „ohne Erziehung “ besonders bei den Familien mit denen ich zu tun habe.
In denen schon die Basiskommunikation fehlt. Die Kinder völlig sich selbst überlassen sind ohne ein adäquates Vorbild. Wenn diese Eltern jetzt hören ihr braucht nicht Erziehen. Finde ich das fatal.
Mir kommt das hier grad sehr Wirr vor. Ich kann auch keine ordentliche Frage formulieren. Ich fände es spannend mit dir mal bei nem Kaffe zu diskutieren :).
Ich werde mich jetzt mal weiter durch deinen Blog lesen und bin gespannt wie mich das Thema weiter beeinflusst.
Zumal wir in der Heilpädagogik ausschließlich von Beziehungsarbeit leben, aber dennoch sehe ich mich da gezwungen zu Erziehen und zu Formen…
Ich freu mich auf einen Austausch
LG Simone W
Liebe Simone,
das katapultiert mich direkt in die Zeit zurück, als ich unerzogen entdeckte. Oh, wie ich das kenne – ich war zwischen verwirrt, fasziniert und entsetzt 😉 . Lass dir Zeit. Es ist eine so neue Art zu denken (und eine so befreiende!), dass es ein bisschen braucht.
Auf Erziehung zu verzichten bedeutet nicht, die Verantwortung abzugeben, im Gegenteil. Es bedeutet, aufzuhören, jemanden formen zu wollen und anzufangen, bedingungslose Liebe zu leben. Egal, ob dieser Mensch nun heilpädagogischen Förderungsbedarf hat oder nicht. Es geht um die Einstellung, dass Menschenrechte für alle Menschen gelten. Und dass Erziehung, also die gewollte Formung eines anderen, Gewalt ist.
Das ist natürlich krasser Tobak, wenn man aus der Pädagogik kommt. Umso mehr freut mich deine Neugierde. Ich wünsche viel Freude beim stöbern. Und schau doch auch mal in die Facebook-Gruppe ‚unerzogen‘ (da gibt es ein Aufnahmeverfahren, nicht wundern) und auf die Blogs elternmorphose.de und diephysikvonbeziehungen.de. Bücher und co gibts auch viel zum Thema und das Magazin ‚unerzogen‘ vom Tologo-Verlag.
Nur, um ein paar Inspirationen zu nennen.
Alles Liebe und viel Freude beim Entdecken!
Ruth
Hallo,
Ich bin nach wie vor kritisch. Ich erlebe häufig Kinder welche auf Grund von erlernter Hilflosigkeit eher depressive Tendenzen zeigen. Kindern denen alles abgenommen wird. Die brauchen den Tisch nicht abräumen, heißt es im Elterngespräch, sonst verpasst er seine Serie. Und die Mutter macht alles allein und klagt über Burn Out.
Der 24 Jährige, welcher nie gelernt hat mal etwas durch zu halten und immer noch das Brot geschmiert bekommt. Keine Ausbildung hat, weil Mama und Papa ihm nach wie vor den Unterhalt finanzieren und die Wäsche waschen.
Kinder die behaupten nichts wert zu sein weil nichts von Ihnen Verlangt wird und völlig fertige Mamas die sich aufopfern. Mhhhh, ich denke schon, dass man von seinem Kind durchaus auch mal etwas verlangen sollte, was gerade nicht so angenehm ist.
Vielleicht verstehe ich dieses Konzept hier auch einfach falsch 😉
Liebe Simone,
Das hast du allerdings missverstanden. Viele Menschen, die das erste Mal von ‚unerzogen‘ lesen, denken es ginge darum, keine Verantwortung mehr zu übernehmen. Das Gegenteil ist der Fall!
Ich denke auch, dass ich von meinen Kindern, weil sie sehr kompetent sind, viel verlangen kann. Nur denke ich auch, dass ich kein Recht habe, das durchzusetzen.
Bei unerzogen geht es nicht darum, sich aufzuopfern. Das ist wichtig. Es geht darum, sich selbst UND andere nicht mehr zu erziehen. Es ist eine Haltung der Gewaltfreiheit.
Grüße, Ruth
Liebe Ruth,
Vielen Dank. Es arbeitet sehr im mir und ich habe mich heute sehr stark beobachtet. Ich denke mir fehlen noch viele Beispiele wie diese Haltung gelebt wird. Schon der Sprung von der Erzieherin zur Heilpädagogin war so enorm. Eben dieses in Beziehung gehen und Schritt für Schritt mit dem Kind überlegen. Du hast Hunger, was kannst du tun. Z.B. Und nicht sagen nö es ist nicht 12 du bekommst nix. Ich habe ja noch 3 spannende Jahre Elternzeit vor mir und werde die Zeit gerne nutzen um diese Sichtweise hier etwas besser kennen zu lernen. Und ich werde mich immer wieder kritisch an Dich wenden. 🙂
LG Simone
Ich bin begeistert von der deutlichen Sprache, die ich hier auf dieser Site lese. Ich habe auch noch nie akzeptiert, was wir als Er“zieh“ung machen.
Fast alle machen ja so gut wie immer DRUCK, wenn sie er“ziehen“. Es ist also gar nicht ErZIEHung, es ist ErDRÜCKung.
Natürlich kann es auch nicht die Lösung sein, nach den immer mehr scheiternden Versuchen, Kinder irgendwohin zu schieben, zu drängen, zu drücken oder sonstwie zu nötigen, sie nun dahin zu zerren und zu ziehen.
Ich bleibe dennoch bei dem Wort Erziehung, weil ich damit etwas sehr Wichtiges und Hilfreiches ins Bewusstsein heben kann:
Alle Menschen, alle Dinge und alles auf dieser Welt hat SOG-Wirkung und durch SOG-Wirkung wird alles gelenkt.
DRUCK macht matt (Burnout) und platt (Depression).
Wenn wir einen Stein auf den Rasen legen, geht das Gras darunter ein; wenn wir den Stein auf die Seele legen, ist die Wirkung nicht minder vernichtend.
Mit DRUCK kann man Kräfte nicht lenken; drum spannt der Bauer die Pferde nicht hinter sondern VOR den Wagen.
SOG richtet auf, macht wachsen, lenkt die Kräfte mühelos punktgenau.
Alle und alles haben SOG-Wirkung und wir sind verantwortlich, uns darum zu kümmern.
Wenn ich jemand meine Achtung dafür gebe, dass er sich gut entwickelt und seine Ziele erreichen wird, fördere und lenke ich bis zu einem gewissen Grad seine Entwicklung. Wenn ich mich nicht darum kümmere, dann wirkt alles außer mir sog-gestiv. Ich zeige das auch Kindern, damit sie nicht von mir oder anderen abhängig werden sondern sich selbst frei ihr Leben gestalten lernen.
Ich tue seit 40 Jahren etwas, was die Pädagogik völlig ausgeklammert hat: Ich erforsche SUGGESTIV-Wirkungen.
Wenn ein Kind nicht an seine Rechtschreibtalente glaubt, dann setze ich dagegen. Ich behandle in solchem Falle die Talente immer besser als das Kind. Dann geht es mir mit den Talenten des Kindes auch besser als ihm. Ich habe mehr Freude damit, und das erzeugt SOG-Wirkung. Ich kann dem Kind dann ja sagen: „Du kannst ja genauso viel Freude mit deinen Talenten haben wie ich und sogar noch mehr. Du brauchst mich ja nur im Gut-Behandeln überbieten.“
Das ist für mich in der Ich-kann-Schule ErZIEHung.
Dabei hat das Kind alle Freiheit.
Ich mache nur ggf. ein at-traktiv(er)es = an-ziehend(er)es Angebot für seine Talente, zu wachsen und sich zu verwirklichen.
Franz Josef Neffe
Das mit der Zukunft ist so eine Sache: Religionen versprechen, dass man ein gutes Leben nach dem Tod haben wird, wenn man sich in der Gegenwart einschränkt. Schule verspricht, dass man ein gutes Arbeitsleben führen wird, wenn man sich in der Schule unterordnet. Der Chef verspricht, dass man eine angenehme Rentenzeit verleben wird, wenn man sich während der Arbeit rücksichtslos verausgabt. Alle können ihre Versprechen nicht halten.
Liebe Ruth!
Ich mag die Idee von unerzogenem miteinander Sein sehr und kann sie bei meinem Jüngsten wunderbar umsetzen. Bei meiner Tochter bin ich beim Thema Schule allerdings superängstlich. Sie musste die zweite Klasse bereits widerholen. Wir versuchen enstspannt zu bleiben und ihr keinen Druck zu machen. Allerdings geht es nicht ohne zu Hause regelmäßig üben zu müssen. Sie ist an einer freien Schule ohne Benotung und Druck der Lehrer, jedoch müssen doch Lehrpläne erfüllt werden und Ziele erreicht werden.
Da die Lehrer es jedoch nicht schaffen auf alle Kinder einzugehen, müssen wir zu Hause Liegengebliebenes und nicht erreichte Lernziele aufarbeiten. Das ist mit viel Streit verbunden. Mir ist es unglaublich wichtig, dass sie ihre Schule schafft. Wie kann ich meine Tochter datu bringen ihr extra Schulaufgaben zu machen ohne sie erpressen, zu ermahnen oder drohen zu müssen. Ich will das nicht! Wenn ich ihr sage wie wichtig mir das ist und dass ich mir Sorgen mache wenn sie die Schule nicht schafft, kommt das leider kaum bei ihr an.
Lg, Manu
Liebe Manu,
gar nicht. Entweder du willst dass sie das tut – wofür du sicher gute Gründe hast – oder du willst dass sie es selbst entscheidet und gibst ihr dafür das Vertrauen. Ich fürchte ‚ohne ZWang‘ und ‚muss es tun‘ gibt es einfach nicht. Das braucht Mut und Ehrlichkeit, da hinzusehen.