Ich begebe mich in ein Minenfeld.

Essen ist das letzte Heiligtum, so scheint es. Die Bastion. Um Ernährung ranken sich Mythen, um Ernährung werden ganze Communities gebildet.

Und sie ist unbestritten wichtig. Das Blöde ist, dass sie, wie viele wichtige Dinge, genau deswegen nicht kontrolliert werden sollte.

Ernährung bei Kindern zu kontrollieren bedeutet, ihnen vorzuschreiben, was sie wann und in welcher Form ihrem Körper zuführen. Bei Erwachsenen wäre das Körperverletzung – viele Erwachsene haben destruktive Verhaltensmuster rund um Essen entwickelt, die genau diese Verletzung dauerhaft reinszenieren.

Hört auf damit.

Der Fokus aufs Essen

Es bricht mir das Herz, die Beobachtungen von Eltern zu lesen, deren Kinder die evolutionär komplett normale Phase des picky eating durchlaufen – wie sie messen, zählen, vergleichen, kontrollieren.

Denn es schadet. Der Fokus auf dem Essen schadet. Die Bemerkungen. Das ‚Erst isst du aber was Gesundes‘. Die Panik. Die komplette Überladung vollständig normaler Verhaltensweisen. Die Idee, dass es etwas mit unserem Elternego zu tun hat. Die Verantwortung, die kleine Kinder bekommen, wenn sie gesund, nachhaltig und demütig ihr Essen essen sollen.

Kinder sind von Natur aus neugierig und das macht vor Essen nicht halt. Das heißt: Sie verschwenden. Sie fangen etwas an und essen nicht zuende. Sie matschen herum, wenn sie klein sind, weil sie so die Welt begreifen. Sie mögen mal das eine sehr und dann wieder gar nichts. Das alles ist komplett normal. Es überzudramatisieren bedeutet, in einem sehr sensiblen und privaten Bereich Druck auszuüben, der lebenslang bleiben kann.

Menschen mit Essstörungen berichten übereinstimmend genau das: Dass ihre Eltern kommentiert, kontrolliert, gezwungen und/oder ihr eigenes Essverhalten abgewertet haben. Dass es Thema war.

Dabei ist es egal, ob du dein Kind zu einer gesunden Ernährungsweise zu erziehen versuchst oder dauerhaft Burger in das Kind reinschaufelst. Der Schaden entsteht nicht durch das Essen, sondern durch den Zwang, der sich dann dauerhaft auf das Essverhalten auswirkt.

Ist jetzt also scheißegal, was dein Kind isst?

Mitnichten.

Es ist wichtig. Es ist so wichtig, dass Zwang zu riskieren, dauerhaft unverantwortlich ist, denn Zwang begünstigt Gegenreaktionen und Gehorsam (LINK); beides Dinge, die bei Essen kontraproduktiv sind.

Was du tun kannst:

Stelle sicher, dass es abwechslungsreiches und gutes Essen gibt. Lebe deine Ernährungsphilosophie und erzähle deinem Kind, falls es nachfragt, davon. Iss Rohkost. Iss vegan. Iss glutenfrei. Wundervoll. Gute Idee. Tue deinem Körper Gutes und schätze und liebe ihn. Go for it!

Hör auf das Essverhalten deines Kindes zu kommentieren und fange an zu informieren. Biete Alternativen an, um dem Kind Entscheidungen zu erleichtern.

Und: Hinterfrage den Kult rund ums Essen. Muss dein Kleinkind dreimal am Tag ruhig am Tisch eine ungeeignet große Portion Essen in sich reinschaufeln und schafft das nicht (natürlich!), so dass es zwei Stunden später wieder Hunger bekommt, aber nur die von der Süßigkeitenindustrie auf Kleinkindbedürfnisse optimierten Zuckerstangen sind vorhanden? Dann gib dem Kind fünfmal am Tag einen Teller mit leckerem Fingerfood, dahin wo es gerade spielt – und den Süßigkeitenkram, den es sich wünscht.

Das Credo ist: Mehr statt weniger. Nimm nichts weg, füge mehr hinzu. Mehr leckeres gesundes Essen. Mehr Geduld. Mehr Vertrauen. Mehr Auswahl.

Denn Essen ist intim und wichtig. Essen ist ein Kontakt zur Außenwelt, den wir nicht verantworten können einem kurzfristigen Kontrollerlebnis unterzuordnen. Trau dich zu vertrauen.