1. Was sollen denn die anderen sagen?

Stell dir vor du bist krank. Todkrank. Und du hast nur noch wenig Zeit.

Würdest du dich hinstellen und sagen ‚Yay, nochmal schnell alles machen, wie es die anderen wollen?‘ – Nochmal schnell dem Kind gegen den Willen den Mund abputzen? Nochmal schnell die Schaufel wegnehmen? Schimpfen?

Wohl eher nicht.

Die Nummer eins auf der Hitliste des Bereuens ist bei Sterbenden „Warum habe ich nicht mehr mein Ding gemacht?!“ (Quelle: Hier)

Diese Angst weist dich meistens auf etwas Wichtiges hin: Dass du in dir einen Anteil hast, der in Resonanz geht. Was ‚die anderen‘ sagen, sagt auch ein Teil in dir. Meist ist das der Teil, der gut erzogen wurde und neue Dinge nicht mag.

Da hilft nur hinfühlen und ernst nehmen. Und dann loslassen.

2. Aber was ist dann später…?!

Irgendwann muss das Kind doch in die Schule… (Nö, muss es nicht). Und arbeiten… Und es kann doch nicht überall einfach machen, was es will!

Erstens: Ein Kind kann – wie jedes Wesen dieses Planeten – NIE immer nur machen, was es will. Auch innerhalb einer Familie gibt es begrenzte Ressourcen. Aufmerksamkeit, Geld, Zeit… Alles Dinge, die begrenzt sind und eventuell auch noch zwischen mehreren Kindern geteilt werden müssen.

Zweitens: Wenn wir davon ausgehen, dass Menschen früher oder später funktionieren müssen ungeachtet dessen, was sie brauchen oder was in ihnen lebt, ist das eine traurige Aussage über die Gesellschaft, in der wir leben. Das ist kein Grund, Kinder sicherheitshalber anzupassen (was ja auch nicht funktioniert, wie man an den vielen Kindern sieht, die in Schulen scheitern und vermutlich nicht alle unerzogen groß wurden). Es ist ein Grund dafür einzutreten, dass Kinderrechte gewahrt werden in dieser Gesellschaft.

3. Aber was ist mit meinen Bedürfnissen? Ich kann doch nicht immer nur tun, was mein Kind will?

Guter Punkt.

Hier kommt was Witziges: Die meisten Eltern, die aufhören zu erziehen, haben keine Ahnung, was überhaupt ihre Bedürfnisse SIND. Der Verzicht auf Erziehung bringt sie zu sich selber.

Unerzogen bedeutet also, mehr die eigenen Bedürfnisse und Möglichkeiten wahrzunehmen und weniger ‚man muss aber‘ zu leben.

Und die Idee, dass Bedürfnisse einander ausschließen, ist fatal. Sie stammt tief aus den finsteren Zeiten der Kindererziehung und hat die Idee des Kampfes noch in sich: Entweder das Kind trotzt mir ab, was es braucht, ODER ich gewinne und kriege, was ich will.

Wenn du daraus aussteigst, wartet eine Welt der Möglichkeiten. Es braucht am Anfang eine Weile, neu zu denken – und dann kommt es dir völlig verrückt vor, dass du jemals dachtest, auf das Kind zu hören und es mit einzubeziehen würde bedeuten, dass du weniger auf dich hörst.

Bedürfnisse wahrnehmen bedeutet nicht immer, dass sie erfüllt werden. Aber es bedeutet, einen friedlichen Umgang mit ihnen zu finden.

Diese Angst ist zutiefst verankert in unserer Kultur. Gehe sie langsam an. Gib, gib alles und spüre wie es dich nicht weniger reich macht. Lerne zu unden. Taste dich rein in das neue Leben.

4. Meine Kinder werden nur noch EINE Sache tun

Da gibt es die richtigen Beschäftigungen, die, bei denen das Kind lernt – und die, wo es dumm wird. Die, die schlecht sind und dick und doof machen und die, die schlau machen und bei denen die anderen Muddis mich geil finden.

Oder?

Nö. Lernen findet immer statt. Es braucht Voraussetzungen, die vielmehr in der psychischen Gesundheit und der Beziehungsqualität liegen als dass es pädagogisch wertvollen Input braucht.

Wenn ich nicht erziehe, gibt es keine Ausreden mehr: Ich muss mich dieser Angst stellen. Denn es gibt keine Gründe, mein Kind an die frische Luft zu zwingen oder es zum Fußballverein zu schleppen, die ich ernsthaft mit dem einzigen Fall, in dem Gewalt in der unerzogenen Philosophie zu rechtfertigen ist, übereinbringen kann: Schützende Gewalt.

Nee.

Es ist meine Angst, die das Fernsehen beäugt und das Bäume klettern nicht. Es ist meine Angst, die das Kind zwingen will, zu probieren.

Es ist die Idee vom maßlosen Kind, dass sich selbst schaden würde, wenn wir es lassen würden. Das tut es aber nicht. Natürlich nicht. Wer würde das denn tun, der_die in einem gesunden Geisteszustand ist?

Was tun, wenn ich Angst habe?

Gehe Schritt für Schritt. Informiere dich zu Themen. Sage nicht einfach ja, obwohl du Angst hast, sondern lasse Schrittchen für Schrittchen los.

Vertrauen muss wachsen dürfen. Schau dein Kind an – seine Kompetenz, seine Neugierde, seine Freude zu leben und zu lernen. Jeden Tag.

Es hilft, das eigene ‚Innere Kind‘ wiederzuentdecken und ihm deine Ängste vorzutragen. Und dann lacht ihr sie weg, dein perfektes Inneres Kind, das du einmal warst und das erzogene Ich, was du heute bist.