“Konsequenzen” sind Strafen

Jun 17, 2024 | Podcast | 2 Kommentare

In diesem Artikel widmen wir uns einem heiß diskutierten Thema in der friedvollen Elternschaft: den Konsequenzen an Kindern.

Dazu habe ich eine klare Meinung: 
Ich glaube, dass wir bei Konsequenzen grundsätzlich Strafen meinen. 
Es ist so selten, dass Eltern tatsächlich eine nuancierte Debatte über Konsequenzen führen; normalerweise ist es ein nettes Wort für Strafe.


Das kann zum Beispiel sein: 

  • Dein Kind hat gesagt, dass es um 22 Uhr zu Hause ist und um 23 Uhr war es immer noch nicht daheim. Als Konsequenz darf es nächste Woche nicht mehr ausgehen. 
  • Dein kleines Kind fährt wild mit seinem Roller durch die Wohnung, was die Nachbarn stört. Obwohl du es ermahnt hast, fährt es weiter. Also nimmst du ihm den Roller weg, bis es auf deine Ermahnung hört. 

Unseren Kindern Dinge wegzunehmen oder etwas anderes für sie zu entscheiden, ist eine Strafe, weil es darum geht, das Verhalten des Kindes zu beeinflussen. 

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Strafen oder Formen der Gewalt?

Gewalt ist eine Form der Kommunikation, bei der es darum geht, die andere Person möglichst effektiv in ihrem Verhalten zu beeinflussen. Kommunikationstheoretisch ist Gewalt eine extrem effektive Art und Weise der Kommunikation.

Wenn es darum geht, dass sich das Verhalten des Gegenübers verändert und wir es mit Mitteln beeinflussen, so handelt es sich grundsätzlich um Gewalt.

Es ist eine sehr umstrittene Definition von Gewalt. Strafen sind jedoch eine Variante davon. Wenn das Kind etwas macht oder nicht macht, folgt eine für das Kind unangenehme Sache, sodass das Kind sein Verhalten in Zukunft ändert. 

Diese Sache muss also so unerwünscht und unangenehm sein, dass das Kind sein Verhalten ändern wird.

Manipulation fällt dabei ebenfalls unter Gewalt: Oft findet Manipulation zwar nicht so offensichtlich statt, aber sie ist in der Pädagogik weit verbreitet. Sie klingt sanfter als eine Strafe, aber im Grunde geht es um das Gleiche: Am Ende soll das Verhalten des Kindes verändert werden.

Das Problem mit Strafen in der Erziehung

Zugegebenermaßen ist es teilweise erwünscht und angemessen, dass sich das Verhalten des Kindes verändert – zum Beispiel beim Arzt, wenn wir eine Kooperation möchten und das Kind ruhig bleiben soll, wenn es eine Impfung bekommt. 

Das ist dann eine Form von Gewalt, die man auch als solche benennen darf. Wir sollten keine so große Angst vor Gewalt haben, da sie in bestimmten Fällen eine angemessene Kommunikationsstrategie sein kann. 

Die Angst vor Gewalt führt nur dazu, dass wir Euphemismen anwenden, was uns wieder zu den Konsequenzen führt:

Konsequenzen dienen meist als Euphemismus dafür, dass wir Strafen vermeiden und unsere Handlungen nicht mehr als solche bezeichnen wollen. Schließlich möchten wir nicht zugeben, dass wir gewaltvoll sind.

Verantwortung in der friedvollen Elternschaft übernehmen

Es ist meiner Meinung nach fair, zu äußern: „Mir ist egal, wie das Kind sich gerade fühlt. Ich will, dass es gehorcht!“.

Ich persönlich mache das so und neulich beim Impfen mit meinen Kindern habe ich ihnen gesagt: „Es ist mir egal, ob du das willst oder nicht. Ich habe das für dich entschieden und nun machen wir das so gut wie möglich. Ich unterstütze dich und bin für dich da, aber ich muss das jetzt durchsetzen auch, wenn es sich kacke anfühlt”. 

Echte Konsequenzen verstehen

Echte Konsequenzen muss man sich weder ausdenken noch benennen. Sie passieren einfach. Ein klassisches Beispiel wäre, dass das Kind morgens den Pullover nicht anziehen möchte und dann vielleicht draußen friert.

Konsequenzen sind nicht steuerbar und liegen außerhalb unseres Einflussbereichs. Das können übrigens auch unsere persönlichen Gefühle sein. Wenn uns unser Teenager versprochen hat, um 22 Uhr zurück zu Hause zu sein und dann um diese Zeit nicht daheim ist, kann es sein, dass wir uns das nächste Mal unwohl fühlen oder Angst haben, wenn es wieder ausgeht. 

Konsequenzen können wir also nicht beeinflussen und sie sind nicht jeden Tag gleich.

Fragen, die du dir in Bezug auf Konsequenzen stellen kannst:

  • Wie sorge ich dafür, dass es in der Zukunft anders läuft? 
  • Gab es ein Missverständnis? 
  • Wie kam es dazu und kann es künftig verhindert werden? 


Die Antworten darauf sind keine Konsequenzen, sondern Maßnahmen, die du ergreifen kannst  – und wenn dein Kind alt genug ist, könnt ihr diese gemeinsam im Gespräch entwickeln.

Bei kleineren Kindern können wir nicht in den Dialog gehen, sondern wir müssen die Bedürfnisse betrachten. Der Fokus geht dabei weg vom Verhalten des Kindes und richtet sich darauf, was hinter dem Verhalten des Kindes steckt. Das ist die Grundlage von friedvoller Elternschaft: Wir betrachten, was hinter dem Verhalten steht und suchen nach kreativen Lösungen. 

Unser Hauptziel ist es, ein Ergebnis zu finden, mit dem es allen Beteiligten gut geht. Manchmal mag das nach strafenden Maßnahmen aussehen, aber das ist eine Frage der inneren Haltung.

Meine Erfahrung ist:
Immer, wenn Eltern über Konsequenzen reden, meinen sie Strafen. Denn über Konsequenzen muss man nicht reden, weil sie einfach passieren. Konsequenzen sind Strafen, die wir sanft verpacken und dadurch schwieriger zu durchschauen machen als offensichtliche Gewalt am Kind.

Lass uns ehrlich werden!

2 Kommentare

  1. Ich lese aus dem Kontext heraus, dass „abstrakte“ Strafen schlecht seien. Es wird allerdings nicht erklärt, warum das so sein sollte.

    Das ganze Erwachsenenleben basiert auf abstrakten Strafen.
    Zu schnell gefahren? Strafzettel!
    Erwischt wurden beim Müll in die Umwelt werfen? Strafgebühr!
    Mehrfach in einem Laden was kaputtgemacht? Hausverbot!
    Was geklaut? Strafzahlung!
    Schwere Körperverletzung? Gefängnisstrafe!
    Der Polizei widersetzt? Gummiknüppel und Handschellen!

    Unser ganzes Leben basiert auf abstrakten Strafen, die nicht einfach nur physikalisch-logische Konsequenzen sind. Warum soll man Kinder da nicht drauf vorbereiten? Streng genommen basieren nicht nur Strafen, sondern unser gesamtes Leben auf abstrakten Konsequenzen, alleine schon deshlab, weil alles mit Geld abgegolten wird, egal ob Essen gekauft, Dienstleistungen erworben oder Arbeitsleistung erbracht werden.

    Und selbstverständlich will ich das Verhalten meines Kindes ändern! Ich will, dass es nicht haut, seinen Müll in den Mülleimer wirft, gerne teilt, nicht grundlos laut rumschreit. Wenn es irgendwas davon tut, dann will ich sofort(!), dass dieses Verhalten aufhört.

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  2. Ein interessanter Artikel. Vielen Dank dafür. LG Steffi

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