Ich setze mich heute mal in die Nesseln. Übrigens sehr deutsche Nesseln, in denen ich da sitze – Schulpflicht ist ein sehr deutsches Gesetz, das Bildung an die Anwesenheit in einem Schulgebäude knüpft.
Und das halte ich für falsch.
Vorweg: Ich halte nicht Schule für falsch. Die Idee, Orte der Anregung und Beziehung zu schaffen, finde ich toll. Die Idee, mehr Menschen für unsere von der Kleinfamilie verkrüppelte Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, die Bildung und Beziehung in den Mittelpunkt stellt, finde ich auch toll.
Das Problem liegt im Zwang.
Und das aus mehreren Blickwinkeln.
Bildung und Schule
Schulzwang hat zu einer Zeit, in der Bildung und Informationen nicht überall zugänglich waren, Sinn gemacht – so es um die Bildungsrechte des Individuums ging, machte es auch Sinn, diese verpflichtend zu machen, in einer Zeit in der Kinder weniger als bildungsberechtigte Wesen angesehen und mehr als billige Arbeitskraft benutzt wurden (edit: Ich wurde darauf hingewiesen, dass diese Darstellung verkürzt ist – richtig, dass Schule Kinder vor Kinderarbeit schützt, ist ein Gerücht, die Gesetzgebung war eindeutig auf Erziehung hinzielend und wurde im dritten Reicht entsprechend verstärkt).
Nur: Wissen ist mittlerweile überall erhältlich. Ich brauche keine Schule mehr, um Bücher zu erleben, ich brauche keine Schule mehr, um frei spielen zu dürfen und nicht arbeiten zu müssen. Schule hat vielmehr die Funktion der Kinderbetreuung eingenommen – und damit die Großfamilie ersetzt. Was ich nicht schlimm finde. Schlimm finde ich, dass wir so tun, als wäre Bildung nur in Schulen möglich. Ist sie nicht, wie viele Menschen zeigen, die nie eine Schule besucht haben und ihre Bildung aus den zahlreichen Möglichkeiten der digitalisierten und verknüpften Welt bezogen haben.
Dazu kommt, dass Lernen nur in sicheren Umgebungen funktioniert. Das, was wir heute über das Lernen wissen, ist weit von dem entfernt, was in Schule passiert (und wird flächendeckend und relativ erfolglos kritisiert): Lernen braucht vor allem Zeit, Gelegenheit, Beziehung und liebevolle Begleitung. Während man noch mit Fug und Recht behaupten kann, dass Schule versucht Gelegenheit zu bieten, zeigen die zahlreichen Gespräche, die ich mit Menschen rund um Schule hatte, wie wenig Möglichkeiten und Bereitschaft es für individuelle Begleitung und Beziehung gibt – der Schulzwangrahmen erschafft eine Situation, in der eine Person sich nicht freiwillig auf Beziehung einlässt. Und unfreiwillige Beziehungen sind Gewalt gegen eine Person – eine Tatsache, die auf Erwachsene bezogen völlig klar zu sein scheint.
Und damit kommen wir in einen Bereich, der mir bisher in der Diskussion rund um Schule und Schulpflicht völlig außer Acht zu sein scheint: Schule ermöglicht systematisch Gewalt.
Systeme und Gewalt
Systemische Gewalt zeichnet sich dadurch aus, dass niemand sie will. Sie ist nicht intendiert. Falls du dich also gerade empören willst – zum Beispiel weil du Lehrer*in bist und deinen Schüler*innen sicher nicht wehtun wolltest – kann ich dich beruhigen. Einerseits. Denn ich sehe so viele engagierte Menschen in Schulen, die versuchen, die Auswirkungen systemischer Gewalt abzufedern. Ich bewundere sie dafür. Andererseits ist das Problem eben, dass Gewalt in Systemen nicht weniger schrecklich ist. Sie ist ebenso Gewalt
Wie aber entsteht sie in Schulen?
In meiner soziologischen Arbeit über Gewalt und Macht ist mir in meinem Studium wieder und wieder der Begriff der totalen Institution begegnet. Totale Institutionen versuchen, kurz gesagt, alle Aspekte eines Menschenlebens zu organisieren und haben dabei den Anspruch, den Menschen zu verändern. Klöster sind welche. Gefängnisse auch. In totalen institutionen verbringen Menschen nicht nur extrem viel Zeit, sie werden dort auch von außen bestimmt, zum Beispiel in ihrer Kleidung, ihrer Zeit und den Themen, mit denen sie sich befassen. Sie zeichnen sich durch Aufnahmeprozedere aus und ihren Anspruch, Menschen zu formen. (Hier kannst du mehr zum Thema lesen).
Das Problem an totalen Institutionen ist, dass sie nicht funktionieren. Gefängnisse machen, normalerweise, Menschen nicht sozial, obwohl sie den Anspruch an Resozialisierung haben. Klöster machen Menschen nur kurzfristig friedlicher.
Das ist auch logisch. Wenn Menschen in andere Umstände als ihr bisheriges Leben kommen, passen sie sich an diese Umstände an. Diese Veränderung ist aber nicht permament. Deswegen ist dein Kind nicht immer so nett und brav, wie die Leute im Kindergarten behaupten, dass es das sei. Es lässt die Anteile bei dir raus, die es unterdrückt hat.
Das gilt für totale Institutionen auch. Hinzu kommt, dass sie einen Hang zur Förderung von Gewalt haben. Totale Institutionen neigen dazu, jenseits von den Regeln anderer gesellschaftlicher Orte zu spielen (da gibt es tolle Studien zu Gewalt in Klöstern oder Sekten). Ist ja auch logisch, weil es kaum Berührungspunkte mit dem Rest der Welt gibt, also kaum Möglichkeiten, die Erfahrungen mit jenen außerhalb der Institution abzugleichen.
Warum erzähle ich das? Weil ich glaube, dass wir Schule zur totalen Institution gemacht haben. Die Zeit, die die Kinder dort verbringen, nimmt massiv zu (in vielen Ländern ist es schon sehr viel mehr als in Deutschland). Die Idee ist nicht mehr nur, dass das Kind dort ein paar grundlegende Dinge lernen soll, wie lesen und schreiben, sondern dass es sozial wird, gebildet, seine Zukunft geformt wird und das ggf Mängel aus dem Elternhaus ausgeglichen werden können.
Das können sie aber nicht. Denn das Verhalten, die Beziehungen, die in Schulen geformt werden, so wichtig sie sein können, werden nicht übersprungsfähig. In der Schule findet eine Eigensozialisation statt, keine, die dann auch in Familien oder woanders gelebt wird. Denn Sozialisation ist ein Prozess.
Und für die Beziehungen und Bindungen, die von Schule inzwischen erwartet werden, ist schlicht kein Raum in der Logik gleichgetakteter Lerneinheiten, die noch davon ausgehen, dass Lernen durch das Konfrontieren mit gleichen Inhalten bei allen Menschen gleich ankommt (tut es nicht).
Die Funktionen, die Schule also erfüllen sollte und könnte, kann sie nicht erfüllen – solange sie als totale institution funktioniert. Und nicht freiwillig ist.
Das erleben sogar Freie Schulen, die die Idee des von Beziehung abgekopppelten Lernens inzwischen hinter sich lassen: Dass das Design keinen Raum lässt für individuelle Beziehungen. So sehr sich eine Freie Schule bemüht, die Rahmung, um als ‚Schule‘ genehmigt zu werden, zwängt ihr Strukturen auf.
Und dann wäre da noch der Punkt, an dem Schule so wertvoll werden kann: Als Schutz für die Kinder, deren Elternhäuser keinen mehr bieten.
Und auch dieser Funktion schadet das Design von Schulpflicht. Wenn Schule locken müsste, mit Angeboten, wenn sie attraktiver sein müsste als das Elternhaus, um die Kinder zu sich zu holen, dann müsste sie auf Beziehungen setzen. Und sie würde sehr schnell herausfinden, für wen das Elternhaus nicht reicht. Schule könnte, anstatt ein Ort zu sein, aus Menschen bestehen. Menschen, die diese jungen Leute begleiten, deren Begleitung durch die Eltern nicht gewährleistet werden kann. Sie könnte aus Menschen bestehen, die Angebote machen, die nach Hause kommen und da sind für das Kind. Sie könnte aus Vertrauen bestehen. Denn DANN stellen wir erst Lernen sicher, das über pures Auswendiglernen hinausgeht.
Schulpflicht an sich kann diese Dinge nicht sicherstellen. Im Gegenteil, durch die systemische Gewalt sind Kinder, die zu Hause Gewalt erfahren, tendenziell mehr Gewalt in der Schule ausgesetzt. Und die Schulen müssen hohe bürokratische Hürden überwinden, selbst wenn sie denn helfen wollen und können. Viele Schulen scheitern so an den Versuchen, Kindern, die in Gefahr sind, zu helfen, und erhöhen den Leidensdruck auf diese Kinder – nicht weil die Menschen grausam sind. Sondern weil das System es ist.
Schulpflicht schützt nicht. Engagement und Empathie schützen. Miteinander schützt. Ein erzwungenes Miteinander unterhöhlt aber all das, was Schule sein könnte. Deswegen gehört es abgeschafft. Und ersetzt durch ein Recht auf Bildung für junge Menschen. Etwas, was nur Umstände braucht, keine Inhalte. Denn das Gehirn lernt. Immer. Wie es lernt und von wem, das dürfen wir sicherstellen. DAS ist gesellschaftliche Pflicht. Nicht die Eigenbeweihräucherung durch Schulpflicht, die das Problem bei Lehrer*innen lässt, die die systemische Gewalt entweder missbrauchen oder an ihr verzweifeln. Und bei Eltern, die oft genug dem Problem gegenüberstehen, einen jungen Menschen unter Verletzung seiner Grundrechte an einen Ort zu bringen, an dem er*sie nicht sein will. Das ist Gewalt. Benennen wir es. Beenden wir es. Und bringen wir Bildung wieder in den lebendigen Begriff, in den sie gehört: Gelebt, ausgehalten, unsichtbar, überall. Das Leben eben.
Liebe Ruth,
danke für diesen wunderbaren Artikel, der mich sehr bewegt hat! Mein Sohn geht seit einem Jahr in die Schule und der Zwang ist sowohl für ihn als auch für mich schwer auszuhalten. Vor allem, da wir zu Hause schon länger den Weg in die Erziehungsfreiheit gehen… (Die Gründung einer Freien Alternativschule ist deshalb auch schon im Gange 😉 zusammen mit anderen, gleichgesinnten Mamas.)
Eine Sache in dem Artikel, mit der ich nicht ganz mitgehen kann, ist die Nebeneinanderstellung von Kloster und Gefängnis im Zusammenhang mit Schule als totaler Institutionen. Vor allem Hinsichtlich des Zwangs. Wenn wir davon ausgehen, dass (fast) alle Menschen, die in ein Gefängis kommen oder in eine Schule geschickt werden, dies nicht freiwillig tun, so kann man doch sagen, dass im Gegensatz dazu fast alle Menschen, die in ein Kloster gehen, dies aus freien Stücken tun (ich spreche von der heutigen Zeit). In diesem Punkt erschließt sich mir also deine Argumentation nicht…
Ansonsten finde aber, dass du gar keinen rant geschrieben hast, sondern eine sehr präzise Analyse der derzeitigen Verhältnisse.
Liebe Grüße!
Christiane
Also wenn es keine Schulpflicht gegeben hätte, wäre ich ausschließlich zu Hause bei meiner alleinerziehenden, stark alkoholabhängigen und psychisch kranken Mutter sozialisiert und „gebildet“ worden. Einen Uniabschluss für meinen Traumberuf, über den ich sehr dankbar bin, hätte ich dann sicher nicht erreicht. Der war nur möglich, weil es einen Ort wie die Schule gab, und meine Mutter gezwungen war, mich dort regelmäßig hinzuschicken.
Solche Lebensläufe sollte man in seine Überlegungen zur Schulpflicht wohl auch miteinbeziehen.
Tatsächlich zeigen die Daten aus Ländern ohne Schulpflicht (fast alle, übrigens), dass Eltern die ihre Kinder vernachlässigen sie nur selten auch zu Hause behalten. Außerdem ist natürlich die Aufsichtspflicht des Staates nicht ausgehebelt – Jugendämter und co gibt es weiter und sie sind weiter wichtig.
Grüße, Ruth
Liebe Ruth,
auch ich freue mich sehr, dass immer mehr Menschen – so wie du – diese unwürdigen Zustände beim Namen nennen! DANKE dafür! Steter Tropfen höhlt den Stein – irgendwann werden die Menschen es nicht mehr glauben können, dass es Schule in der heutigen Form gegeben hat! Ich wünsche mir, dass ich es noch erleben darf!!
Je länger ich meinen Sohn auf seinem Weg, sich frei zu bilden, begleite, umso ABSURDER erscheint es mir, wie Schule derzeit abläuft!
Schule unter Zwang MACHT jene Probleme, die sie zu bekämpfen vorgibt.
So wie du schreibst: Das Gehirn LERNT IMMER! Niemand braucht junge Menschen „motivieren“ zu lernen. Wir müssen ihnen nur endlich ZUTRAUEN, dass sie es SELBST TUN! Wir müssen lernen zu vertrauen, und dann werden wir sehen, welche Fähigkeiten und Potentiale JEDER Mensch in sich trägt.
Vertrauen, Sicherheit, Geduld und ehrliche Aufmerksamkeit – DAS sind die „Zutaten“, die wir dafür brauchen!
Ich sage nicht, dass es einfach ist. Denn wir selbst haben es als Kinder / junge Menschen in dieser Form sehr selten oder oft auch gar nicht bekommen. Es fällt uns daher schwer, unsere Kinder auf diese Weise zu begleiten. Aber es lohnt sich, daran zu arbeiten, jeden Tag ein bißchen mehr Vertrauen, Sicherheit und Geduld zu spüren und zu geben! Wir bekommen es hundertfach zurück!
Mit lieben Grüßen,
Heidi
Liebe Ruth,
vielen Dank für diesen Artikel. Er hat mir mal wieder bestätigt, dass ich nicht „verrückt“ bin, wie viele meiner Mitschüler immer behaupten, wenn ich mit „diesem“ Thema anfange. Entgegen der meisten hier, besuche ich selber noch die Schule. Ich gehe inzwischen seit 10 Jahren zur Schule und hatte das Glück durch meine Mutter schon sehr früh mit dem Thema Lernen und Erziehung in Berührung zu kommen. Eigentlich seit der 3. Klasse versuche ich nun meiner Umwelt zu zeigen, was es bedeutet aus Neugierde, aus sich selbst heraus etwas lernen zu wollen, aber leider stoße ich nur auf sehr wenig Verständnis. Meine Lehrer belächeln mich meistens nur, wenn ich wieder mit „meinem Thema beginne“. Da mir seit ca. 3 Jahren klar ist, wie „dämlich“ unser Bildungssystem ist und ich weiß wie viel mehr ich lernen könnte, wenn ich meine Vormittage nicht verschwenden würde, ist die Schule im Moment für mich wie ein Gefängnis. Allerdings wüsste ich nicht, wie ich sie umgehen sollte und stecke deshalb jeden Tag in einem Dilemma, da ich meinen Mitmenschen ja trotzdem freundlich begegnen will und auch die Mühe der Lehrer anerkennen will. Da diese ja auch nichts fürs System können und viele wirklich hart arbeiten. Außerdem möchte ich, wenn ich schon meine Zeit in der Schule verbringen muss, wenigstens etwas lernen und bin dementsprechend auch sehr gut in der Schule. Allerdings nur dadurch, dass ich zuhause alles nochmal so lerne, wie ich es machen würde, wenn ich nicht zur Schule gehen müsste. Dadurch bleibt mir allerdings nur wenig Zeit für anderes und das macht mich langsam verrückt. Vor allem weil alle meine Lehrer es mir als einzige zutrauen würden auch ohne Schule alles „Wichtige“ zu lernen. Das wiederum kommt ja aber nur davon, dass ich mir von der Schule meine Neugier nicht nehmen lassen habe. Naja, danke. dass ich meinem Ärger hier einmal Luft machen durfte. Dein Blog ist wirklich spitze!
LG Friederike
Wow, liebe Friederike!! SO mutig von Dir!!
Wir wohnen in Dänemark, wo Freilernen kein Problem ist. Vielleicht könntest Du hier (oder in einem anderen Land) ein Auslandsjahr machen, und dann dort freilernen? Vielleicht könntest Du bei uns wohnen, oder ansonsten findet sich bestimmt eine liebe Gastfamilie <3
Herziche Gruesse,
Rebecca
Hallo Ruth!
vielen Dank für den spannenden Beitrag. Bei so tollen Eltern wie Du und Deine Leser*Innen es wahrscheinlich sind, hätte ich keine Sorgen, wenn Kinder zu Hause unterrichtet werden. Aber was ist mit den Kindern, die in Familien aufwachsen, die Du selbst gerade als Beispiel für totale Institutionen anführst: sektiererische Gruppen? (Zitat: „da gibt es tolle Studien zu Gewalt in Klöstern oder Sekten“)
Wenn es keine Schulpflicht gäbe, würden doch auch Reichsbürger*Innen, Zeugen Jehovas, die „Zwölf Stämme“, Salafist*Innen etc. ihre Kinder zu Hause unterrichten. Wäre es für diese Kinder nicht besser auf eine Schule gehen zu müssen, in denen sie mit verschiedenen Menschen lernen und mit pluralistischen Weltanschauungen konfrontiert werden? Im Vergleich zu religiöser oder faschistischer Indoktrination, welcher diese Kinder ausgesetzt werden würden, ist aus meiner Sicht der Zwang in den „langweiligen Matheunterricht“ gehen zu müssen, weit weniger schlimm.
Viele Grüße
Frieder
Lieber Frieder,
in den meisten Ländern der Welt gibt es die Schulpflicht nicht….. In Amerika, Kanada, Großbritanien z.B. werden Familien unterstützt, die ihre Kinder zu Hause lernen lassen wollen. Das Problem mit den Sekten und und und…. gibt es dort nicht. Warum soll das ein Problem in DE sein? Liebe Grüße, Christian mit der http://www.freilernfamily.de
Ich kann eure Gedanken schon nachvollziehen; aber ich unterrichte vor allem Kinder aus sogenannten bildungsfernen Schichten; gäbe es keine Schulpflicht, würden diese Kinder keine Bildung erhalten, schlichtweg aus dem Grund, dass es keinen interessiert, Diese Kinder hätten keinen Zugang zu Büchern etc. Weil schon die Eltern keine Bildung haben. Das sind nicht wenige – und das schlimmste was einer Gesellschaft passieren kann, sind ungebildete Menschen, die dann auch keinen Beruf ausüben können, die Zusammenhänge nicht verstehen. Bildung ist ein Menschenrecht.
Das ist tatsächlich ein Problem – in den vielen Ländern ohne Schulpflicht gibt es verschiedene Modelle der Bildungspflicht dazu. Bildung ist Menschenrecht und muss sichergestellt werden. Dafür ist allerdings keine Schule nötig.
Liebe Ursula,
wie schon erwähnt, sollen ja nicht Schulen, Bildungspflicht und Kontroll-Institutionen abgeschafft werden, sondern lediglich die Schulanwesenheitspflicht für sämtliche deutsche Kinder. Es soll ein breites Bildungsangebot erlaubt sein. Manche Kinder leiden zu Hause. Für die ist die Schule ein Auffangort. Andere Kinder leiden in der Schule. Für sie wäre ein anderer Bildungsweg vielleicht besser. Und stell dir einmal vor, wie viel besser Kinder aus Bildungsfernen Familien unterricht werden könnten, wenn die Klassenstärke ausgedünnt wird.
Vielen Dank für diesen spannenden Beitrag. Auch ich bin eine große Verfechterin des „unerzogen“ lebens und lebe das mit meinen Kindern, so gut es mir selbst eben möglich ist. Die Schule ist tatsächlich ein Thema was in mir sehr gemischte Gefühle auslöst. Einerseits würde ich mich wahnsinnig freuen, wenn meine Kinder zu 100% die Möglichkeit hätten selbstbestimmt zu lernen und ich glaube auch, dass das möglich wäre. Anderseits gibt es in diesem Zusammenhang für mich noch ein Problem, für das ich keine Lösung habe. Ich selbst bin schon sehr unerzogen aufgewachsen, trotzdem habe ich eine ganz normale Schule besucht, Druck habe ich selbst zum Glück selten verspürt, die intrinsische Motivation etwas zu lernen, war bei mir wohl gut ausgeprägt. Dafür ist mir selbst jedoch ein anderes Phänomen begegnet, ich hatte häufig mit Schülern zu tun, die nicht so tolle Startbedingungen hatten wie ich, solche, die sich in der Schule wirklich schwer getan haben und auch von zu Hause wenig Rückhalt bekommen haben. Mein Eindruck war, dass es für diese Kinder sehr wertvoll war, etwas von meiner Einstellung und meinen Werten mitzubekommen. Ich habe sie, ohne es damals schon zu merken, wohl auch an meinem „unerzogenen“ Leben teilhaben lassen. Hätte ich die Regelschule nicht besucht, wäre diesen Kindern der Zugang zu einer solchen Erfahrung wohl verwehrt geblieben.
Deshalb finde ich, liebe Ruth, deine Grundhaltung wunderbar und freue mich über jeden, der diese lebt, gleichzeitig glaube ich, dass unsere Gesellschaft sehr davon profitieren würde, wenn diese Einstellung durch das Vorleben in allen Gruppen der Gesellschaft ankommen kann.
Wichtiger wäre es wahrscheinlich, die Bedingungen des Schulsystems generell auf den Prüfstand zu stellen.