Sie weint, ich kann es am Telefon hören. “Aber” sagt die Mutter, mit der ich gerade spreche “warum funktionieren diese Tipps denn nicht?!”
Etwas, was sich seit Monaten in meinen Gesprächen mit Eltern durchzieht, ist genau diese Szene: Eltern, die eine Methode ausprobiert haben und einem der grossen tollen Influencer-Channel gefolgt sind (jajaja komm, du weisst doch wen ich meine) und dann Kurs gemacht oder Bücher gelesen haben. Und dann verzweifeln weil das nicht erreicht, was sie wollen.
Das liegt übrigens daran, dass es gar nicht funktionieren KANN mit Methoden liebevoll zu begleiten. Wenn ich einem Kind mit Methoden begegne, KANN das nicht liebevoll sein. (hier hab ich zum Thema funktionieren geschrieben).
Ich hab an verschiedenen Stellen schon Stress gemacht in Sachen Eltern-Methoden und ich glaube, es ist klar, was ich davon halte. Aber das Ding ist, am Ende bist du mündige Verbraucher*in und kannst reagieren. Und so leicht es ist (und korrekt mE) auf die billigen Methoden und die Angstmache loszugehen, die da passieren – ich möchte DICH heute in die Verantwortung nehmen.
Was willst du eigentlich?!
Erstmal müssen wir darüber reden, wie du dich fucking selbst verrätst wenn du diesem Müll folgst. Mir ist egal wie NETT die Leute sind, die da Methoden propagieren. Wenn du gute Beziehung willst widerspricht sich das fundamental mit deinem Vorgehen.
Du willst, dass dein Kind dir vertraut? Dass ihr miteinander reden könnt? Dass du ein liebevoller Elternteil bist und kreative Ideen hast?
Geil. Das ist halt aber nicht erreicht mit “sag diese 5 Sätze wenn dein Kind sauer ist”.
Versteh mich nicht falsch. Wenn du NIE ein nettes Wort gehört hast als du sauer warst als Kind FEHLEN dir Methoden. Und klar kann es voll Sinn machen, sich da Ideen zu holen. Dafür finde ich die Gewaltfreie Kommunikation zum Beispiel echt cool – als Idee und Formulierungshilfe. Aber sie endet halt SOFORT in ihren Kompetenzen wenn es um die Komplexität von Beziehung geht: Kulturelle Prägung, gesellschaftliches Umfeld, deine Geschichte, das Temperament deines Kindes. Dafür helfen keine Formulierungen, weil das viel zu viele Faktoren sind, die kein mensch abbilden kann (was ÜBRIGENS bedeutet, dass die Formulierungen, die da vorgeschlagen sind, sich auf weisse, reiche Eltern aus deutschem Kulturhintergrund bezieht und alle anderen ignoriert und huch Schreck, mit denen lässt sich am meisten Kohle verdienen ABER EGAL).
Pädagogik ist die Instruktion zur Unterdrückung
Wenn wir Pädagogik anschauen, dann ist ihre Funktion historisch nicht gewesen, Kinder zu begleiten, sondern gefügig zu machen. Ihre Geschichte ist tief verwoben mit der Industrialisierung und der Formung der Arbeiterklasse (Mehr dazu in meinem Buch).
Selbst die alternative Pädagogik der letzten hundert Jahre ist immer nur der Versuch gewesen, INNERHALB der Unterdrückung Räume zu schaffen, die weniger gewaltvoll sind, anstatt die Gewalt zu adressieren, die in Pädagogik selbst inhärent ist. Erst mit der Antipädagogik ist diese Bewegung das erste Mal zumindest in der akademischen Welt gemacht worden, aber nie verbreitet und anwendbar durch alle Gesellschaftsschichten etabliert. Wir hier arbeiten daran, dass das anders wird.
Pädagogische Konzepte können dir also nicht helfen, deine Elternschaft besser zu gestalten, weil sie die Prämisse der Pädagogik selbst nicht hinterfragen: Dürfen wir Menschen formen und zu welchem Ziel?
Wie dein Denken verkümmert
Und nun sind wir im Zeitalter der schnellen Informationen angekommen und der schnellen Dopaminschübe. Ein Tipp hier, eine Idee da – wir haben gute Hinweise darauf, dass die Schnelligkeit der Information es dir schwer macht, tieferen Gedankengängen zu folgen.
Das betrifft deine Elternschaft ganz wesentlich. Und zwar so: Instant Gratification für Beziehungen funktioniert nicht. Das GEHT nicht. Beziehungen sind gewoben, langsam, aus vielen kleinen Interaktionen, aus Fehlern und Vergeben, Verlässlichkeit und Nachgiebigkeit und vor allem nicht in grossen Momenten, sondern in vielen kleinen sehr unperfekten Momenten.
Wenn du nicht mit deiner Elternschaft zufrieden bist, braucht es nicht die grosse tolle Idee sondern viele kleine und vor allem, dass du dein Wissen über Kinder updatest und NACHDENKST. I know, sehr altmodisch. Aber ich kenne mich aus. Ich begleite mit dem Kompass seit 10 Jahren Menschen auf diesem Weg und niemand ist durch einen Tipp plötzlich ganz toll Eltern geworden.
Es hilft, zu denken. Deine Elternschaft bekommt die Tiefe, die du willst, durch die Klarheit über deine Motive.




