Eltern, das sind diese Leute mit wenig Humor, wenig Schlaf und Babykotze auf dem Shirt. Die militanten, Barfußschuhe tragenden Veganer*innen, die auf dem Spielplatz ihrem Kleinkind und im Job ihrer Karriere hinterherrennen.

Die Rezeption vom Elternsein in dieser Gesellschaft ist höchst seltsam. Und nicht gerade schmeichelhaft. Schließlich ist Elternsein heute vor allem eine Entscheidung. Und so wird es oft als Hobby angesehen – etwas, was mensch sich ja nicht antun müsste, etwas, was mensch dann zwischen Job und Haushalt und Freund*innen und dem teuren Urlaub irgendwo reinquetscht.

Und aus irgendeinem Grund sind Eltern deswegen halb belächelt und halb kritisiert. Das ist wie beim Fußball – alle gucken zu und alle wissen es besser. Vor allem die, die es noch nie gespielt haben. Elternsein kann zum gesamtgesellschaftlichen Spießrutenlauf werden: Überall Erziehungsratgeber, Blogs (jap), Talkshows. Zu lasch erzogene Kinder werden Tyrannen, die anderen Psychopathen, Jesper Juul und Winterhoff streiten sich, die Regale der Buchhandlungen füllen sich, die Menschen auf der Straße geben ungesagt Tipps ab.

Ich hab die Schnauze voll davon.

Eltern sein ist, obwohl es so verbreitet ist und, bezogen auf das physische Überleben, nicht besonders schwierig zu sein scheint, verdammt kompliziert.

Es ist kein fucking Hobby. Es ist kein ‚was mach ich denn mit meiner Freizeit?‘

Der Irrtum stammt mE aus einer Zeit, in der das Hauptziel im Begleiten von Kindern Überleben war. Nicht umsonst wird diese Argumentation gerne noch bemüht, wenn abwertende, gefährliche und verbotene Erziehungsmaßnahmen gerechtfertig werden: Man habe es überlebt.

Und es stimmt: Kindheiten können relativ einfach überlebt werden. Dazu braucht es auch kaum Wissen. Ein bisschen Milch, ein bisschen Pulvernahrung, einen Raum zu abstellen, ein bisschen Schule… Das war lange das Rezept (an der Stelle empfehle ich den Film ‚babies‘ um einen ethnologischen Blick auf das Begleiten von Kindern zu promoten. Nicht alles, was wir hier für richtig halten, ist auch nur denkbar in anderen Teilen der Welt!).

Und das war nicht unbedingt falsch – noch vor kurzem herrschte in diesem Teil der Welt bittere Armut. Und je nachdem woher du kommst, kennt deine direkte Elterngeneration oder du selbst Armut, Not und Mangel. Dass es da keinen Raum für Babymassagen und achtsame Begleitung gibt, ist verständlich (wenngleich es immer wieder erstaunliche Berichte über achtsame und liebevolle Begleitung in furchtbaren Zeiten gibt).

Heute tauschen wir diese Ziele aus und richten uns mehr an Werten aus: Worum soll es uns gehen in dieser Welt, in dieser Familie? Welche Art des Miteinanders wollen wir leben? Was sollen meine Kinder in dieser Welt erlebt haben, ehe sie gehen und sie selbst mitgestalten?

Die Auffassung, jede*r könne einen solchen Paradigmenwechsel mal eben im Schlaf durchlaufen, die macht mich ernsthaft wütend. Denn das ist hart. Es geht bei den meisten Menschen gegen alles, was sie gelernt haben – wenn ihre Eltern im ‚Hauptsache gesund‘ Modus waren bzw ihre eigenen Themen nicht so aufarbeiten konnten, dass sie gesund aufwachsen durften. Es bedeutet Mut.

Anzunehmen, dass das so nebenbei gelingen könnte, setzt Eltern unter Druck. Alle anderen machen das mit den Kids doch auch so locker nebenbei, kann doch nicht sein, dass ich Hilfe brauche?! Andere brauchen doch auch keine Therapie, wieso geht es mir so schlecht?

Ganz im Ernst: Bullshit. Wenn du deinen Scheiß überwinden willst, um näher an deinen Werten deine Kinder zu begleiten, ist das schwer. Und wundervoll. Und lohnend. Aber nein, ‚die anderen‘ kriegen das auch nicht mal so eben hin (glaub mir, ich hab mit ihnen gesprochen). Niemand bekommt das mal so eben hin, der*die erzieherischer Gewalt ausgesetzt war.

Nimm dir deine Zeit. Hör auf, deine Kinder irgendwo einzuordnen und gib dir den Raum, zu heilen.

Denn am Ende bedeutet bedürfnisorientierte, friedliche Elternschaft genau das: Sich selbst den Raum zum Heilen zu geben.