Automatischer Elternanrufbeantworter – Kennst du den?

Ich habe den Begriff mal bei Jesper Juul gelesen und liebe ihn. Dieses Gelaber, wenn wir einfach nicht bei uns sind und unsere Kinder und das, was sie eigentlich brauchen, nur halb hören.

‚Lass das, hör auf, immer machst du, nun ist Schluss…‘ unendlich erweiterbar. Gemecker. Genörgel. Schrecklich.

Unsere Prägungen, Ängste, die (unbewussten) Gedanken über das Leben und unsere Kinder drücken sich in ihnen aus. Nicht selten merken wir dann hinterher erst – verdammt, wieder rumgemeckert.

Dabei wollten wir es doch anders machen. Aber das scheint ganz schön schwer zu sein.

Woran das liegt? Na klar: An unserer Erziehung.

Deswegen sollten wir gar nicht erst den Fehler machen und unsere Kinder erziehen. Unsere eigene Erziehung hat die Stimmen, die auf uns einredeten, eingebrannt. Deswegen ist es absolut entscheidend, wie wir heute mit ihnen sprechen.

Unsere Worte an unsere Kinder, die wir heute sagen, werden morgen ihre innere Stimme. Wie soll sie klingen?

Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber mich motiviert der Gedanke, dass meine Kinder vielleicht eines Tages nicht mehr damit kämpfen müssen, Erziehung weiterzugeben.

So. Aber nun konkret. Wie kommst du aus der Meckerfalle?

1. Werde dir bewusst, was du tust

Die gefährlichsten Handlungen sind die, die auf unbewussten Gedanken und Ideen ruhen. Der Schritt ins Bewusstsein macht dich wieder zum_zur Herr_in im Gedankenhaus. Unbewusstheit ist die Wurzel allen Übels.

An Unbewusstheit kommen wir nur mit freundlicher, stetiger Achtsamkeit ran.

Und das ist mein Vorschlag:

Beobachte mal einen Tag lang, wann und was du meckerst. Ganz wichtig: Nicht mit dir schimpfen, nicht abwerten, nicht erziehen. Nur beobachten und interessiert wahrnehmen. Ganz freundlich. Ganz bewusst. ‚Aaaah, guck mal einer an, nun schimpf ich vor mich hin. Wie es wohl dazu kam?‘

Wenn du dich beim Meckern ertappst, mach dir irgendwo eine Notiz. Oder lege einen Stein von einer Hosentasche in die andere.

Kurz: Tue etwas Bewusstes. So lernt dein Gehirn, auf den ‚automatischen Elternanrufbeantworter‘ mit Bewusstsein zu reagieren.

Sei sanft mit dir – das kann ich gar nicht oft genug sagen. Erziehungsfrei leben heißt vor allem in Liebe mit sich selbst leben. Erst dann kannst du anderen deine Liebe so schenken, dass sie sie spüren können. Davon bin ich überzeugt.

2. Lasse dich auf dich ein

Du hast nun einige Zeit beobachtet, wann und warum du in die automatisierte Meckerschleife gerätst. Vielleicht hat sich dein Verhalten nun schon verändert – nur dadurch, dass du aufmerksam und achtsam wurdest.

Als nächsten Schritt versuche nun, die Meckersituationen zu verlangsamen und dich einzulassen auf dein Gefühl.

Verlangsamen bedeutet zunächst, der Versuchung zu widerstehen, auf eine Situation mit dem ersten Impuls zu reagieren.

Höre niemals auf den ersten Impuls! Er kommt aus deinen Prägungen und Verletzungen und ist tief verankert im ‚alten‘ Teil deines Gehirns.

Lass ihn ziehen. Guck ihn dir an, schweige und lass ihn ziehen. Er ist total okay, er hat seine Berechtigung und du hattest gute Gründe, eine solche Reaktion zu erlernen. Aber nun brauchst du ihn nicht mehr.

Besonders bei gewaltsamen, körperlichen Impulsen braucht das einige Übung. Bewährt hat sich da, ihn auf den eigenen Körper umzulenken und sich selbst zum Beispiel festzuhalten oder zu kneifen.

Bei Gedanken an gewaltsame Äußerungen hilft nur Zeit und Atmen und das innere Vertrauen – denn dafür hast du dich ja nun so fleißig beobachtet – auf deine Möglichkeiten zur Reflexion.

Nach dem Verlangsamen, für das sich manche Eltern auch sicherheitshalber ganz aus der Situation nehmen (wenn das möglich ist), kommt das Einlassen auf die Gefühle, die verhindert haben, dass ich in meinem Gefühl und im Moment sein konnte: Was hat mich abgehalten? Was für Gefühle sind da?

Wo stehe ich nun? Was fühle ich? Was tue ich gerade eigentlich und stimmt das mit dem überein, was ich für mich und mein Leben will?

Das Einlassen auf den Moment gelingt meiner Erfahrung nach vor allem gut, wenn es über den Körper geschieht.

Atemübungen und andere Achtsamkeitsübungen können dir helfen, in deinen Körper zu kommen. (das kann man übrigens lernen – zum Beispiel hier)

Spür in dich rein. Wo in deinem Körper spürst du die Energie? Hast du einen Knoten im Magen oder eher kribbelnde Hände? Wie fühlt sich das an?

Lass dir Zeit. Es mag sein, dass deine Kinder gerade auf deine Antwort warten – aber sie profitieren sicherlich auch davon, dass diese Antwort erst dann erfolgt, wenn du in Verbindung mit dir, deinem Körper und deinem Sein bist.

3. Programmiere dich um

Okay. Du hast es geschafft. Du hast den ersten Impuls freundlich weiterziehen lassen. Du hast geatmet und in dich reingehorcht.

Und nun?

Nun ist es Zeit, in Verbindung zu gehen.

Wenn du hier bei mir liest, unterstelle ich dir mal, dass du ähnliche Werte hast wie ich. Freude, Gewaltfreiheit, Vertrauen und Beziehung zum Beispiel.

Du hast dich beobachtet, wie der olle Automat anging. Du hast erlebt, wie du Verlangsamen und dich auf dich besinnen kannst.

Und nun kannst du aus deinem authentischen Ich in Beziehung gehen (keine Ausreden!). Orientiere dich dabei an deinen Werten; sie führen dich in Beziehung zu deinem Kind, dir selbst und deiner Umwelt.

Vor einiger Zeit schrie mich eines meiner Kinder an und warf ein Buch nach mir.

Ich zeterte los, schaffte es aber dann (man hörte quasi die Bremsen knirschen!), still zu werden und mich mir zuzuwenden. Puh. Atmen. Loslassen. In mich hören.

Da kam mir das Bild auf, wie meine Tochter das erste Mal in meinen Armen gelegen hatte. Wie ich sie sah und wie mein Kind seine Augen das erste Mal öffnete und mich ansah. Wie mir die Tränen gelaufen waren und wie ich ihr heillos verfiel.

Wie ich sie liebte.

Und aus diesem Impuls konnte ich antworten. Ich sagte ihr, dass ich mich erschrocken hatte und dass ich gerade müde sei. Und dass ich ihr helfen will. Ob sie eine Idee habe, was wir nun tun könnten.

Sie hatte eine.

Aber das ist dann eigentlich auch egal. Denn wir waren in Verbindung. Gemeinsam. Nicht gegeneinander.

Hast du auch ein solches Bild? Es kann auch ein Satz sein, ein Klang… Was auch immer. Etwas, was dich an eure Liebe und deine Verbundenheit zu diesem Kind erinnert.

Diese Momente zu wiederholen und immer wieder kreativ zu werden, polt langsam dein Gehirn um. Es lernt, auf Situationen, auf die es früher mit ‚Meckern‘ reagiert hat, nun mit Aufmerksamkeit, Behutsamkeit und Kreativität zu reagieren.

Versuch es mal! Es wird großartig. Versprochen.