Vor kurzem habe ich bei Instagram was zu Selbstoptimierung erzählt. In den Kommentaren wurde mir dann der Vorwurf entgegen gebracht, friedvolle Elternschaft setze Menschen unter Druck, besser und besser werden zu müssen. Spannend! Ich hab darüber nochmal nachgedacht.

Hier kannst du dir den momentanen Stand meiner Gedanken anhören:

 

Was ist eigentlich Selbstoptimierung?

Wenn ich Selbstoptimierung wörtlich nehme, finde ich die die Idee gar nicht schlimm. Ich will aus meinem Selbst, meinem Körper, meiner Psyche, meinem Gehirn, aus den Möglichkeiten, die ich auf dieser Erde in diesem einen Leben habe, das Beste rausholen.

Wenn wir unter Optimierung verstehen, mein Selbst, und das, was mein Leben in diesem Selbst ausmacht in dieser Welt, voll auszuschöpfen, wo ist da das Problem?

Zu wissen, dass ich nur dieses eine Leben habe, hilft mir, es so zu leben, wie ich will.

Ich persönlich hab keinerlei Überzeugung, dass ich noch ein Leben leben darf. Ich glaube, ich habe dieses eine Leben. Das hilft mir, mein Leben so kompromisslos zu leben, wie es irgend geht und je klarer mir ist, dass dieses Leben endlich ist und dass es aufhören wird und dass ich nur diese eine Möglichkeit habe, desto besser kann ich so leben, wie ich will.

Weiß nicht, wie es dir geht, aber mir hilft es.

Was ist das Problem an Selbstoptimierung?

Die Optimierung vom Selbst, wenn wir das Selbst als Konglomerat von Gedanken und Gefühlen und Körper verstehen, finde ich nicht tragisch. Tragisch wird es dann, wenn der Optimierung vom Selbst eine Herabwürdigung dessen, was gerade da ist, vorangeht.

Die Abwertung unseres Selbst ist nie hilfreich.

Wenn ich von Selbstoptimierung spreche und mir dann sage „So wie ich bin, bin ich scheiße, ich will anders sein!“, ist das natürlich Mist!

Das ist nicht nur mistig, weil es moralisch falsch ist und weil es genau richtig ist, dass Menschen immer, immer Fehler haben und machen und nichts irgendwann perfekt wird. Auch und gerade Elternschaft nicht, was ja auch beim besten Willen nicht unser Anspruch hier ist. Sondern es ist auch deswegen mistig, weil dieser Gedanke Lernen diametral gegenüber steht.

Echtes Lernen, echte Weiterentwickung passiert nicht, wenn ich sage „Boah, ich bin so kacke!“ und „Was bin ich bloß für ein schrecklicher Mensch, hier muss ich schnell weg!“. Wenn ich schnell weg will von dem Ort, an dem ich bin und dem Schmerz, den ich da gerade habe, und den Problemen, die sich mir zeigen, dann kann ich eben auch nicht verstehen, was los ist. Und wenn ich das nicht verstehe, kann ich keine echte, nachhaltige Lösung finden.

Deswegen ist ja auch die Erziehung von Kindern so fies. Wenn wir einem Kind sagen: „Du musst anders werden, als du gerade bist. Du musst schlauer werden, du musst mehr üben.“, dann teilen wir dem Kind gleichzeitig mit „So wie du bist, bist du nicht ok!“. Und es ist egal, ob wir das direkt oder indirekt sagen. Ob wir es nett verpacken oder einfach so raushauen. Wenn wir einen erzieherischen Gedanken in uns tragen, sagen wir dem Kind, dass es falsch ist, wie es ist.

Selbstoptimierung und friedvolle Elternschaft

Die Lösung kann nicht sein, einfach nicht mehr über friedvolle Elternschaft zu reden, weil das Leute unter Druck setzt. Meines Erachtens müssen wir uns eher fragen, woher wir die Idee haben, nachhaltige Veränderung entstünde, indem wir uns fertig machen. Wie kommt es, dass wir Eltern beobachten, die anders mit ihren Kindern umgehen als wir, und anstatt zu denken „Das ist ja total inspirierend, mal gucken, was davon auch für uns passend sein könnte.“ entweder sie oder uns selbst abwerten? Woher kommt die Idee, unser persönlicher Wert hänge daran, wie gut oder schlecht wir Sachen hinkriegen?

Friedvolle Elternschaft wird immer unperfekt sein.

Elternschaft ist Beziehung. Beziehung ist soziales Zusammenleben. Soziales Zusammenleben ist voller Konflikte und Konflikte sind voller Fehler. So ist das. So sind die Regeln. Die Regeln sind, dass wir immer, immer, immer Fehler machen. Und wenn wir uns das nicht erlauben, verweigern wir uns selbst die Grundannahme, ein Mensch zu sein, dann verweigern wir uns selbst Mitgefühl, Empathie und Freundlichkeit. Das ist wirklich eine ganz schlechte Idee.

Diese Form der Selbstoptimierung hat aber nichts mit friedvoller Elternschaft zu tun, die finden wir überall in dieser Gesellschaft. Friedvolle Elternschaft ist eine große Idee, die zeigt, in welche Richtung es gehen soll und an der wir tagtäglich scheitern. Was ich vorschlage, ist: Glücklich scheitern. Gab es da nicht mal so ein Buch?

Glücklich scheitern lernen

Bei den Weggefährt*innen üben wir wieder und wieder anzunehmen, dass Scheitern und Fehler machen Teile vom Ganzen sind. Deswegen heißt es dort immer wieder:

Mach einen kleinen, unperfekten Schritt und schau, was passiert.

Mancher Schritt wird nicht bewirken, was ich mir erhofft habe. Das ist ok. Dann kann ich mir sagen: „Hm, das scheint für mich nicht zu funktionieren.“

  • Woran könnte das liegen?
  • Merk ich da vielleicht ein Thema? (Eine Therapie kann hilfreich sein, sie kann aber auch als Ablenkung vom Jetzt fungieren.)
  • Passt die Lösung mit meinem Gehirntyp zusammen?
  • Passt die Lösung für mein Kind und dessen Bedürfnis?
  • Was könnte eine andere Möglichkeiten sein?

Es geht darum, unsere Menschlichkeit zutiefst anzuerkennen und unsere und die Bedürfnisse unserer Kinder individuell anzuschauen.

Da helfen uns keine Rezepte oder Goldstandards. Es ist egal, wie lange andere Eltern stillen oder ob sie im Familienbett schlafen. Es ist nur wichtig, herauszufinden, was für uns und unsere Familie passt!

Das ist eine Art der Optimierung, hinter der ich absolut stehen kann. Unser Leben und Miteinander optimieren in die Richtung von etwas, auf das wir später zurück gucken können und sagen können: Hier hab ich wirklich mein Bestes gegeben. Ich finde, das ist es wirklich wert.

Schreib gern in die Kommentare, was du unter Selbstoptimierung verstehst und was du über meine Art der Umsetzung denkst!