Kleine Kinder sollten Zucker essen dürfen.

YEAH. Ich habs geschrieben!

Nein, ich weiß schon, dass das unpopulär ist. Ich weiß auch, dass Zucker ungeil ist (ich selber esse keinen). Falls du dich jetzt fragst, obs bei mir noch ganz knusper ist – ich erklärs ja schon.

Die Welt ist voller Zucker, Baby

Unsere Kinder leben in einer Welt, in der es Zucker gibt. Überall. Sie leben in einer Welt, in der Supermärkte erreichbar sind, die übervoll mit Süßigkeiten sind. Und die meisten davon sind voll Zucker. Kann man doof finden, ist aber halt Fakt.

Ja. Zucker. Der, der unter unwürdigen Bedingungen gewonnen wird. Der, der raffiniert wird, bis von ihm nur noch weißes Pulver übrig bleibt. Der Zucker, dessen Lobby stark ist. Dessen gesundheitliche Auswirkungen zumindest umstritten sind.

Ja, der.

Und nein, ich will da gar nicht gegen anargumentieren. Ich selber habe die Erfahrung gemacht, dass Zucker ne ungute Sache ist und lebe ohne Zucker – soweit ich es hinkriege. Und darüber bin ich froh und das lebe ich gerne vor. Weil es mir nicht gut tut.

Und das ist der Punkt. Um das hinzubekommen, braucht es Erfahrung. Ich kann nicht beschließen, bestimmte Dinge zu tun oder zu lassen, wenn ich nicht weiß, warum.

Und wissen, warum ich etwas unterlassen sollte, kann ich nur, wenn ich es erlebt habe (jaja, ich nehme lebensgefährliche Erfahrungen wie vor-das-Auto-laufen raus).

Die Sache mit der Verantwortung

Okay. Hier kommt das nächste Standard-Gegenargument und das hat es in sich:

‚AAAABER: Zucker ist doch gefährlich – ich muss mein Kind schützen! Dafür habe ich doch die Verantwortung!‘

Jein. Zucker ist nicht gesund. Darauf werden wir uns einigen können. Aber das ist nur auf den ersten Blick so:

Nicht gesund ist es nämlich auch, beim Essen reguliert zu werden.

Alle aktuellen Empfehlungen für Ernährung gehen von der These aus, dass Essen zwanglos sein muss. Expert_innen für Essstörungen sind sich weitgehend einig, dass Regulation zumindest ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von Störungen ist.

Außerdem ist es moralisch höchst verwerflich, Menschen vorzuschreiben, was sie ihrem Körper zuführen sollen (Menschenrechte, you know). Gilt auch für Kinder. Wirklich. Das sind echte Leute.

Denen tut das weh, reguliert zu werden. Ganz real psychisch. Ich meine, stell dir mal eben vor, du wärst hungrig und dir würde jemand sage ‚Ey, vergiss es, da ist Zucker drin‘. Also ich würde ja ausrasten. Weil es ein Übergriff ist, egal wie gut gemeint.

Und dann:

Ja, du hast eine Verantwortung für dein Kind! Aber hallo! Da wär ich jetzt ja mal die Letzte, die widerspricht (hier habe ich ausgeführt, wie ich das meine).

Und genau deswegen solltest du überlegen, ob du bereit bist, die Gesundheit deines Kindes zu regulieren.

WHAT?

Ja, genau.

Regulation und ihre Folgen

Erstens: Regulation führt dazu, dass das Kind keine Chance hat, die Erfahrung zu machen, die ich z.B. mühsam erst in den letzten Jahren nachgeholt habe: Dass Zucker sich scheiße anfühlt.

Ich erzähl dir mal dazu nen Schwank aus meinem Leben:

Neulich habe ich mehrere Familien besucht, die ohne Erziehung (und ohne Regulation) leben. Mein Sohn entdeckte dort Marshmallows. Er mag Marshmallows. Und aß sie. Eines der dort wohnenden Kinder erzählte ihm, als sie das sah, wo es noch mehr gäbe, öffnete eine volle Box Süßigkeiten und wollte ihm mehr anbieten.

Er wollte nicht.

‚Zu viel Zucker, Mama‘ meinte er trocken und ließ sich von mir ein Käsebrot schmieren. Das andere Kind nickte wissend und tat die Süßigkeiten zurück.

Nein, das kann man nicht verallgemeinern. Und ja, ich kenne kein dauerhaft nicht reguliertes Kind, das nicht von selber aufhört – wenn es SELBST das will. Kein gesunder Mensch vergiftet sich. Absichtlich. So ein Quatsch! Damit das aber so bleibt, muss der Mensch unbedingt und absolut selbstbestimmt bleiben, was das Essen angeht (und alles andere auch, nur mal so nebenbei).

Es gibt so viele Erwachsene, die sich ne Tafel Schokolade reinpfeifen, zu Belohnung, you know.

Zur Belohnung schaden erwachsene Menschen vorsätzlich ihrem Körper. What the fuck. Wie irre das ist, muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen. Aber klar – du und ich sind mit hoher Wahrscheinlichkeit reguliert worden. Zucker war etwas besonderes. Eine Belohnung, etwas, was man nur ausnahmsweise oder in bestimmten Häppchen haben durfte.

Und dann tritt eben das ein, was es so gefährlich macht: Das Kind verliert den Bezug dazu, was es braucht. Wo es Schluss machen kann. Es verliert sein Körpergefühl.

Und zweitens: Ganz nebenbei auch sein Vertrauen. Verbote und Regulation sind nicht gleichberechtigt. Es gibt eine_n, der_die Macht hat und die andere Seite hat Pech.

Bei Kindern ist das einfach – die sind schließlich ausgeliefert. Machtlos. Abhängig. Und lieben uns dabei auch noch abgöttisch. Wenn wir verbieten, nutzen wir diese Macht.

Das finde ich übrigens im Falle von schützender Gewalt völlig okay. Klar. Würde ich immer machen. Wenn die Gefahr so groß ist, dass sie den Grenzübertritt rechtfertigt meine ich auch: Schützende Gewalt ist immer angebracht.

Nur – wenn es um einen Eingriff in die Selbstbestimmung geht, sollten wir abwägen. Ist es das wert? Will ich wirklich, dass mein Kind sein Vetrauen in mich und in seine eigenen Fähigkeiten verliert? Ist mir das dieses verdammte Pülverchen wert? Und gebe ich damit nicht dem Zucker erst die Macht und die magische Anziehungskraft?

Ich sage: Nein. Was sagst du?