Meine Tochter kann jetzt stehen.
Geil, oder? So ein kleines Menschenkind stemmt sich plötzlich auf seine unglaublich kurzen, unglaublich speckigen Beinchen und dann steht es da rum. Noch nicht mal ein Jahr nach dem ersten Atemzug.
Wahnsinn. Was für eine Leistung so ein kleines Gehirn bringen kann. Koordination. Bewegungen. Muskelaufbau.
Und das alles ohne Anleitung.
Krass.
Das ist bei allem Lernen so. Und das ist mir so wichtig zu veranschaulichen, dass ich euch heute extra darüber einen Artikel schreibe.
Denn eine treibende Kraft der Erziehung ist die Angst, ein Kind würde ohne sie (etwas bestimmtes) nicht lernen.
Ich kann gar nicht daran denken, wie viel Leid diese Idee schon in Familien und Orte, wo Kinder begleitet werden, gebracht hat.
Die ‚was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr‘-Idee ist nicht neu. Neu ist, dass alle Forschung, alle Erkenntnisse der letzten 40 Jahre das Gegenteil zeigen.
Zusammengefasst kann man heute sagen: Wir können immer lernen – wenn die Voraussetzungen gegeben sind.
Was wir nicht mehr nachholen können, oder nur sehr mühselig, ist die Entwicklung eines gesunden Selbstwertes, Urvertrauen und Bindung. Und genau diese drei Dinge werden durch Erziehung im Namen des ‚Lernens‘ angegriffen.
Hören wir also dringend auf damit!
Lernen, was ist das eigentlich?
Der komplexe Vorgang Lernen beschreibt das Verinnerlichen einer Erfahrung. Wohlgemerkt, und hier dürfen sich alle Anhänger_innen der klassischen Erziehung und Bildung auf einen Schock gefasst machen: Das hat absolut nichts mit Auswendiglernen zu tun.
Auswendiglernen ist nicht nachhaltiges Lernen. Auswendiglernen ist Auswendiglernen. Reinstopfen, auskotzen. Fertig.
Dazu gibt es viele kluge Beobachtungen. Die Kritik ist sogar inzwischen in den Lehrplänen der Regelschulen, den Fabriken des Auswendiglernens, angekommen (hier zum Beispiel geht es darum).
Echtes Lernen, nachhaltiges Lernen, tief verankertes Lernen, das Wissen über die Welt – dieses Lernen hat Voraussetzungen. Und zwar diese:
1. Erfahrungen machen
Es ist ganz simpel: Wenn mir ewig jemand erzählt, etwas sei ‚heiß‘, ’nass‘ oder ‚hoch‘ kann ich nicht wissen, was das ist, bis ich die Erfahrungen gemacht habe, die mit diesem Wort verknüpft sind. Und unser Gehirn kann sie nur so speichern.
Das gilt für simple wie für komplexe Dinge. Begriffe und die dazugehörige Lernerfahrung werden ständig neu verknüpft. Und immer wieder erweitert und differenziert.
Das geht nicht, wenn die dazugehörige Erfahrung fehlt. Logisch, oder?
2. Schutz vor Wertung
Seit Jahren zeigen Studien, dass Kritik am Lernen hindert. Lob übrigens auch.
Da wir hier in meinem Blog nicht erziehen und damit den Bewertungskram eh nicht (mehr) machen (wollen), merken wir uns einfach, dass das ein weiterer der vielen Punkte ist, die Erziehen so sinnlos machen: Bei Bewertung wird das Gehirn am Lernen gehindert.
3. Beziehung
Nichts ist so wichtig wie die Beziehungen zu anderen Menschen für ein menschliches Wesen. Beziehung ist eines unserer Grundnahrungsmittel für die Seele.
Wir sind auf Beziehungen gepolt und soziale Wesen. Und unser Gehirn verknüpft Lern- mit Beziehungserfahrungen.
Das hast du bestimmt selber erlebt – die doofen Lehrer_innen hatten die doofen Fächer. Oder?
4. Freude und Positivität
Eine positive Lebenseinstellung ist nicht nur Grundlage für ein erfülltes Leben, sondern auch für Lernen. Ein positives Umfeld verbessert die Lernerfahrung um ein vielfaches (wie in diesem Beispiel).
Fehlerfreudigkeit und positive Unterstellungen sind Motivationsverstärkerinnen. Die Lernerfahrungen können besser und tiefer gemacht werden.
5. Zeit und Ruhe
Schonmal in Hektik für ne Prüfung gelernt? Und, wie viel wusstest du davon noch nach zwei Monaten?
Je hektischer wir lernen, desto schlimmer. Je mehr Zeit wir für die eigene Lernerfahrung uns nehmen, desto tiefer darf sie sinken.
Deswegen ist für den eigenen unerzogenen Weg so wichtig, dass du dir Zeit lässt. Und das gilt für alle Erfahrungen.
6. Freiwilligkeit
Das ist der springende Punkt. Deswegen schreibe ich diesen Artikel. Um ein schreckliches Missverständnis aufzuklären: Wir lernen nur, wenn es freiwillig ist.
Alles andere ist Auswendiglernen. Lernen ist gesteuert von Neugierde und die hält sich nicht an Entwicklungspläne.
Es tut mir leid. Das ist nun ein herber Schock für alle die, die gerne wollen, dass andere etwas genau dann lernen, wenn sie es nun mal wollen. Weil isso.
Wir haben diese Macht nicht. Und das ist auch gut so.
Lernen vs Ausführen
Wenn wir uns das Umfeld von Kindern anschauen, merken wir recht schnell, dass die Idee von Lernen eine ganz andere ist.
Gemeint ist ausführen. Ausführen ist etwas anderes als Lernen. Es ist mechanistisch. Es braucht kein Verstehen.
Und auch unser Umgang mit unseren Kindern, die ganze Idee von Erziehung, hat mit echtem Lernen nichts zu tun.
Es geht darum, dass Kinder ausführen. Dass sie brav die Hand geben – ob sie verinnerlicht haben, wie man einer Person respektvoll begegnet, ist dabei egal. Dass sie eben auch mal warten müssen – ob sie verinnerlicht haben, dass verschiedene Dinge verschieden viel Zeit brauchen und wie man damit umgeht, ist dabei egal.
Unsere Idee von Kindern ist mit dieser furchtbaren Idee von Lernen verknüpft und aus dieser Mischung entspringt ein Umgang, der (subtile) Formen von Zwang und Abwertung als absolut notwendig ansehen muss: Erziehung.
Und das ist schädlich.
Wenn dein Kind machen soll, was du sagst, erwartest du Gehorsam. Egal, wie nett du das meinst und wie oft du ‚bitte‘ sagst (dazu habe ich hier was gesagt). Und Gehorsam ist gefährlich. Gehorsam, so argumentiert Arno Grün in dem Buch, das ich nie müde werde zu empfehlen: Wider den Gehorsam
, ist die systematische Unterdrückung unseres eigenen, originären Selbst.
‚Das muss es aber auch mal lernen‘ ist also schlicht gelogen. Niemand kann überhaupt lernen, wenn er_sie unter Druck steht.
Ausführen, auswendig lernen und gehorchen – DAS geht nur mit Druck.
Aber das ist es bestimmt nicht, was du willst, oder?
Dann lass den Gedanken los. Er führt zu Leid. Ich verspreche, dein Kind wird alles lernen können, just in dem Moment, in dem es das braucht.
Ich zum Beispiel bin eine Technikniete. Echt mal. Ich kriege gerade mal ne Mail geschrieben. Peinlich ist das.
Aber da hatte ich diese Idee zu einem Blog. Ne geile Idee. Und ja, da braucht es nunmal Technik für. So n bisschen zumindest.
Und ich fand mich rein. Denn es ging um etwas. Ich lernte ganz mühelos, was mich sonst zu Tode gelangweilt hätte. Weil ich es wollte und brauchte. Weil ich von meiner Idee beseelt war und sie umsetzen wollte.
Der Zeitpunkt war gekommen. Und mein Gehirn speicherte fröhlich alles, was ich da in mich hineinsog. Ohne Zwang. Ohne scheiß Gefühl, wenn ein Fehler dabei war. Ohne dass ich auch nur bewusst etwas üben musste.
Hab Vertrauen. Das ist es, was ich sagen will. Hab Vertrauen und glaube nicht der kleinen Stimme in dir, die mit dem Hänschen und dem Hans. Nein. Hans lernt. Hänschen lernt. Wir lernen immer.
Die Frage ist: Machen wir es uns schwer, in dem wir Druck auf uns und unsere Kinder abladen und Gehorsam fordern, in der irrigen Annahme, er führe zu Lernerfolgen? Oder leben wir einfach, in Freude und Vertrauen, und sehen all das Lernen vor unseren Augen und schätzen es?
Ich empfehle ja zweiteres. Wirklich.
ich finde deinen artikel toll! ich hab nur so schwierigkeiten das im alltag umzusetzen. zb wenn mein sohn nicht schlafen will und andauernd aufstehen will. was soll ich machen? er will dann tausend unterschiedliche bücher ansehen, kann null fokussieren. ich muss ihm grenzen geben, damit er zur ruhe kommt und das hängt auch manchmal mit weinen zusammen. er weiss nicht immer was gut für ihn is. kidnern all die verantwortung zu übergeben, halte ich für falsch und ich kenne erwachsene, bei denen das nicht gut war.
kannst du mir erzählen wie das thema schlafen gehen ablaufen sollte wenn das kind stunden lang (ungelogen!!) und EGAL WIE SPÄT UND MÜDE ES IST aufstehen will und irgendwas anderes tun mag? ich habe keine vorstellung davon 🙁
Liebe Anne,
aus der Ferne kann ich dazu natürlich Allgemeines sagen – aber wenn dein Kind nicht schläft, schläft es nicht. Es dazu zu zwingen ins Bett zu gehen, ist elterlicher Machtgebrauch. Es klingt bei euch ein bisschen so, als wäret ihr schon mitten im Machtkampf. Dein Kind lernt nicht, auf seinen Körper zu hören und du machst dir Sorgen und nutzt deine elterliche Macht. Verständlich!
Meine erfahrung ist es, dass Menschen von Anfang an wissen, was gut für sie ist. Und je weniger wir ihre Integrität untergraben (durch Erziehung und Fremdregulation zum beispiel) desto besser wissen sie es.
Bei unerzogen geht es NIE darum, dass das Kind die Verantwortung bekommt. Es bewahrt seine Integrität über seinen Körper. Die Entscheidung, ihre Kinder nicht einfach ins Bett zu zwingen, weil sie meinen, dass das gut wäre (was ja stimmen kann), wird eben aus der verantwortung heraus getroffen bei vielen Eltern! Nämlich der Verantwortung der Beziehung und dem kindlichen seelischen Wohl gegenüber.
Wie diese Entscheidung bei dir aussieht und was für euch passt, kann ich konkret nicht sagen. Wenn du da Bedarf zur Begleitung hast, biete ich dir meine Beratung an 😉 . Dann schauen wir auf eure Situation.
Grüße, Ruth
Das die Kinder ihr Körpergefühl erlernen müssen, ist mir auch wichtig. Z.B. zwinge ich meine Tochter nicht zum Essen. Auch konnte sie mit 2 schon entscheiden, ob sie Mittagsschlaf braucht oder nicht. Wenn ich abends noch munter war, durfte sie sich zu mir setzen, aber gespielt habe ich nicht mit ihr. Denn das war meine Zeit. Heute sieht das anders aus. Ich bin alleinerziehend und habe noch ein Kind. Ich bin ab 21 totmüde und da muss sie mit ins Bett. Sie ist 4,5 und braucht noch Aufsicht. Manchmal geht es halt nicht anders. Vor allem, wenn sie sich früh mächtig quält beim Aufstehen, weil sie abends nicht ins Bett wollte. Sie kann aber keinen Zusammenhang herstellen. Das Umfeld ihrem persönlichen Biorhythmus umzustellen ist auch nicht möglich.
Liebe Claudia,
beziehungsorientiert leben heißt meiner Überzeugung nach nicht, irgend einer Methode zu folgen oder etwas stur durchzuziehen – denn das verhindert eben die Beziehung. Ich kann gut verstehen, dass in eurem Fall, wenn du so erschöpft bist, du nicht bereit bist, euer Kind bis spät in die Nacht zu begleiten. Das ist keine Erziehung (du tust es ja nicht, damit dein Kind irgendwas lernt oder wird) sondern Selbstfürsorge.
Alles Gute dir!
Ruth
Als Vater einer ausgesprochen lebhaften Tochter kann ich dir nur zustimmen. Kinder lernen am besten aus Erfahrungen, durch Beziehungen und ohne Bewertung. Aber ohne eine gute und sinnvolle Struktur wird es auch schwierig. Ich habe kürzlich einen Artikel über die „verrückte Normalität“ geschrieben und da passt dies recht gut dazu.
Ich stimme Dir zu, Kinder sollten nicht die ganze Verantwortung bekommen. Wenn meine Tochter nicht schlafen gehen wollte, habe ich einfach die ganze Wohnung abgedunkelt und eine kleine Lampe am Bett angemacht. Und da habe ich auf sie gewartet. Hat funktioniert.
Ich habe deinen Blog gerade bei facebook entdeckt und ich finde ihn nach kurzem Rumstöbern schon toll! Danke, dass du deine Gedanken, Überlegungen und (neuen) Ansätze hier teilst. Leider leben wir ja in einer Gesellschaft, in der alles nach Plan laufen muss bzw. man soll so leben, wie es halt vorgelebt wird…fand ich schon immer fragwürdig und jetzt mit erstem Kind hinterfrage ich noch mehr. Da ist so ein Blog wie deiner sehr hilfreich und ich freue mich, bald mehr zu lesen 🙂 Liebe Grüße aus Köln
Liebe Carina,
danke für die Blumen! Ich freue mich sehr!
Grüße, Ruth
Hallo Ruth,
Ich kenne deinen Blog auch erst seit kurzem und bin begeistert!
Wenn ich es richtig in Erinnerung hab, gehen deine Kinder in den Kindergarten. Wie machst du das, ohne zu „ziehen“? Mein 3jähriger will fast jeden Morgen nicht hin und der 6jährige kam erst jetzt mit 6 in den kiga, weil er vorher nicht wollte..
Huhu!
Nein, meine Kinder gehen nicht mehr in den Kindergarten. ALs sie noch außer Haus betreut wurden, gingen wir hin, wenn sie und ich so weit waren 🙂 .
Grüße, Ruth
Ja ich bin 2 fache Oma und meine Meinung ist es das heute den Kindern schon sehr früh die Kindheit genommen wird und man setzt sie unter Druck das sie alles gelich mal können müssen und die ewigen Vergleiche mit anderen Kindern denn das hat mich schon bei meinen eigenen Kindern genervt ich habe persönlich nie verglichen denn jedes Kind entwickelt sich anders und jedes hat seine Stärken und Schwächen sowie es auch die Erwachsenen haben und ich bin da auch sehr stolz auf meine Tochter denn lässt ihre beiden Jungs Kinder sein und ich hoffe einige Eltern ändern ein wenig ihren Erziehungsstil und üben auf Ihre Kinder nicht so einen enormen Druck aus ! Liebe Grüße aus Klagenfurt
Liebe Christine,
ich persönlich hoffe ja, dass immer mehr Eltern einfach ganz das erziehen lassen 😉 … Danke für deinen Kommentar. Ich freue mich sehr zu lesen, dass in eurer Familie die Beziehung über der Leistung zu stehen scheint.
Alles Liebe, Ruth
Genau der richtige Artikel zum richtigen Zeitpunkt. Ich werde aktuell nämlich fast wahnsinnig mit meinem Dreieinhalbjährigen, der ständig seinen kleinen Bruder (1 Jahr) haut. Ich weiss, dass er das nicht aus Spaß tut, sondern weil er sich gestört fühlt und ich versuche immer wieder ihm seine Ruhe und seinen Freiraum zu lassen, doch das bedeutet, dass ich im Prinzip 80% der Zeit mit seinem Bruder in einem anderen Raum sein müsste, aber der Große will natürlich auch etwas von seiner Mama haben 🙁 Ich erkläre ihm auch, dass das weh tut und ich es nicht gut finde, dass er seinen Bruder haut, manchmal werde ich aus reiner Verzweiflung auch laut, aber das bringt natürlich erst recht nichts. Ich will ihm nichts verbieten, drohen oder sonstige „altbewährten“ Erziehungswerkzeuge benutzen, die mir so gerne empfohlen werden, aber eine Lösung sehe ich gerade nicht. Es tut mir einfach nur so schrecklich leid beide Kinder leiden zu sehen und ihnen nicht helfen zu können. Hast du einen Tipp?
Ich würde auch gerne einiges umsetzen, aber wie soll ich meiner 2 jährigen Tochter klar machen das sie nun gewickelt werden muss!? Da sie sonst wund wird etc… Oder sie nach dem baden nach einer Stunde den Bademantel nun wirklich ausziehen muss da es wirklich kalt ist … Sie schreit wie am Spieß! Ich weiß nicht wie ich ihr das verständlich machen kann das manche Dinge eben sein müssen. Da muss ich gegen ihren Willen handeln 🙁
Und wieso nicht loben wenn jmd was gut gemacht hat? Lob ist toll! Oder nur im Bezug aufs lernen?
Danke für den Blog und die Artikel 🙂
Liebe Bianca,
muss das denn wirklich sein? Also, muss IRGEND etwas WIRKLICH sein? Ich behaupte, nein. Dein Kind kann im Bademantel bleiben. Vermutlich (!) wird ihm dann kalt, ja. Aber müssen tut es nichts.
Wenn du dich entscheidest, deine Macht anzuwenden und durchzusetzen, finde ich es ja gemein, Verständnis zu erwarten. Wenn du entscheidest, dass das Kind gewickelt werden wird von dir und dazu auch bereit bist, persönliche Grenzen zu überschreiten, ist komplett in Ordnung. Nur dann zu bitten und zu überreden, wo eh klar ist, dass du deine Macht gebrauchen wirst – das wälzt die Verantwortung für die Entscheidung auf das Kind.
Wickele sie so schnell und angenehm, wie es geht. Und tröste sie dabei. WENN du dich entscheidest zur Kränkung von Integrität (wie gesagt, es ist völlig okay, das zu tun – ich tue das auch, nach Abwägung der Vor- und Nachteile) ist das Mindeste, dass das Kind dafür nicht auch noch Verständnis haben muss sondern seine Gefühle ausleben darf.
Loben ist das Gleiche wie Strafen – es ist Konditionierung und zielführend: Ergo ist es Erziehung. Natürlich darfst du gerne loben 🙂 , ich ermutige aber gerne dazu, lieber persönliche Gefühle auszudrücken als das Verhalten zu bewerten.
Grüße, Ruth
Hallo, ich habe gestern diesen und andere Artikel in diesem Block gelesen…wenn ich das alles richtig verstehe soll man seine kinder einfach machen lassen und alles selbst herausfinden / erlernen lassen….ausser in Gefahrensituationen nicht eingreifen…..ich habe heute schon ein paar mal an diese Artikel gedacht…..es fing beim Zähneputzen an….mein Kind wollte heute morgen einfach keine Zähne putzen….das ist auch öfter der Fall…wenn ich hiernach gehen würde dann putzt es sich halt einfach keine Zähne ? Danach wollte es nicht in den Kindergarten…..meldet ihr euch dann auf der Arbeit ab und teilt mit dass euer Kind heute mal nicht in den Kindergarten möchte?
Es räumte dann heute Mittag die Küchenschränke aus und macht den Kühlschrank auf und spielt…lässt ihn also auf…..das soll man alles machen lassen weil das Kind dann schon merkt dass man die lebensmittel wegschmeissen kann wenn der Kühlschrank auf bleibt weil das Kind es will?und das Porzellan lässt man dann Einfach hinwerfen-wenn es kaputt ist merkt das Kind schon dass grade eine 50 Euro Schale kaputt gegangen ist?? Ich frage mich einfach wie es bei allen funktioniert…..ich sehe in vielen Punkten genauso dass das Kind zu entscheiden hat …. Aber in allen????
Liebe Steffy,
da bin ich aber froh, dass du nachfragst – keineswegs geht es hier darum, dass Kinder alles machen dürfen sollen. Das kannst du auch nicht – allein die Regeln des Zusammenlebens und dein Drang, sozial zu handeln (den haben alle Menschen von Geburt an) würde das verhindern.
Es geht darum aufzuhöre, zu erziehen. Nicht aufzuhören, nein zu sagen (wenn wir es meinen). Erziehung meint, heute unsere Macht zu gebrauchen, um etwas zu erreichen.
Zähne putzen ist ein tolles Beispiel, das schon oft gefragt und behandelt wurde. Abzuwägen, worum es dir geht, das ist die Kunst. Was du bereit bist, an Grenzen deines Gegenübers zu übertreten und was es dir wert ist. Und dann Kompromisse finden und verhandeln.
Es ist kein starres Konzept. Es funktioniert auch nicht. Es geht nicht darum, etwas zu tun, um ein Ziel zu erreichen. Es geht darum, Kinder mit dem gleichen Respekt zu begegnen wie anderen Menschen.
Grüße, Ruth
Unterrichten pervertiert Lernen: Unterricht richtet nach unten.
Wir müssten es doch sehen, dass dabei immer mehr das gegenteil des Erstrebten passiert.
Siehe COUÉS GESETZ der das Gegenteil bewirkenden Anstrengung. Also streng dich erst mal AB!Unterrichten pervertiert Lernen. Wir müssten es doch sehen, dass dabei immer mehr das gegenteil des Erstrebten passiert.
Siehe COUÉS GESETZ der das Gegenteil bewirkenden Anstrengung. Also streng dich erst mal AB!
Hallo Ruth,
ich bin vor kurzem auf Unerzogen gestoßen und fühle mich endlich in meinern Ansichten bestätigt. In meinem Lehramtstuduim habe ich so viele tolle Dinge über das Lernen und die Entwicklung von Kindern gelernt, dass mir bei unserem Schulsystem einfach nur noch schlecht wird. ich stimme dir voll und ganz zu: Jegliche extrinsische Motivation korrumpiert die intrinsische! (Ich glaube Deci&Ryan haben da etwas in ihrer Selbstbestimmungstheorie zu geschrieben.)
Obwohl ich gerne unterrichte, werde ich nach diesem unsäglichen Ref. nicht an eine gewöhnliche Regelschule gehen, das kann ich mit meinen Prinzipien nicht vereinbaren. Auch werde ich alles in meiner Macht stehende tun, damit meine Kinder eine Reformschule besuchen können!
Bitte mach weiter so, damit noch mehr Menschen ins Nachdenken und Reflektieren kommen!
P.S.: Hast du eine Literaturliste? sehe immer nur die einzelnen Verweise und dann vergesse ich wieder, was ich mir ansehen wollte bzw. Finde es nicht mehr
Hallo Ruth,
danke für deine wunderbaren Artikel auf deinem Blog. Eine Freundin von mir hat mich auf das Thema unerzogen gebracht und ich wurde neugierig, auch da meine Partnerin und ich gerade mitten in der Familienplanung stecken. Ja mehr ich hier bei dir lese, desto mehr wird mir klar, warum mir das alles so sympathisch ist. Ich glaube, heute würde man sagen, dass meine Mutter mir es genauso vorgelebt hat. Sie ist selbst gelernte Erzieherin, hat mir aber von Anfang mitgegeben, dass für sie Vertrauen am wichtigsten ist. Bei uns gab es schon klare Regeln, aber niemals ohne Grund, also willkürlich. Wenn ich sie nach dem Warum fragte, bekam ich immer eine sinnvolle Antwort, und nicht nur ein „Weil ich das so sage/will“. Wenn ich zum Beispiele etwas im Fernsehen nicht ansehen durfte, dann erklärte sie mir, dass sie sich mit der Sendung nicht sehr wohl fühlt und es besser finden würde, wenn wir etwas anderen finden könnten. Oder wenn ich etwas naschen wollte, habe ich immer gefragt. Sie erklärte mir, dass es viele Kinder mit ganz schlechten Zähnen gibt und sie selbst als Kind damit Probleme hatte und sich für mich wünscht, dass ich gesunde Zähne habe.
So gab sie mir immer die Möglichkeit, ihr Entscheidungen zu verstehen, sie stellte mich aber nicht vor vollendete Tatsachen. Es wurden auch keine Hausaufgaben kontrolliert, weil darauf vertraut wurde, dass ich kommen würde, wenn ich Hilfe brauche (was auch der Fall war). Viele haben meine Mutter als streng empfunden, dabei hatte ich wahnsinnig viele Freiheiten, wir waren uns einfach nur einig, was okay war und was nicht.
Einen Namen hatte diese Art des Zusammenlebens natürlich nicht, ich denke aber, es kommt dem nahe, was du zu vermitteln versuchst. Mir wurde ganz viel Sicherheit und Vertrauen vermittelt und ich wurde ernst genommen, ohne dass ich auf ein Podest gehoben worden wäre.
Wenn ich (hoffentlich bald) eigene Kinder habe, werde ich versuchen, es möglichst ähnlich zu machen, denn heute bin ich ein sehr ausgeglichener Mensch und blicke sehr gerne auf meine Kindheit und Jugend zurück.
Ich werden hier bestimmt gerne weiter mitlesen, vielen Dank dafür.
Liebe Ruth, da stimme ich dir voll und ganz zu. Wir alle lernen am Besten, wenn uns etwas interessiert, wenn wir für etwas „brennen“. André Stern hat ja auch erst mit 8 lesen (oder schreiben) gelernt, weil er es vorher nicht bräuchte! Er hatte ja auch echt tolle Eltern die immer für ihn da waren und eine gute Bindung damit förderten! Vielen Dank für den tollen Beitrag! Lg Mel
Ich wüsste gerne, wie die Kinder im späteren Leben klar kommen, im Kindergarten gibt es Regeln, in der Schule eh, das ganze Leben besteht aus Regeln. Wir kommen die Mäuse klar, wenn sie auf einmal vor diesen Regeln stehen, sie aber vorher noch nie welche hatten?
Ela, der Erfahrung nach sehr gut. Meine Kinder kennen auch Regeln, aber halt keine sinnlosen und vor allem werden die nicht durchgesetzt egal was ist.
Regeln die Sinn ergeben werden gerne angenommen. Warum nicht?
Grüße, Ruth
Ich habe den Artikel gelesen und wusste sofort, dass wir es mit beziehungsorientierter Erziehung zu tun haben. Schade finde ich, dass jahrlange Erziehungsstile, Bildungsziele und Umgang der Menschen untereinander durch diese „Neuheiten“ in Frage gestellt. Grundsätzlich bin ich für Veränderung, weil wer will im Gestern leben. Aber, es gibt keine Langzeitverprobungen, dass dieser „neue Erziehungsstil“ auch zu glücklichen Menschen führt.
Ich erziehe und das sage ich ganz bewusst, mit Liebe und mit Gelassenheit, Gelassenheit aus einer finanziellen und stabilen Situation, welche ich mir aufgrund der Erziehung meiner Eltern geschaffen habe. Meine Kinder sind sehr glücklich, auch ohne Familienbett und mit Regeln. In einer Gesellschaft geht es nicht ohne Regeln. Fangen Sie im Straßenverkehr an, in der Verwaltung, in der Schule usw.
Lernen ohne Angst, das ist ein Ansatz, über den sollte viel geschrieben werden. Änderung der Bildungskonzepte zum Beispiel. Ich empfehle den Film Angst oder Liebe. Beibehalten der kindlichen Neugierde in der Schulzeit.
Wirklich wichtiges Thema und ich würde den Artikel in vielem unterschreiben. Allerdings ist es nicht ganz richtig, dass wir immer lernen können.
Für mich fehlt bei der Erklärung, wie Kinder lernen, dass es sog. Sensible Phasen (Maria Montessori nennt sie Fenster) gibt, in denen Kinder bereit sind, gewisse Hrundkompetenzen zu erlernen. Deshalb ist es in der Schule so schädlich, alle zu denselben Tempo und Stoff zu zwingen.
Toller Artikel, dankeschön! Ich denke, dass gerade das Thema Beziehung sehr wichtig ist. Wir brauchen sie als Kleinkind, um ein sicheres Bindungsmuster zu entwickeln. Zu oft geht das leider schief und es entstehen andere Bindungsmuster, die so schwer zu ändern sind.