So. Ich enthülle die eine geheime magische Formel.
Warum klappt das Leben mit nicht erzogenen Kindern so toll? Warum sind alle die, die mit dem Erziehen aufgehört haben, so verdammt happy? Und wie kommst du da auch hin?
Tatataaaa…! Jetzt kommts – das Geheimnis. Der Trick. Die To-Do-Liste für alle verzweifelten erziehenden Eltern.
Es gibt kein Rezept.
Sorry. Kleiner Scherz. Die Versuchung war zu groß. Natürlich gibt es keine Formel. Wie auch?! Es geht um Beziehungen, Liebe, Verbundenheit und all den Kram. Das gibt es nicht als Formel.
Es gibt kein Geheimnis. Du wirst nicht in 30 Sekunden unerzogen. Oder in 30 Tagen. Oder in 30 Jahren.
Du kannst dich nur bemühen, eine gewaltfreie, friedliche, liebevolle Haltung einzunehmen. Jeden verdammten Moment.
Es gibt keine Methode, keine Wunderwaffe, keine Vorgehensweise. Kein To-Do und kein ’so mache ich, dass mein Kind höflich, freundlich, glücklich und immer artig wird‘.
Es gibt kein Rezept!
Es gibt Liebe und Nähe und Lösungen. Und wie die aussehen, ist immer individuell. Ständig beantworte ich Fragen nach konkreten Vorgehensweisen mit ‚kommt drauf an‘.
Weil es darauf ankommt.
Auf die Verfassung der einzelnen. Auf die Rahmenbedingungen. Auf die Ideen. Auf die Ressourcen. Auf die Nerven.
Du willst wissen, wie du dein Kind morgens pünktlich in den Kindergarten bekommst?
Es kommt drauf an.
Wie viel Zeit steht zur Verfügung? Wie viele Erwachsene können helfen? Bist du ein Morgenmensch, kannst du morgens gut dein Kind auffangen? Wie geht es deinem Kind morgens? Wie flexibel sind eventuelle Arbeitszeiten? Wie flexibel ist der Kindergarten?
Und dann kannst du jeden Morgen neu eine gute Entscheidung treffen, die sich an euren Bedürfnissen orientiert. Und kreativ werden.
Warum klappt unerzogen nicht?
Erziehung ist Leben nach Rezept. Nicht umsonst reden wir bei Erziehung verdammt viel davon, was ‚funktioniert‘ und was nicht. Und nicht wenige Eltern, die zu wild und zu schnell alle Erziehung abstreifen und endlich ohne sie leben wollen, fragen irgendwann verzweifelt an, warum das denn nicht ‚klappt‘, wie sie das wollen.
Die Antwort ist einfach: Weil es nicht unerzogen ist.
Wenn du nicht mehr erziehst, damit dein Kind glücklich, stark und frei ist, ist das Erziehung. Denn du willst, dass es so wird, wie du das willst. Und nicht, wie es ist.
Wenn du nicht erziehst, damit dein Kind freundlich und höflich wird (vielleicht, weil du nicht erzogene Kinder kennst, die häufig mit auffällig viel Sozialkompetenz ausgestattet sind), erziehst du eben doch.
Egal, wie hehr deine Ziele sind. Es sind Ziele. Das ist Erziehung: Menschen zu formen, damit sie Zielen entsprechen (die in der Zukunft liegen).
Nicht mehr erziehen sollte eine einzige Motivation haben: Dem Kind gleichwürdig zu begegnen. Nicht ‚um zu‘, sondern, weil das sein Recht ist. Weil ein Kind – surprise! – auch ein Mensch ist und für ein Kind die gleichen Rechte gelten müssen wie für große Menschen.
Ein Recht auf Unglücklichsein ist dabei. Eines auf Geheimnisse. Eines auf Hilfe. Eines auf Gemeinschaft.
Prinzipien statt Methoden
Und nun?!
Du kannst also keinem Rezept folgen. Aber wenn du gerade anfängst mit dem unerzogen leben, dann geht es dir vielleicht wie mir damals. Du stehst da und denkst ‚Hä?! Was mache ich den DANN?‘
Wenn es keine Methode gibt, kein Rezept und keinen Output, ist das oft verwirrend für Eltern.
Und weil ich ja gerne für dich da bin und ne Weile Erfahrung habe mit dem Leben ohne Erziehung (habe ich schon erwähnt, wie verdammt schön das ist?!), hier mein Vorschlag:
Setze keine Methoden, sondern Prinzipien ein.
Sandra Dodd war es, die auf ihrer Seite ‚Radical Unschooling‘ den Vorschlag gemacht hat, statt in ‚Regeln‘ in ‚Prinzipien‘ zu denken. Und das macht, wie das meiste, was sie so schreibt, ziemlich viel Sinn.
Prinzipien sind moralische Ableitungen. Sie richten sich an Werten aus. Den Werten, die du leben willst.
Wenn du vorher die Methode hattest, dein Kind mit dem anschließenden Kauf eines LEGO-Baukastens zum Fußballtraining zu schleifen (denn man muss ja auch lernen, mal was durchzuhalten – diesen Blödsinn hat dir dein erzogenes Ich eingetrichtert), hast du nun Prinzipien, an denen du dich ausrichten kannst.
Das Prinzip zum Beispiel, dass der_die, der_die am meisten leidet, als erstes dran kommt. Oder das Prinzip, dass Selbstbestimmung vor Fremdbestimmung kommt. Oder das Prinzip, dass Hilfe immer geleistet wird, auch wenn sie nicht unbedingt nötig wäre (warum das sehr wohl nötig ist, siehst du hier).
Alles sehr schöne, empfehlenswerte Prinzipien, die auf die Werte Vertrauen und Liebe und Hilfsbereitschaft und Achtung hinweisen.
Alles sehr schöne, empfehlenswerte Werte, die in ein Leben ohne Erziehung führen.
Das zweite Prinzip wird es dir unmöglich machen, dein Kind weiter zu bestechen. Aber es könnte sein, dass dein Kind deine Hilfe einfordert, um weiter beim Training dabei bleiben zu können trotz Motivationshänger – da greift dann das dritte Prinzip.
Aber Obacht, auch hier gilt: Das ist kein Rezept. Das sind Ideen. Erfahrungen. Gedanken.
Bau dir dein eigenes Leben! Lass die blöden Regeln weg und lebe nach deinen Prinzipien und Werten. Das macht unheimlich zufrieden. Versprochen.
ich bin in einem extrem strengen Elternhaus aufgewachsen. Es gab wirklich für alles Regeln. Und meine Eltern setzten sie beinhart durch. Ich bin mit 17 von Zuhause ausgezogen und war total lebensunfähig. Ich wusste gar nicht was ich eigendlich will, denn mich hatte ja nie jemand gefragt. Ich hatte keine Hobbies, keine Wünsche, keine Ziele. Ich habe von Zuhause gelernt artig das zu machen was mir gesagt wird. Als ich ausgezogen war, sagte mir plötzlich niemand mehr was ich zu machen habe, und ich habe dann einfach nichts alleine hingekriegt. Ich habe etwa 10 Jahre gebraucht um mich halbwegs selber zu finden.
Wer seinen Kindern „befehle“ erteilt, erzieht sie zum Gehorchen. In der Welt hilft es einem aber nicht zu gehorchen, man muss ja seinen eigenen Weg finden, das geht nur wenn man sich selber gut kennt und wenn man weiß was man will.
Ich habe heute ein gutes Verhälltnis zu meinen Eltern, meine Kinder lasse ich so viel Freiheit wie es möglich ist. gerade auch der Beitrag mit dem Selbstbestimmten einschlafen hat mich sehr motiviert diesen Weg weiter zu gehen.
Liebe Lira,
ganz genau – Gehorsam macht sehr taub für die eigenen Bedürfnisse und das, was mensch wirklich will.
Schön, dass du da rausfinden konntest!
Grüße, Ruth
Bei uns herrschte noch Zucht und Ordnung. Und Es wurde das gemacht, was der Vater sagte. Widerrede gab es nicht. Wenn wir zu sehr über die Strenge geschlagen haben, gab es sogar einen Klaps auf den Po.
Aber wir leben heute alle noch und es hat uns weder geschadet, noch hat es uns umgebracht.
Bei uns gab es Regeln und wenn die nicht eingehalten wurden, hat es Ärger gegeben.
Also, da man keinen Ärger haben wollte, hat man sich an die Regeln gehalten und fertig.
Ich bin froh, dass ich streng erzogen wurde, das hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Und ich denke, dass ich mich im Umgang mit meinen Mitmenschen nicht zu schämen brauche, ganz im Gegenteil ich freue mich immer, wenn ich durch meine höfliche und zuvorkommende Art ein großes und sogar manchmal erstauntes Dankeschön ernte.
Liebe Chrissi,
ich freue mich, dass du mit den schmerzhaften Erfahrungen deiner Kindheit heute umgehen kannst und sie gut verarbeitet hast. Die meisten Kinder spüren, dass ihre Eltern sehr wohl gute Absichten in ihren Handlungen haben und spalten sich so nach und nach von den eigenen verletzten Gefühlen ab (das kann man schön in Arno Grüns ‚Der Wahnsinn der Normalität‘ nachlesen) und nehmen an, dass sich so eben Liebe anfühlen muss. Das führt dann zu Aussagen, wie du sie tätigst – dass es dir nicht geschadet habe.
Ich bin der tiefen Überzeugung, dass das anders ist, mag dir aber dein Empfinden natürlich nicht absprechen.
Höflich und zuvorkommend sind viele nicht erzogene Kinder, die ich kenne, auch. Sie zeichnen sich durch außerordentliche Sozialkompetenz aus, in meiner Erfahrung, und sehr viel Selbstbewusstsein.
Alles Liebe, Ruth
Ich hatte auch eine sehr strenge Erziehung vor allem mein Vater war sehr streng und hat Dinge gemacht, die sich tief in mein Bewußtsein gebrannt haben.. Ich weiß noch wie ich mit drei den hosenboden versohlt bekam, weil ich gelogen hatte und man das eben so macht mit Kindern die lügen.. Oder das generell erwartet wurde, dass ich zu gehorchen hatte, Entscheidungen wurden einfach nicht mit mir sondern generell über meinen Kopf hinweg getroffen, auch der Ton glich oft der einer Kaserne.. Heute hab ich keinen Kontakt mehr zu ihnen und trotzdem kommen so lange verdrängte Bilder und Gefühle an die Oberfläche und der Groll, ist oft noch da..
Deswegen mache ich es anders und mein großer, zweieinhalb, ist zwar sehr wild und frei und oft fällt es mir schwer nicht zu erziehen aber dann sehe ich wieder wie toll und besonders er ist und dass er keine angst hat, vor nichts und niemandem und wie selbstständig und dann sind die Zweifel wider verschwunden. Ich glaube da sind wir auf nem guten weg, er ist zwar ein totales Papakind seit der kleine Bruder auf der Welt ist, aber das ist ok. Mein Opa war sehr gütig zu uns Kindern und hat nicht erzogen und ich halte ihn bis heute sehr hoch und als großes Vorbild. So ein gefühl möchte ich für meine Kinder als Erinnerung an mich..