Mein Sohn zieht seine Socken nicht selber an.
Im Ernst. Es ist zum Verzweifeln. Er hasst Socken. Sie vertüddeln sich um seinen Fuß, sagt er. Und dann zieht er sie nicht an und kräht nach mir. Jeden. Tag.
Dabei kann er die sehr wohl anziehen. Hab ich schon gesehen – war ein Notfall, glaub ich. Dringendes Fußballspiel oder ein Handbruch meinerseits. Oder so.
Denn normalerweise ziehe ich ihm seine Socken an. Immer. Und ab und zu krieg ich die Krise.
Kennste? Kennste sicher.
Helfen – warum brauchen wir das?
Kinder lieben es, umsorgt zu werden. Manche mehr, manche weniger. Umsorgen und helfen ist eine der ‚Sprachen der Liebe‘, wie es Gary Chapman in Die 5 Sprachen der Liebe für Kinder: Wie Kinder Liebe ausdrücken und empfangen
ausdrückt.
Und für manche Kinder ist sie besonders wichtig.
Es fühlt sich nach Liebe an, wenn uns geholfen wird. Es fühlt sich nach Verbundenheit an, wenn ein anderer Mensch das übernimmt, was wir selber nicht machen können oder wollen.
Viele Eltern fürchten, dass sie, wenn sie ihren Kindern helfen, dem Kind den Weg in die Selbständigkeit verbauen. Dieses Denken kommt noch aus den finsteren Zeiten, als Eltern überzeugt waren, ‚verwöhnen‘ wäre so ziemlich das Schlimmste, was man einem Kind antun kann. Härte, Disziplin und der Zwang zur (scheinbaren) Selbständigkeit waren lange integraler Bestandteil der Kindererziehung – bis heute.
Dabei ist das, mal unter uns, einfach nur Unfug. Selbständigkeit ist Ziel allen Lernens und Lernen tun Kinder immer. Immer. Immer.
Du kannst nicht verhindern, dass es läuft. Du kannst nicht verhindern, dass es spricht. Du kannst nicht verhindern, dass es eines Tages seine Socken selber anziehen wird.
Zu glauben, bei einem gesunden Menschen wäre das möglich, grenzt an Wahnsinn. Das ist echte, irrationale, ungefilterte Angst. Mehr nicht.
Entspann dich also. Ich verspreche, dass du deinem 20jährigen Kind kein Brot mehr schmieren und auch nicht mehr die heruntergefallenen Dinge aufheben wirst.
Na gut. Vielleicht schon. Vielleicht hast du bis dahin nämlich gelernt, aufzuhören, ein Opfer zu sein.
Du hast richtig gelesen.
‚Ich bin doch nicht deine Dienerin!‘
In der Idee, Kindern nicht zu helfen, weil sie ja xy schon selber können, steckt nicht selten der Gedanke ‚Ich bin doch nicht dein Diener‘. Es ist der Gedanke, Opfer zu sein. Keine Wahl zu haben.
Stimmt nicht. Kinder kommen hilflos auf unsere Welt. Sie sind abhängig von uns. Ihnen zu dienen, also zu helfen, das zu erreichen, was sie aufgrund körperlicher, geistiger und emotionaler Unreife (noch) nicht allein erreichen können, ist unsere Aufgabe. Dafür sind wir mit ungleich mehr Macht ausgestattet.
Wir sind also sehr wohl ihre Diener. Im allerbesten Sinne.
Und das ist auch nicht schlimm. Im Gegenteil. Zu dienen ist ein Ausdruck großer Liebe. Zu dienen ist Demut und Hingabe und beides dient wiederum unserer eigenen Seele.
Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber wenn mir Sachen herunterfallen, ich etwas vergesse oder meine Wäsche schon wieder kreuz und quer rumliegt, bin ich total froh, wenn ein geliebter Mensch mir hilft. Ich komme nicht auf die Idee, der_die andere müsse das nun immer tun.
Ich freue mich dann und fühle mich geliebt und umsorgt.
Nicht umsonst gibt es eine boomende Hotel- und Wellnessindustrie. Sie bedienen eben dieses Bedürfnis, umsorgt und verwöhnt zu werden.
Verwöhnen negativ konnotieren – das tun wir nur bei Kindern. Warum?
Lass solche Gedanken nicht zwischen dich und deine Kinder. Mich macht es immer wieder fassungslos, wie erbittert Eltern mit ihren Kindern um Hilfe und das Verweigern von Hilfe streiten.
Oft steckt tiefe Verletzung dahinter.
Kein Zweijähriges, das etwas fallen lässt, ist der Überzeugung, seine Mutter sei wertlos und Dienerin. Es liebt seine Mutter, wie alle Kinder, abgöttisch. Und glaubt alles, was sie an Bildern transportiert – auch unbewusst.
Hör auf, dich wie ein Opfer zu verhalten. Schau dir deine Gedanken an und deine Wunden, aber lass dein Kind in Ruhe. Eine Beratung kann helfen, wenn der Schmerz zu überwältigend wird.
Die Verweigerung von Hilfe und ihre Folgen
Kindern Hilfe zu verweigern, wenn sie sie haben wollen, führt vielleicht zur Selbständigkeit, ja. Aber es führt auch dazu, dass sie sich allein fühlen. Heraus kommen Erwachsene, die keine Hilfe annehmen können und jedes Gefühl der Hilflosigkeit vermeiden.
Helfen ist großartige soziale Kooperation. Schenk sie deinen Kindern. Leb sie ihnen vor.
Viele Eltern rechnen außerdem auf – ich habe schon so oft geholfen, nun muss mein Kind aber auch mal. Lass das. Es tut nur weh. Es gibt Phasen im Leben, da braucht ein Mensch viel Hilfe. Und meist sind das die, in denen er auch nicht mehr freundlich darum bitten kann, sondern in Not ist.
Wenn dein Kind also etwas fallen lässt, hebe es einfach auf. Auch wenn es dabei unfreundlich ist. Freundlich zu einem freundlichen Kind sein, ist einfach. Liebe zu zeigen, auch wenn sich das Gegenüber von seiner unfreundlichen, bedürftigen Seite zeigt, das ist bedingungslos. Das ist Geborgenheit. Das ist die Kunst.
Hör auf zu kämpfen. Sie schulden dir nichts. Es sind deine Kinder und sie brauchen deine Liebe. Bedingungslos und nicht nur dann, wenn sie sich selber anziehen, ihr Zimmer aufräumen und den Müll runterbringen.
Kaum etwas war befreiender im Umgang mit meinen Kindern für mich, als aufzuhören, mit ihnen zu kämpfen. Denn wer Recht haben will, kann keine liebevollen Beziehungen haben. Und Beziehung ist mir hundertmal wichtiger als die zehnte Socke, die mein Sohn nicht anziehen will.
Ich räume meinen Kindern hinterher, solange ich das will und sie das brauchen. Und ich genieße es.
Den Kampf ist es einfach nicht wert.
Danke für diesen wunderbaren Text… Ja, auch ich mache einiges für oder auch mit meinen Kindern und sie mit oder für mich. Auch wenn sie schon 11 und 17 sind. Es ist einfach wundervolle gemeinsame Zeit, die durch nichts zu ersetzen ist. 🙂
Liebe Claudia,
oh ja, das ist sie!
Grüße, Ruth
So hab ich das noch nie gesehen. Vielen Dank!!Wieder was Wundervolles gelernt
Klingt alles logisch, aber ich frage mich woher deine Erkenntnis kommt, dass daraus Erwachsene entstehen, die keine Hilfe annehmen. Gibt es da Studien? Oder ist es deine Annahme?
Liebe Barbara,
das ist meine Erfahrung aus der Arbeit mit Eltern – nicht selten können sie selber nur schwer Hilfe annehmen. Wenn wir uns dann diesem Problem nähern, tauchen immer Erfahrungen aus der eigenen Kindheit mit Hilflosigkeit auf.
Arno Grün z.B. hat ebenfalls dazu geschrieben und ähnliche Beobachtungen geschildert.
Liebe Grüße, Ruth
Liebe Barbara, Liebe Ruth.
Ich weiß nicht, ob es Studien darüber gibt, aber wenn, dann stelle ich mich gerne zur Verfügung, um als Erwachsener Mensch genau das zu bestätigen was Ruth geschrieben hat. Mir wurde mit großer Absicht nie geholfen, um mich selbstständig zu machen und es hat sich immer wie Liebesentzug angefühlt. Auch die Auswirkungen kann ich bestätigen, wenn es auch wieder weniger wird, wenn man es reflektieren kann. Aber das dauert 🙂 Ich mache es deswegen bei meinen Kindern bisher genau so wie oben gefordert, doch so schön wie Ruth es begründet, habe ich es noch nicht gehört. Danke Ruth!
Liebe Isa,
danke, dass du deine Geschichte und deine Gedanken dazu teilst!
Grüße, Ruth
Bei mir ist es auch so, dass ich andere Kinder so beneidet hab, weil sie ihr Schulbrot o.ä. nicht selbst schmieren mussten (ja, meine Mutter war Alleinerziehend mit 2 Kindern, aber das entschuldigt nicht, wie ich mich gefühlt habe). Ich hatte oft das Gefühl, geben und nehmen würde abgewogen und habe oft das Gefühl gehabt, ich bekomme nicht Liebe im Überfluss, sondern in begrenztem Maße, da ich oft erst etwas dafür tun musste. Alles immerhin nicht bewusst und böswillig, sondern mangels besserem Wissen und aufgrund widriger Umstände.
Liebe Rachel,
ja, ich glaube, dieses Gefühl haben viele erlebt. Das ist die Kunst der bedingungslosen Liebe…
Danke für das Teilen deiner Erfahrungen!
Grüße, Ruth
Mir geht es eher so, dass ich zwar Hilfe annehmen kann, mich aber wertlos und klein fühle, wenn ich um diese bitten muss. Als hätte ich mich nur besser anstellen müssen, um nicht in die Hilfesuchende Situation geraten zu müssen. Ich bekomme im Oktober eine Tochter und ich bin froh, den Artikel gefunden zu haben.
Hallo,
Vielen Dank für diesen wundervollen Artikel. Auch ich bin eine der Erwachsenen, die nicht um Hilfe bitten oder annehmen kann und will vermeiden, dass es meiner Tochter mal genauso geht! Ich finde es so inspirierend, wenn ich lese, dass es doch noch mehr Menschen gibt, die an das Gute in uns glauben. Rs gelingt mir zwar leider viel zu selten, in manchen Situationen ruhig zu bleiben, aber mit jedem so toller Artikel wird es besser, also vielen Dank nochmals!!!
Gabriele
Also das kommt sehr auf die eigenen und individuellen resilienzfaktoren an.
Ich finde es sehr fahrlässig soetwas zu behaupten und das dann als gegeben hinzustellen.
Kinder brauchen Nähe und liebe, niemanden der Ihnen alles abnimmt. Irgendwie ist hier vieles fehlinterpretiert.
Aber ich nehme an, du hast nicht mehr als 2 Kinder, sonst könntest du das gar nicht schreiben, weil du nur mit aufräumen beschäftigt wärst 😉
Ich habe drei Kinder und ich räume eher selten auf. Es geht, genau, um Liebe und Nähe und die drückt sich eben in Handlung gegenüber dem Kind aus. Nicht in Gefühlen (dazu habe ich mehr geschrieben) sondern in konkret fühlbaren Handlungen erfüllen sich Bedürfnisse.
Ruth
Ich finde es auch schön, wenn man seine Kinder unterstützt. Dennoch sollte man einen Unterschied zwischen kleinen bedürftigen Kindern und großen Kindern machen. Irgendwo hört es aber auf, nämlich dann wenn man sich ausgenutzt fühlt und sich täglich darüber aufregen muss, weil das Zimmer aussieht wie ein Schlachtfeld. Mir kommt es immer so vor, als wenn nur ich dieses unaufgeräumte Zimmer sehe. Die Kinder aber darüber hinweg schauen. Manchmal könnte ich heulen, wenn ich sehe, dass da offene Wasserflaschen, eingetrocknete Müslischüsseln stehen und frage mich, ob das wirklich sein muss, dass immer ich der Trottel bin, der darauf hinweisen muss.
Liebe Silke, du schreibst es selber – du kommst dir so vor. Die Gedanken entstehen halt und mit denen kannst du arbeiten. Nur weil ein Kind groß ist und etwas KANN bedeutet das aber nicht dass es das tun muss damit du deine Gedanken nicht mehr hast.
Grüße, Ruth
Wie schön du das schreibst. Danke. An das Herz hören,das ist der richtige Ratgeber.Aber immer im Herzen zu sein ist echt Arbeit.Da ist der Kopf mit den alten Konditionierungen schneller.
Liebe Petra,
oh ja, das kenne ich gut. Da hilft nur Übung, Übung, Übung. Und ganz viel Selbstliebe und Nachsicht…
Liebe Grüße!
Ruth
Danke für den schönen Text! Ich teile Deine Gedanken und habe den Artikel deswegen auch gleich auf Facebook gepostet.
Liebe Maike,
super, danke für den Support und den lieben Kommentar!
Ruth
Danke für das Ende der Kriegszeit in meinem Haus.
Liebe Ruth! Ich kenne deinen Artikel, seit du ihn geschrieben hast und bin dir für diesen (wie auch für die vielen anderen) so dankbar.
Gerade habe ich meine Kinder von einem Besuch bei meinen Eltern abgeholt. Dann ist es oft so, dass mein ältester 7 Jahre er möchte, dass nur ich ihm die Schuhe anziehe, ihm etwas vorlese usw. Auch heute hat er mich gebeten eine Flasche für ihn zu öffnen. Mein Vater war direkt neben ihm u wollte es machen, mein Sohn bestand aber darauf, dass ich es mache. Für mich kein Problem. Meine Mutter hingegen regte sich sehr darüber auf, wenn ich nicht da sei, gebe es keine Probleme, sobald ich aber komme schon, sie erkennt darin ein negatives Muster, weil es immer gleich abläuft… ich sehe im Verhalten meines Sohnes den Wunsch nach einem beziehungsmoment. Mehr nicht. Meine Mutter hat es aber natürlich geschafft mich zu verunsichern, übersehe ich was? Spielt er ein Spiel? Ist daran was nicht normal?
Und deshalb danke. Das erste was ich zu Hause gemacht habe, war diesen Artikel zu suchen, zu lesen und mich selbst darin zu bestärken, meinem Kind diese kleinen Hilfestellungen nicht zu verwehren. Deine Klarheit hilft mir sehr u ich mache das sehr oft, alte Artikel suchen, um mich im Nebel meiner eigenen Erziehung wieder klarer zu sehen!
Alles Liebe
Monika
Oh Monika. Danke. Danke, dass du das teilst. Genau dafür sind wir hier da.
– Ruth
Wenn man Kindern unangenehme Dinge, die sie eigentlich schon selbst können oder eben mühevoll üben müssen, bis es fluppt, ständig abnimmt, tut man ihnen keinen Gefallen, man erzieht sie tatsächlich zur Unselbständigkeit. Heutzutage können die wenigsten GrundschülerInnen zum Beispiel noch Schnürsenkel binden, ich wette das lernen viele nie mehr…Und die zunehmende Anspruchshaltung von diesen kleinen NarzistInnen, von vorn bis hinten bedient zu werden, ist auch sehr unangenehm. Das hat wirklich mit Verwöhnen im verpönten Sinn zu tun, das sich negativ auf die Persönlichkeit auswirkt. Hilfe zur Selbsthilfe ist dagegen etwas anderes, da differenziert der Artikel meiner Ansicht nach nicht genug. Es braucht viel Hilfestellung von Erwachsenen, bis ein Kind selbständig Schnürsenkel binden kann, da ist es einfacher, es eben schnell selbst zu machen. Oder auch schnell die ungeliebten Socken anzuziehen, statt es auszuhalten, dass das Kind „Terror“ macht, weil sie sich vertüdeln und dann geduldig zu zeigen, wie man sie hält, dass der Fuß richtig reinschlüpfen kann. Statt dessen lassen Sie sich meinem Eindruck nach von ihrem Sohn in dem Sockenbeispiel tatsächlich zur Dienstleisterin degradieren, die eigentlich genervt ist. Auch wenn sie die Opferhaltung weit von sich weisen, wenn sie ihren Kindern hinterherräumen und dienen als „Demut“ und Liebe glorifizieren, macht es sie doch wütend, oder? Gefühle und eigene Bedürfnisse kann man nicht auf Dauer verdrängen, ohne damit sich selbst und den eigenen Kindern zu schaden…
Liebe Johanna,
das ist eben der ganz schmale Grad zwischen Erziehung und Nichterziehung: Helfe ich, DAMIT mein Kind zu etwas wird (in diesem Fall selbständiger)? Das ist Erziehung und signalisiert gleichzeitig: So, wie du bist, bist du nicht okay.
Helfe ich hingegen, weil ich kann und will (! Ganz wichtig), ist das Primat bei der Beziehung.
Es macht mich keinesfalls wütend, meinem Kind die Socken anzuziehen und ich bin absolut überzeugt und habe es an vielen nicht erzogenen Kindern schon erlebt, dass diese Kinder nicht nur irgendwann selber ihre Socken anziehen sondern dabei noch besonders hilfsbereit und sozial werden – OHNE dass dieses Verhalten das Ziel der Übung war (das wäre wieder Erziehung).
Genervt wäre ich, wenn ich selber mich als Dienstleisterin und damit als Opfer meines Kindes sehen würde. Das wiederum schadet nicht selten der Beziehung weil es, wie du es schon schreibst, zu Aggressionen führt. Das aufzulösen ist allein Verantwortung der Eltern.
Egoman_innen sind keine Menschen, die zu viel Liebe und Miteinander erlebt haben, sondern zu wenig. Zu helfen KANN eine Form der Beziehungspflege sein. Solange Hilfe nicht als manipulatives Mittel genutzt sondern aus Liebe geschenkt wird (ganz grollfrei), führt sie meiner tiefen Überzeugung und Erfahrung nach nicht zu ‚egomanem‘, also zutiefst unsicherem und aggressivem Verhalten. Dieses Verhalten hat sicher andere Ursachen.
Liebe Grüße, Ruth
Liebe Johanna,
diese Wette würdest du verlieren? 😉
Ich meine, Schnürsenkel binden ist keine Kernphysik. Warum sollte das ein 8- oder 34-Jähriger nicht ohne Weiteres lernen können? Also rein theoretisch, wenn man da draufschaut, sieht man doch, dass die Behauptung „das lernen die nie“ keinerlei Grundlage hat. Es gibt auch keine Grundlage für das „Schnürsenkelbinden-Lernfenster im Grundschulalter“, was sich ab der 5. Klasse schließt und niiiiieee wieder öffnet.
Praktisch habe ich es sogar selbst erlebt. Mein Sohn trug bis knapp zu seinem 14. Geburtstag nur Schuhe mit Klettverschluß. Dann standen neue Schuhe an, im Schuhladen suchte er sich welche mit Schnürsenkeln aus. Ich habs ihm an Ort und Stelle gezeigt, wie es geht, er hat es ein-, zweimal nachgemacht und voila … Schnürsenkelbindenlernen *check* Innerhalb weniger Minuten, ohne Drama, lange Vorlaufzeit, Kind nerven usw. Er brauchte diese Fertigkeit vorher nicht und als er sie brauchte, war er bereit sie ruckzuck zu lernen.
Ähnliche Erfahrungen habe ich mit Schwimmenlernen und anderen Dingen bei meinen Kindern erlebt. Ohne Frust wird schnell gelernt, was zu dem Zeitpunkt gewollt ist. Da braucht es dann keine ewigen „Hilfestellungen durch Erwachsene“ (die sie nur geben müssen, weil sie für andere entschieden haben, das wäre jetzt dran …) oder Frustration auf seiten der Kinder, weil es nicht klappen will etc.
Hallo, ich finde das Kinder die Terror machen und darauf bestehen, dass ihnen geholfen wird das auch oft aus dem Grund tun um Aufmerksamkeit und umsorgt werden zu erleben und zu bekommen! Warum sollte man seinem Kind das verweigern? Ein ganz großes Problem ist das man seine eigenen Bedürfnisse in manchen Momenten einfach in den Vordergrund stellt, weil man genervt ist oder jetzt auch mal nicht will, anstatt zu versuchen sich in den anderen hinein zu versetzen! Letzteres gilt übrigens nicht nur für Kinder! Lg
Liebe Ines,
deswegen hat unerzogen der Erfahrung nach unheimlich viel mit Selbstempathie und Selbstliebe zu tun!
Grüße, Ruth
Zum einen: „Sie schulden dir nichts. Es sind deine Kinder und sie brauchen deine Liebe. Bedingungslos […] “
Danke für diesen Satz Ruth <3 daraus mache ich mir ein Poster!!!
Zum anderen: darüber denke ich auch grade ganz viel nach, seit ich wieder als "Erziehrin" in sehr erziehender Kita arbeite..(siehe facebook Gruppe) was die Kinder da alles können sollen müssen. Auweia! Ich denk mir immer, aber WARUM müssen die das denn jetzt schon können? Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, in meiner Kindheit ausdauernd geübt zu haben, wie ich mit einem Lappen den Tisch abwischen, OHNE dass dabei Krümel vom Tisch runterfallen. Trotzdem behaupte ich, dass ich das heute nahezu perfekt kann. Weil ich mich selber so gern herausfordere, dass kein Krümel runterfällt und ich mich nicht bücken muss 😉 oder wie das Bespiel von Vina mit den Schnürsenkeln…
In der Kita jetzt darf den Kindern nicht beim anziehen geholfen werden. (Die sind anderthalb!!!!!!!) denn, "die können das alleine!" :-/ ich finde das so traurig. Was lebe ich denn da vor? Ich könnte dir zwar helfen aber ich mach s nicht weil du es selber kannst? Und wenn ich die älteren Kinder bitte, mir zu helfen, rate was die zu mir sagen? Richtig, "nö, das kannst du alleine machen!" Bekloppt. So so so bekloppt.
Danke für den Post <3
Ich würde meinem Sohn nie die Hilfe verweigern. Oo
Er kann zbsp nicht sehr sicher Treppen laufen. Und wenn er dann sagt Mama Hand, dann geb ich sie ihm auch.
Er hat es als autist sowieso schon schwer im Leben, dann mach ich es ihm nicht noch schwerer. 🙂
Ich habe den Text von Ruth mit großer Freude gelesen. Damals, als mein Großer (26J) noch klein war, habe ich zu seinem Schulanfang eine sehr miese erziehende Zeit gehabt. Schnell war ich genervt und ärgerlich, wenn morgens nicht alles schnell genug ging, wenn er mittags seine Schultasche mitten im Flur liegen ließ und seine Jacke nicht auf den Haken hängte. Ich fand mich selber so schrecklich, dass ich mir die Zeit nahm, in mich rein zu gucken. Von jetzt auf gleich habe ich entschieden, dass ich keine zänkische fiese Mutter sein will und dass es gerade jetzt, mit dieser großen Veränderung zum Schulanfang für mein Kind offensichtlich wichtig ist, dass ich für meinen Ordnungssinn die Verantwortung übernehme. So habe ich angefangen Tasche und Jacke wegzuräumen. Morgens habe ich so früh geweckt, dass wir nicht mehr unter Zeitdruck kamen. Später, bei unserem jetzt 18- Jährigen, habe ich die Erfahrung mit den Socken gemacht, die Ruth beschreibt. Und trotz aller, die um mich herum fanden, dass „Socken selber anziehen“ ein wichtiges Erziehungsziel sei, habe ich ihm geholfen. Darüber freue ich mich heute noch, wenn ich lese, was Ruth schreibt, dass ich mich damals für meine liebende, unterstützende Fürsorge entschieden habe und nicht unnötig rumerzogen habe. Kleines Beispiel: Viele Jahre habe ich nach dem Bad unseres Jüngsten sein Handtuch aufgehängt, wenn ich ins Bad kam. Oft habe ich gedacht, in meinem früheren Modus würde ich ihn jetzt wütend rufen und auffordern, gefälligst seine Handtücher aufzuhängen. Jedesmal habe ich mit innerer Freude über mich selber, die Handtücher aufgehängt. So habe ich es auch mit seiner Schmutzwäsche im Zimmer gehalten. Jeden Morgen bei Wecken habe ich die Sachen aufgehoben und in den Wäschekorb geworfen. Jahrelang. Einfach so! Bis ich eines Tages bemerkte, dass ich schon seit längerem keine Handtücher mehr aufgehoben hatte, sie aber schön aufgehängt an Ort und Stelle zu finden waren. Auch die Schmutzwäsche liegt seit Längerem nicht mehr im Zimmer verstreut, sondern im Wäschekorb. Als ich das bemerkte, habe ich mich gefreut, dass ich mein eigenes Gezeter vermieden habe. Über die Jahrzehnte habe ich mich immer wieder dafür entschieden, ihnen nicht meinen Ordnungssinn aufzuzwingen und siehe da, sie entscheiden sich als (junge) Erwachsene für ihre eigene Ordnung und sorgen selber gut für sich.
Vielen Dank für den interessanten Post und die Antworten darauf.
Liebe Beate,
danke für diesen herzerwärmenden Kommentar. Ich denke auch – wir werden nie zurückschauen und sagen ‚hätte ich doch härter durchgegriffen, wäre ich doch weniger in Beziehung gewesen!‘
Wunderbar zu lesen.
Grüße, Ruth
DANKE! <3 das hat gerade gut getan… 🙂
Schnürsenkel ?! Meine Tochter ist jetzt 18, ich glaub mit 17 hat Sie angefangen „richtige“ Schleifen zu machen, bis dahin halt Hasenohrschleifen oder gar nicht ( man kommt ja auch so raus und rein)…was solls 😉
Ansonsten hatte sie wohl andere Prioritäten…Sie hat ein 1,0 Abitur hingelegt und wir Chemie studieren…übrigens ohne das ich sie einmal an Hausaufgaben erinnert hätte oder mit ihr gelernt…und ob sie ihr Zimmer aufräumt-heute-morgen-egal.Ich weiß dass sie es tun wird, wenn sie der Meinung ist—also Bälle flach halten -Kinder genießen 🙂
Liebe Kat,
wahre Worte – Kinder genießen ist das Wichtigste!
Danke! Ruth
Hallo. Sehr gut geschrieben, hilft mir viel weiter. Bin immer so verwirrt wie ich oft reagieren soll. Aber eine Frage hätte ich da: Habe gelesen, dass man Kindern nicht immer bei alles helfen soll sondern sie selber machen lassen soll, erfahrungen machen lassen. Also nicht immer alles abnehmen oder so. Mein Sohn ist jetzt 1 geworden und ich helfe ihm immer gern. Er kann noch nicht alleine gehen aber ich helfe ihm gern wenn er wo hin kommen will also biete ihm die hand an. Oder wenn er sich z.b. auf sein hüpfpferd raufsetzten will gehe ich helfen. Ist das aber nicht zu viel eingreifen in sein erforschen und probieren. Ich kann aber nicht sitzen und zusehen wie er kämpft und umkippt. Ich helfe immer und heute hat er es alleine geschafft aber mama steht dort und hilft falls es wackelig wird. 🙂 Da kommen mir aber sofort gedanken wie: er soll es alleine üben und erfahrung machen dass er umkippt und vorsichtig sein muss. Das ist blödsinn oder? Ich bin so oft durcheinander was jetzt gut und was schlecht ist.
Hallo Alex,
danke danke danke für diesen Kommentar! Mir geht es mit meinem Sohn ganz genauso. Er ist jetzt knapp elf Monate und ich möchte so gerne ohne diese gewaltvolle Erziehung auskommen. Als Alleinerziehende ist das so schwer. Ich komme kaum zum essen, von putzen und aufräumen ganz zu schweigen; und trotzdem kann ich nicht zusehen, wenn mein kleiner Mann am anderen Ende des Zimmers herumwackelt (er lernt gerade laufen). Ich lege dann mein Brot wieder hin, gehe zu ihm und passe auf, dass er nicht fällt. So habe ich es auch gemacht, als er gelernt hat, sich hochzuziehen und er hat es ganz fix gelernt. Und trotzdem war ich unsicher und dachte oft, ich stehle ihm wertvolle Erfahrungen. Im übrigen lese ich viel und gern in diesem Blog. Er ist eine wirkliche Bereicherung. Dennoch fehlen mir gelegentlich einige „Fakten“ zur unerzogenen Lebensweise mit Kindern. Beispielsweise wird oft betont, man könne von kleinen Kinder vieles nicht erwarten. Zum Beispiel kann ein einjähriger nicht wissen, dass es mir weh tut, wenn er mich beißt. Ab wann beim Kind aber bestimmt Fähigkeiten vorhanden sind, wird nicht beschrieben. Also habe ich mir ein Buch über kinderentwicklung gekauft und es nachgeschlagen, wenn ich unsicher war. Ich könnte mir vorstellen, dass es für viele Eltern, mich eigentlich eingeschlossen 😉 zu viel ist, sich so etwas auch noch anzulesen, wo es doch hier im Blog bestimmt auch einen guten Platz hätte. Ich bin weitschweifig geworden, Entschuldigung!
Ich verstehe auch zum Beispiel nicht, warum man hingefallenen Kindern nicht hoch helfen soll (ist doch nichts passiert. Sie schafft das schon allein). Ich freue mich doch auch, wenn man mir eine Hand reicht zum Aufstehen.
Toller Text ?
Aber wie ist das denn in einer Großfamilie zu schaffen? Ich schaff das nicht allen vier Kindern alles hinterher zu tragen und alles weg zu räumen. Ausserdem habe ich schon das Gefühl, dass mehr auf Ordnung geschaut wird, wenn jeder seinen Beitrag dazu leisten MUSS und nicht nur Mama dafür zuständig ist. Natürlich ich könnte mehr Nachtschichten einlegen. Meist bin ich dann aber am nächsten Tag auch unausgeschlafen und ebenfalls nicht so geduldig. Eine Lösung für dieses Dilema??
nein aber kommt mir bekannt vor… ich stoße schon bei zwei Kindern (allein mit beiden!) und Arbeit an meine Grenzen… ja, wenn ich das „durchziehe“, wie ich es mal versuchte, dann schlafe ich höchstens noch zwischen 2 und 5 Uhr, und das halte ich nicht durch… Wenn ich allein anfange alles aufzuräumen, wenn beide schlafen… aber ich glaube, darum geht es auch nicht. Klar muss jeder mal was machen – aber machen sie oft auch gern, wenn sie die Regeln mit festlegen dürfen. Es geht – so versteh ich es – eher darum, MAL was einfach zu übernehmen, nicht immer darauf zu bestehen, dass ALLES selbst gemacht wird… Ich kann das auch nicht IMMER! Ich versuche es, wannimmer es mir möglich ist… mehr kann ich nicht…
Danke!
❤
Vielen lieben Dank für diesen Beitrag. Er kam genau richtig gestern/heute, auch wenn er letztes Jahr im Mai verfasst wurde.
Hier mein Beitrag und nochmal vielen Dank
https://impressionsoflifesite.wordpress.com/2017/08/21/ueber-kooperation-deeskalation-und-wenn-mama-in-der-nacht-einfach-nur-heulen-will/
Liebe Grüsse
Alex
Mein Sohn will unbedingt und immer Socken anziehen. Auch in Sandalen. 😉
Dem Grundtenor deines Artikels stimme ich vorbehaltlos zu: Es ist einfach Liebe zu geben, wenn wir auf Liebe stoßen. Liebevoll zu bleiben, wenn das Kind auf Konfrontation geht, ist die Kunst. Wir üben uns darin. Täglich.
Liebe Ruth,
Vielen Dank für diesen wunderbaren Bericht – tatsächlich denke ich da ähnlich wie Du. Allerdings habe ich beim Lesen gerade festgestellt, dass ich diese Gedanken auch einmal auf meinen Mann übertragen sollte – denn klar verlange ich von meiner 3 jährigen noch nicht so viel, bei ihm jedoch bringt es mich auf die Palme, wenn er mich am Ende des Tages fragt, ob ich ihm vllt auch ein Brot für die Arbeit belegen kann, wenn ich für die Kleine gerade die Brotzeitbox packe.
Das hilft mir, ihm mit mehr Liebe zu begegnen und nicht angepisst zu sein, weil ich DAS AUCH NOCH machen soll.
Herzliche Grüße
Sabrina
Ach wie schön, Sabrina! Ja, es geht eigentlich nie um die Sache an sich.
Grüße, Ruth
Liebe Ruth, ich bin ganz gerührt von deinem Text und er spricht mir absolut aus dem tiefsten Inneren. Du schreibst toll!! Lieben Dank dafür. Jenny
Ich danke dir!
Ich sehe es ganz genauso. Ich würde den Text sofort unterschreiben. Und doch… Ich KANN das nicht immer. Ich habe eine fast 10jährigen Sohn und eine kleine einjährige Tochter, bin allein mit beiden, gehe arbeiten… Ich weiß um die Probleme meines Sohnes, ich weiß, er will mich nicht ärgern, ich weiß, er ist verzweifelt – ich weiß, er schreit nach Hilfe wenn er nach mehr Liebe schreit – aber ES GEHT NICHT. Wenn ich um 8h15 eine wichtige Telefonkonferenz habe, die Kleine vorher wegbringen muss, und er sich den ganzen Morgen schreiend und drohend und wütend weigert, sich anzuziehen, zu frühstücken (ja, ich mache ihm sein Frühstück und würde auch gern MIT IHM frühstücken aber das torpediert er auch, um sich nachher zu beschweren, er hätte allein essen MÜSSEN), er dann, wenn ich los will, schreit JETZT soll ich ihm noch anziehen helfen, etc., dann kann ich das DANN nicht! Ich helfe gern immer, wenn es geht, aber manchmal – vor allem morgens – GEHT ES NICHT. Er muss sich anziehen. Er muss los zur Schule. ICH MUSS LOS. Wenn ich ihm nachmittags und abends mehr Zeit anbiete, weil ich weiß, er bräuchte das, hat er „keinen Bock“ und will mit seinen Freunden raus und später lesen… Morgens schreit er dann „ich brauche auch mal eine Mama“…. es ist wie verhext… ja er ist eh auch in Therapie, ich will nur sagen: Grundsätzlich JA zu alldem, aber es gibt Momente, da geht es gerade JETZT einfach nicht… da kann ich halt gerade nicht… (und nix mit früher aufstehen, wir könnten um 3h aufstehen, er stellt sich quer bis nix mehr geht)…
Oh je, wie anstrengend! Was mir hilft, um in der Verantwortung zu bleiben ist, mir klarzumachen, dass ICH ENTSCHEIDE. Nicht ich muss, es geht nicht etc. Sondern ICH WILL DAS. Und das ist erstmal sehr unangenehm und dann befreiend. Die systemischen Umstände sind in vielen Familien absolut heftig – aber nicht dein Kind ist falsch oder der Termin oder du. Du entscheidest das, hast gute Gründe – und es ist in dem Moment für dein Kind schrecklich. Das anzuerkennen ist der erste Schritt.
Grüße, Ruth
Oh und eigentlich ist er ein ganz wundervoller Junge! Sehr sensibel, einfühlsam, kümmert sich, macht sich große Gedanken um die Welt, er ist wirklich wundervoll! Das liest sich jetzt so, als würde ich ihn an den Pranger stellen, will ich gar nicht, er ist toll, ich liebe ihn abgöttisch! Aber wenn er sowohl bestimmten will WAS ich ihm helfen soll als auch WANN dann geht das in der Kombination nicht immer…
Danke für diesen Artikel. Auch wenn wir Zuhause eher die Verantwortung für gemeinschaftliche Aufgaben auf alle, gemäß ihren Fähigkeiten, übertragen und es mir wichtig ist, dass wir als Familie aufeinander Rücksicht nehmen und ich auch immer schaue wo meine Grenzen als Mensch sind, hat es doch nochmal einen anderen Blickwinkel gebracht. Konkret heißt das, dass ich schon von meiner 12 jährigen Tochter verlange, ihr Schulbrot selbst zu schmieren (ebenso wie von meinem Mann) und dass ich meinem 5 jährigen Sohn beibringe den Hintern nach der Toilette selbst zu säubern, weil ich einfach keine Lust mehr dazu habe und denke, dass es schon wesentlich ist dies in der Schule zu können ? Ich verlange auch, dass jeder seinen Teller weg räumt und abends in den Gemeinschaftsräumen aufgeräumt wird. Dazu stehe ich auch, aber ich freue mich auch, wenn mein Mann mir abends einen Tee kocht und mir das bügeln oder saugen abnimmt, wenn ich müde oder erschöpft bin. Ich merke auch, dass das zetern über die hingeschmissenen Jacken und Schuhe über Jahre! nichts verändert und dass man vielleicht auch den Aufwand relativieren sollte den es macht das eben selbst wegzuräumen. Ich werde auf jeden Fall genauer hinschauen, wo ich wirklich das Gefühl habe Unterstützung verlangen zu wollen (und für mein Wohlbefinden auch zu müssen) und wo es übertriebene Muster sind und ich meinen drei Kindern dann mit Liebe und Freude den Gefallen tue und zukünftig vielleicht zweimal darüber nachdenken bevor ich eine Bitte ausschlage. Es stimmt, es ist längst nicht alles überverwöhnen und die Sorge, dass versnobte, unselbständige Kinder entstehen, kann man beiseite schieben. Ich glaube, dies passiert nur, wenn man als Elternteil die eigenen Grenzen nicht kennt und überschreiten lässt und dem Kind gleichzeitig Freiräume nimmt, sich selbst zu erfahren, weil man zu ängstlich ist. Es ist doch immer wieder interessant zu sehen, welchen Mustern und Überzeugungen wir unterliegen und dass es im Grunde immer mehrere Wahrheiten gibt.
Wir pflegen mit unseren Kindern eine bedürfnisorientierte Beziehung. Wir holen uns von verschiedenen Quellen Infos, wie wir das auch im Alltag umsetzen und versuchen so gut es geht unser Handeln zu reflektieren. Allerdings haben meine Frau und ich eine Diskussion zu diesem Artikel geführt. Hier eine Aussage welche von mir kam und welche ich hier gerne zur Debatte stellen möchte:
„Okey, ich habe nur einfach keine Lust für mein Kind die Dinge zu machen, von denen ich weiß, dass sie/er sie selber kann. Nicht weil ich mich dann als Opfer sehe oder so. Nein, ich habe nur einfach keine Lust. Der Artikel befiehlt mir aber, dass ich das machen muss. Nicht nur das. Er sagt ich soll es auch „lieben“. Und wenn ich das nicht tue hab ich einen an der Klatsche.“
Das ist jetzt sehr weit runter gebrochen. Allerdings beschreibt es ziemlich genau das, was ich zu diesem Artikel empfinde.
Jetzt hab ich extra nach einem Monat nochmal reingeschaut welche Antworten auf Karims Kommentar kamen – keine einzige, ok… Mir geht es nämlich ähnlich.
Viele Dinge leuchten mir ein und wie Linda schrieb, das tägliche Zetern um die hingeschmissenen Jacken lohnt sich nicht – ja, das ist mein tägliches Brot. Ich versuche einige Punkte umzusetzen und es macht unser Familienleben definitiv besser. Wir sind schon seit der Geburt des Ältesten grundsätzlich bedürfnisorientiert unterwegs. Ich helfe meinen Kindern liebevoll und habe keine Sorge sie zu verwöhnen oder so.
Aber wenn ich den gesamten Tag ausschließlich Dinge für die anderen Familienmitglieder tue, und dann wenn alle schlafen und ich auch schlafen sollte, mein Hobby betreibe weil sonst keine Zeit bleibt und ich sonst das Gefühl habe, überhaupt nicht mehr als „ich“ zu existieren, dann stimmt was nicht. Wie Karim schreibt, ich. habe. keine. Lust.
Ich habe zwei Kinder, Mann, zwei Jobs, Haus und Garten. Und ich „muss“ des Nachts Textildesign machen weil der Wille dazu stärker ist als der Wille zu schlafen. Ich fühle mich nicht als Opfer, ich könnte ja schlafen gehen. Aber wenn der Rest der Familie relaxed durch den Alltag geht und jeder tut worauf er Lust hat, während ich ihnen hinterherräume, mich bemühe Bedürfnisse zu erraten, und ich soll das genießen und dauerhaft auf die Dinge verzichten auf die ich Lust habe, ist für mich etwas nicht im Lot.
Mir ist schon klar dass z.B. der Wunsch nach Hilfe beim Anziehen oft ein Bedürfnis nach körperlicher Nähe und „Streicheleinheiten“ ist. Das verweigere ich natürlich nicht. Aber Dinge von früh bis spät einfach fallen zu lassen wo man grade steht weil man sie im Moment nicht mehr braucht, in Folge das Haus in ein Schlachtfeld zu verwandeln, nichts mehr zu finden und von Mama zu verlangen die gewünschten Dinge JETZT im Chaos ausfindig zu machen, das kann ich nicht liebevoll genießen.
Ich will meinen Kindern vermitteln dass ein Zusammenleben immer aus Geben und Nehmen besteht. Dabei spreche ich natürlich nicht von Babys oder Zweijährigen, klar dass die nicht Dinge runterwerfen weil sie Mama als Dienerin betrachten.
Ehrlich gesagt, von Aussagen wie „hör auf dich wie ein Opfer zu fühlen“ und „dann such dir eben Beratung“ fühle ich mich angegriffen.
Davon abgesehen ist „das kann ich schon selber Mama, nicht helfen“ bei uns hoch im Kurs, und das ist toll, da warte ich gerne auch wenn das selber machen doppelt so lange dauert.
Das Problem ist, dass es so verbreitet ist, diese Idee: Dass Kinder helfen müssen damit sie irgendwann sozial werden (was nicht korrekt ist) und dass wir das verlangen müssten damit es uns besser geht. Letzteres ist die Opferhaltung, die es uns und den Kindern schwer macht. Ich bin ein Fan von Konflikten und Verhandlungen – aber eben kein Fan davon, andere zu Handlungen zu zwingen/überreden/manipulieren, die einen schmerzhaften Gedanken von mir (‚das Haus ist ein Schlachtfeld… von früh bis spät‘) entschärfen, den das Kind nicht zu verantworten hat.
Liebe Ruth
Herzlichen Dank für deinen Artikel!
Es tut einfach gut so etwas lesen zu können und sich bestätigt zu wissen!
Danke!!!!
Danke dir!
Danke für deinen Artikel.
Zum Thema aufräumen, habe ich mal (bei dir?) gelesen, dass es ja mein Bedürfnis nach Ordnung ist, das ich mir erfülle. Ich tue mir also eigentlich etwas Gutes! Diesen Aspekt finde ich ganz spannend. Meine 10-jährige Tocher erfüllt sich dieses Bedürfnis auch regelmäßig (wenn auch nicht in meinem Rhythmus). Mein Sohn (6) inzwischen auch manchmal.
Ganz weg vom erziehen komme ich aber auch nicht, wenn die Diskrepanz zu groß wird, gemeinsame Räume ständig verwüstet werden…