Beschleunigung.

Eines der zentralen Probleme unserer Gesellschaft – und damit unserer Beziehung zu Kindern – ist Beschleunigung.

Kapitalistische Gesellschaften leben und zehren von der Dynamisierung der Prozesse – zur Stabilisierung der Demokratie braucht es mehr Wahrheit (ob sie dann noch wahr ist, ist egal), zur Stabilisierung von Wirtschaft braucht es mehr Wachstum und vielem mehr,  wie der Soziologe Hartmut Rosa sagt:

 

Diese Diagnose ist schon alt.

Beschleunigung und Leistung als Problem, die zur Verdinglichung von Objekten führt, ist als philosophisches, lebensweltliches, technisches, moralisches und psychologisches Problem bekannt.

Die Wirtschaft hat als erste eine Antwort gefunden: Postwachstum. Die Psychologie folgte mit der Entkoppelung von Arbeits- und Wellnesswelten, in denen Achtsamkeit und Leben im Jetzt zum trendigen abrufbaren Resonanzerlebnis werden.

Denn das ist unsere Antwort, die Antwort, die auch Rosa gibt, in seinem Buch Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung: Es muss ein neues Weltverhältnis geben können, um die Kehrseiten beschleunigten Wachstums (Umweltzerstörung, Obsoleszenz, Burnoutepidemien) in den Griff zu bekommen.

Was ist Resonanz, was meint er damit?

  1. Ein Erleben, das nicht geplant und nicht planbar ist. Es ist nicht zu verdinglichen.
  2. Etwas, was zwischen dem Ich und der Welt stattfindet. Es ist nicht Konsonanz (ich bin mit allem einverstanden) und auch nicht Dissonanz (ich lehne alles ab), sondern das Einschwingen auf etwas, was zwischen mir und dem Fremden dann entsteht, wenn ich es als Fremdes anerkennen kann.
  3. Es hat Vulnerabilität zur Voraussetzung – das liegt in der Natur der Unplanbarkeit.
  4. Es braucht Zeit, also bewusste Entschleunigung.

Wenn wir also ein Leben führen wollen, dass von Sinn erfüllt ist, brauchen wir Resonanz – die Transformation durch das Erleben des anderen.

Was hat das alles mit Kinderbegleitung zu tun?

All diese Dinge, die Rosa beschreibt, sind der Abkehr von Erziehung gleich. Es ist eine Abkehr von der Verdinglichung und Kontrolle des Gegenübers, egal, wie freundlich sie gemeint sein mag. Es ist das Einlassen auf das Fremde im anderen, der Mut sich zu zeigen.

Entschleunigung der Beziehung kann uns ein konkreter Ansatz sein. Wenn du dich fragst – wo fange ich an, wenn ich aufhöre, mein Kind als Objekt zu begreifen, das zu formen meine Aufgabe ist und wie beginne ich, es als echtes Gegenüber zu begreifen – fang damit an, es zu entschleunigen. Atme und warte und fühle, dass alles, was du und dein Kind in jedem Moment brauchen, schon da ist. In euch.

Konzepte töten Beziehungen. Atme und lass sie ziehen. Sieh dein Kind als das Wunder an, was es ist, nimm wahr, dass es fremd ist, nicht du. Das ist okay. Neugierig sein auf die Perspektive anderer bedeutet auch immer. sich klar zu machen, dass sie niemals meine sein kann.
Diesen Respekt seinem Kind zu zollen kann zu wunderbaren Resonanzerlebnissen führen. Einlassen, zuhören und das Wissen, dass weder der Kampf und die Ablehnung noch die totale Zustimmung zu allem wirklich Transformation bringen kann, ist ein guter Anfang.

Fang an.