Heute geht es um gewaltfreie Kommunikation mit Kindern.
Die gewaltfreie Kommunikation ist die Grundlage meiner Arbeit und sie hat mir unglaubliche Hilfe geleistet, speziell darin, meine Bedürfnisse und meine Gefühle zu benennen und zu fühlen und sie überhaupt in den Mittelpunkt einer Kommunikation zu stellen. Ich habe gelernt, dass ich nicht davon ausgehen kann, dass andere automatisch wissen, was ich meine, und dass nicht die Sachlage mein Problem ist, sondern die dahinterstehenden Bedürfnisse und Gefühle. Das hat mir eine ganze Welt eröffnet.
Trotzdem sehe ich Kritikpunkte!
Die Grundannahmen, dass jede menschliche Interaktion und jede menschliche Handlung ein Versuch ist, Bedürfnisse zu erfüllen, ist einer der wichtigsten Pfeiler unserer Arbeit hier beim Kompass und unseres Denkens über junge Menschen bzw insgesamt über Menschen.
Das ist aber nichts, was die gewaltfreie Kommunikation erfunden hat. Ich finde nur, dass Marshall Rosenberg es in seiner Arbeit ganz besonders prägnant und leicht verständlich formuliert hat.
Dem zugrunde liegt das humanistische Menschenbild, was sich sowohl in der Philosophie als auch in der Psychologie schon seit einiger Zeit findet. Marshall Rosenberg hat sich das genommen, runtergebrochen auf relativ einfache Schritte und diese als gewaltfreie Kommunikation betitelt.
Die gewaltfreie Kommunikation hat mit ihren vier Schritten auch ein relativ einfaches Instrument geschaffen, was einem helfen kann, wenn man – wie ich – nie gelernt hat, über Gefühle zu sprechen, sie auszudrücken und Bedürfnisse zu finden.
Meine Kritik an der gewaltfreien Kommunikation knüpft nicht an dieser Stelle an. Ich sehe ihren Wert und ich sehe die Idee dahinter und ich halte sie nach wie vor für unglaublich wichtig. Meine Kritik an der gewaltfreien Kommunikation liegt vor allem in der Methodik, die genutzt wird.
Ich schließe hier übrigens inhaltlich an einen Artikel an, den ich vor kurzem im unerzogen Magazin gelesen habe, in dem es vor allem darum geht, dass gewaltfreie Kommunikation sehr privilegienblind ist.
Gewaltfreie Kommunikation setzt extrem viel voraus.
Zum Beispiel, dass ich die richtigen Worte habe und den sprachlichen Zugang zu meinen Gefühlen und Bedürfnissen. Oder dass ich überhaupt gehört, wahrgenommen und ernstgenommen werde, was nicht zwingend in meiner Hand liegt. Bestimmte Bedürfnisse werden in der ursprünglichen Literatur der gewaltfreien Kommunikation gar nicht erst genannt, weil sie nicht im Mittelpunkt der nunmal sehr weißen und eurozentristischen Theorie stehen.
Ich kann mich Raffi Marhabas Kritik nur anschließen. Ich finde sie sehr, sehr hilfreich und passend und sie hat mir in meinen Gedanken geholfen.
Meine Kritik in Bezug auf die gewaltfreien Kommunikation im Umgang mit Kindern ist noch eine andere, knüpft aber nahtlos an diesen sehr empfehlenswerten Artikel an.
1. Bitten in der gewaltfreien Kommunikation mit Kindern
Der vierte Schritt in der gewaltfreien Kommunikation ist die Bitte. Im Umgang mit Kindern wird das gerne vergessen und die Idee ist weit verbreitet, dass dieser vierte Schritt, die Bitte, wenn es um Kinder geht, auch als Befehl verstanden werden kann. Hochproblematisch!
Ich habe Jahre in verschiedenen Foren und Gruppen zum Thema gewaltfreie Kommunikation verbracht, um mehr darüber zu lernen und dort – wie ich eingangs schon sagte – sehr viel Wunderbares gelernt. Eine Sache, die mir ganz besonders aufgefallen ist, ist die Aussage:
Eine Bitte ist eine Bitte!
Die GfK versteht sich als offene Kommunikation und eine Bitte ist immer offen.
Ich sage einer Person: „Dies und das fühle ich, jenes und welches brauche ich. Und ich bitte dich, diese Sache zu tun, um mir zu helfen, mein Bedürfnis zu erfüllen.“ Dann steht es dieser Person frei, nein zu sagen.
Rosenberg selber war da völlig unmissverständlich und ich finde es sehr schade, wie das insgesamt verwässert wurde. Aber in Bezug auf Kinder ist ja auch noch die Verantwortung andersrum:
Das Kind hat keinerlei Verantwortung dafür, dass unsere Bitten Gfk-like erfüllt werden, sondern wir als Eltern haben die Verantwortung für unser Kind und dessen Wohlergehen.
Zusätzlich ist die Idee extrem verbreitet, eins müsse nur „bitte“ im Befehl unterbringen und schwupps würde er zu einer Bitte. Ja, ein Bitte hört sich vielleicht nett an, aber wenn das Kind keine Wahl hat, bleibt es ein Befehl. Gewaltfreie Kommunikation kann unsere Überlegenheit in der Möglichkeit uns sprachlich auszudrücken, hier absolut brutal ausnutzen.
Ich glaube, eine der furchtbarsten Erscheinungen, die ich in der gewaltfreien Kommunikation gesehen habe, ist das, was mein Sohn immer „leise gemein“ genannt hat, als er klein war und noch mit Pädagog*innen zu tun hatte. Damit meinte er dieses freundliche Sprechen und am Ende hat das Kind keine Wahl. Zum Beispiel: „Kannst du das bitte bleiben lassen?“ Oder: „Kannst du das bitte anders machen?“ Aber das sind keine Bitten, da ist kein Gegenüber. Ich hab die richtigen Worte gewählt, aber am Ende gebe ich dir deine Würde nicht und du hast keine Wahl, nein zu sagen.
Pseudobitten sind ein riesiges Problem in der Anwendung der gewaltfreien Kommunikation mit Kindern.
Und ganz ehrlich: Da finde ich diese vier Schritte überhaupt nicht hilfreich. Wenn ich mich an ihnen entlang hangele, nach einem Muster handele, von dem ich glaube, es sei ausreichend, es zu erfüllen, um gewaltfrei zu sein, dann übernehme ich ja noch nicht mal die Verantwortung für die Gewalt, die ich ausübe, wenn ich einer Person keine Wahl lasse.
Wenn ich sage: „Karl-Friedrich, könntest du bitte deine Sachen aufräumen?“ Und dann wird Karl-Friedrich freundlich lächelnd dazu gezwungen, ist das Gewalt. Und dann kommt noch erschwerend hinzu, weil wir es mit einem Kind zu tun haben, dass Karl-Friedrich die Gewalt noch nicht einmal identifizieren kann. Das nennt sich Double Bind oder Doppelbotschaft. Es ist mir tausend Mal lieber, du sagst: „Karl-Friedrich, du hast keine Wahl, du räumst jetzt deinen Scheiß auf!“ Aber das klingt dann natürlich nicht so schick, wie „man“ das angeblich macht in der gewaltfreien Kommunikation.
Die wortwörtliche Interpretation ist hier meines Erachtens das Problem. Die Methode ist das Problem. Die dahinterstehende Haltung wird nicht mehr transportiert, wenn am Ende mein Gegenüber vollkommen entwürdigt wird.
2. Überlegenheit in der gewaltfreien Kommunikation mit Kindern
Die gewaltfreie Kommunikation setzt ein sehr hohes Level an Verständnis, Formulierungsmöglichkeiten und Kommunikation voraus. Kinder müssen das alles aber noch lernen, sie brauchen noch Zeit, um zu lernen, wie man Dinge formuliert und wie man schick kommuniziert.
Ich finde, dass wir nicht genug darüber sprechen, was diese Überlegenheit in der Formulierung von Erwachsenen gegenüber Kindern macht.
Wenn sich ein Kleinkind brüllend auf den Boden wirft, messen wir dem, weil wir eben in einer adultistischen Gesellschaft leben, oft viel weniger Bedeutung bei, als wenn wir selber sagen: „Mein liebes Kind, ich fühle mich momentan sehr unwohl in meinem Bedürfnis, respektvoll behandelt zu werden, deswegen darfst du nicht mehr rumschreien.“ Durch so ein Verhalten kultivieren wir tendenziell die Überlegenheit unserer Kommunikation.
Wir sollten darauf achten, Kommunikation nicht deswegen abzuwerten, weil sie nicht super nett und freundlich wirkt oder sich nicht an an den obligatorischen vier Schritten der GfK orientiert.
Diese Überlegenheitstendenzen finde ich gefährlich, ganz besonders in Bezug auf Kinder, die noch im Lernprozess ihrer verbalen Kommunikation stecken.
3. Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern als Methode
Das nächste Problem ist die Methodisierung von Kommunikation an und für sich, denn kommunikative Prozesse sind viel komplexer als das, was wir sagen.
Wenn ich etwas in eine Methode reinstecke und sage, das sind die Möglichkeiten, dann besteht die Gefahr, dass die dahinterliegende Haltung verloren geht.
Es ist mehr eine Frage der inneren Haltung, als eine Frage der Formulierung.
Ich sehe absolut die Leistung, die Rosenberg erbracht hat, und die auch von den GfK-Lehrer*innen, die ich kenne, ganz wunderbar weitergetragen wird. Die Methode, die angewendet wird, kann unheimlich hilfreich sein. Ich selber habe sie genutzt, als ich noch gar nicht wusste, wie man mit anderen Menschen zugewandt redet. Ich finde das total nachvollziehbar, dass Menschen sie an sich sich reißen und glücklich sind, dass ihnen endlich genau gesagt wird, was sie machen sollen, um gewaltfrei zu sein.
Das Problem entsteht, wenn mir nicht klar ist, dass die Haltung wichtiger ist als die Methode und dass Kommunikation viel, viel mehr ist als die Worte, die ich benutze.
Wie oben schon erwähnt, wenn ich eine Person ganz superfreundlich bitte und die Person hat keine Wahl, dann ist das ach so nette Gesäusel ein gewaltvoller Befehl, weil ich die Person zwinge, etwas zu tun oder zu lassen. Und da finde ich es hilfreicher und ehrlicher, das auch als Gewalt zu markieren, als mich mit Hilfe des methodischen Bausteins auf der scheinbar gewaltfreien Seite zu sehen.
Das ist eine große Gefahr. Gerade gegenüber Kindern.
4. Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern im Kopf
Die Methode der gewaltfreien Kommunikation ist nicht immer und in jeder Situation für jede Person passend. Kulturelle und soziale Unterschiede werden massiv negiert. Allein die Sprache, wie ich sie verwende, kann extrem unterschiedlich sein und die vier Schritte können unpassend, überhaupt nicht authentisch und zur Verbindung beitragend sein, wenn ich sie wortwörtlich übernehme.
Ich persönlich finde die vier Schritte inzwischen eher dazu geeignet, sie in meinem Kopf ablaufen zu lassen, als sie tatsächlich auszusprechen:
- Was fühle ich?
- Welche Bedürfnisse sind da?
- Was brauche ich?
- Kann ich eine konkrete Bitte formulieren?
Super hilfreiche Fragen, aber eine schematische Art und Weise zu kommunizieren, die außerdem alles außen vor lässt, was wir nonverbal kommunizieren und was der Kontext mit sich bringt.
Ein gutes Beispiel sind Schulen, die sich um gewaltfreie Kommunikation bemühen, aber weiter in dem systemischen Korsett stecken, in dem Kinder eben nicht entscheiden können, in dem es nur wenig Freiheiten gibt. In diesem Rahmen gewaltfrei kommunizieren zu wollen, kommt mir wie eine Perversion vor, vergleichbar mit dem Erziehungstipp „Frag dein Kind, ob es die Medizin aus dem rosafarbenen oder dem blauen Becher trinken will.“ Es gibt keine echte Freiheit. Dass ich die Pille schlucke ist gesetzt, ich darf mir nur das Wie schön trinken. So kommt mir das vor und das kann Kommunikation nicht fixen.
Verbale Kommunikation kann systemische Probleme nicht angreifen.
Auch darauf geht der Artikel, der mich auf diese Gedanken gebracht hat, auf eine ganz wunderbare Art und Weise ein.
Und auch das Nonverbale muss mit gedacht werden. Ich habe selten so viel massive Gewalt erlebt wie von Menschen, die gewaltfreie Kommunikation praktizieren, weil die nonverbalen, systemischen und die Situation umgebenden Faktoren nicht mit gedacht werden.
5. Gewaltfrei geht nicht!
Gewaltfreie Kommunikation ist meines Erachtens ein falscher Titel, weil Gewalt keine Frage der Intention ist. Gewalt ist etwas, was zwischenmenschlich entsteht.
Du kennst das bestimmt: Du sagst zu deinem Kind irgendwas, du meinst das total nett oder du machst einen Witz und dein Kind ist total verletzt. Passiert auch mit anderen Erwachsenen. Wir machen irgendwas, von dem wir denken, das wäre total ok und haben eine andere Person damit trotzdem verletzt.
Solange es nicht ankommt, wie es ankommen sollte, ist es scheißegal, wie du es gemeint hast.
Das Schlimmste, was wir machen können, wenn wir andere Menschen verletzen – und wir werden immer wieder andere Menschen verletzen, weil wir in Sozialverbänden leben, in denen immer Konflikte entstehen – ist zu sagen: „Aber ich hab es doch nur gut gemeint.“ Wir alle wissen, wie es unser Selbstbewusstsein, unser Gefühl zerstören kann, wenn eine Person uns verletzt, wir machen die Person darauf aufmerksam und die Person sagt: „Aber das war doch überhaupt nicht böse gemeint.“
Dieses Vorgehen ist vollkommen normal im Umgang mit Kindern. Das ist eines der großen Probleme in meiner Arbeit, dass Menschen nicht verstehen, dass ihre Intention scheißegal ist.
Eine Methode, die sich auch noch gewaltfrei nennt, birgt immer die Gefahr, dass ich mir sage: Solange ich diese vier Schritte korrekt mache, liegt es nicht in meiner Verantwortung, wie es ankommt.
Oh doch! Es ist immer meine fucking Verantwortung.
Kommunikation ist nichts, was ich aussende und dann ist Schluss. Kommunikation ist etwas Zwischenmenschliches. Es ist genauso wichtig, wie es ankommt und mit welcher Haltung ich es aussende.
Und da ist meines Erachtens egal, ob ich da die super süßesten und niedlichsten Worte oder die perfekte Formulierung benutzt habe. Es ist viel wichtiger, dass ich klar habe, was ich fühle, was ich brauche und was meine Haltung gegenüber einem anderen Menschen ist.
Wie es bei einer anderen Person ankommt, kann ich nicht kontrollieren und das ist die große Gefahr in der Theorie, die Rosenberg aufgestellt hat meines Erachtens. Diese Methode, die dazu verleitet zu sagen: Wenn ich sie nur richtig benutze, ist keine Gewalt möglich.
Ich habe es unzählige Male in der Praxis gesehen. Die Idee, dass es eine Überlegenheit gibt, die Idee, dass die Methode der GfK mir das ethische Dilemma der Auseinandersetzung mit anderen sozialen Wesen, die ein anderes Erleben haben und bei denen meine Worte vielleicht nicht so ankommen, wie ich mir das wünsche, mich quasi aus diesem sozialen Dilemma enthebt. Dass sie mir die Möglichkeit gibt, zu sagen, ich habe alles richtig gemacht. Wenn ich diese Schritte mache, dann ist es immer moralisch richtig.
Wir werden immer Fehler machen und andere verletzen, denn wir sind Menschen.
Wir bleiben Menschen und wir bleiben in Sozialverbänden und keine Kommunikationsstrategie kann uns abnehmen, dass wir Fehler machen und dass wir andere – auch geliebte – Menschen verletzen. Das Mindeste, was wir tun können, ist die Verantwortung dafür zu übernehmen. Und das kann uns keine Methode abnehmen.
Ich habe noch einige andere Kritikpunkte, aber ich höre jetzt an dieser Stelle mal auf und komme zu meinem vorläufigen Fazit.
- Die Haltung, die dahinter steht, die Idee, dass wir aufhören, über Verhalten zu reden und anfangen, über Bedürfnisse, Gefühle und das, was in uns vor sich geht, zu sprechen, und auch die Idee, auf andere Menschen zu schauen und ihre Bedürfnisse und Gefühle in den Mittelpunkt zu nehmen, finde ich super.
- Rosenbergs Zusammenfassung dieser Ideen und humanistischen Psychologie insgesamt finde ich wahnsinnig toll.
- Die Methode der vier Schritte finde ich hilfreich, wenn ich noch lerne, Gefühle zu benennen, Bedürfnisse zu erkennen etc. Aber sie ist wie ein Gehstock. Der ist super, wenn ich nach einem Unfall wieder laufen lerne – so wie ich gerade, nachdem ich mir den Fuß gebrochen habe, und hilft mir, an einen anderen Ort zu kommen, aber er ist keine dauerhafte Lösung und ich sollte mich weder hinter dem Stock noch hinter einer Methode verstecken. Beim Gebrauch muss klar sein, dass ich weiterhin verantwortlich bin, meine eigenen Worte und meine eigene Wahrheit zu nutzen, mein junges Gegenüber wirklich ernst zu nehmen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich jetzt ein paar wichtige Kritikpunkte vergessen habe. Die fallen mir dann immer erst hinterher wieder ein…
Wenn dir noch etwas einfällt, du mir irgendwo widersprechen möchtest oder du deine Gedanken mitteilen magst, schreib super gern in die Kommentare. Ich freu mich drauf, weil ich die Diskussion so spannend finde und froh bin, dass wir mittlerweile an einem Punkt sind, wo wir das diskutieren können.
Danke für den wichtigen Artikel, der kam mir gerade recht!
Mir ist das auch vermehrt negativ aufgefallen, wie die eigentlich konstruktive GfK fast schon als „Waffe“ benutzt wird, gekrönt von einem „Für Deine Gefühle bin ich nicht verantwortlich, da darfst Du wohl mal genauer hinschauen, warum das was mit Dir macht.“.
Auch beobachte ich öfter, dass mit der Methode Tone Policing betrieben wird, soll heißen, der Inhalt wird ignoriert, weil das Gesagte „formale Fehler“ enthält.
So hat sich Rosenberg das sicher nicht gedacht!
Also vielen Dank nochmal fürs Aufdröseln der Punkte speziell im Hinblick auf den Umgang mit Kindern – wo das Machtgefälle so krass ist, muss man wohl besonders aufmerksam und feinfühlig damit umgehen.
Ja!!! Danke, das sind beides SEHR wichtige Punkte. Gerade und auch gegenüber Menschen die nicht den Zugang zu GfK haben oder andere kulturelle Hintergründe, die damit nicht zusammenpassen, ist das extrem gewaltvoll.
– Ruth
Liebe Ruth, vielen Dank für deine Worte und deine Anregungen zu GFK. Sehr passend, da ich gerade überlege einen Kurs zu machen, eben für die Entschlüsselung der eigenen Gefühle und dem Beginn mehrerer Fortbildungen um meinem Traumjob näher zu kommen.
Hast du ne Idee, wo ich gute Adressen für solche Kurse finde? Gibts vllt ne Sammelhomepage?
Meine Tochter benennt Grenzüberschreitungen übrigens als Eindringen in ihre Blase, das finde ich fein <3.
Dolores Umbridge ist das in Form gegossene Unbehagen, daß du gegenüber der gewaltfreien Kommunikation hast.
Und sie ist nicht umsonst einer der verhasstesten Charaktere einer der erfolgreichsten Kinderbuchserien, die mit Bösewichten nicht spart.
Aber die Gewalt, die von ihr ausgeht ist die uns als Kindern bekannteste und wir konnten den stärksten Bezug zu ihr herstellen.
Sie kommuniziert so fein und ist doch die Grausame von allen. Denn die Haltung ist dem Kind vollständig abgewandt.
Willst du ein überspitzes leicht verständliches Beispiel, warum GFK manchmal scheiße ist? Da hast du es. Klar und deutlich. Und grausam.
yes! Dolores Umbridge. Nur dass sie nicht eine Methode verwendet und dann darauf besteht dass es ja keine Gewalt ist weil die Methode gewaltfrei ist.
– Ruth
Hi Ruth!
Danke für deinen Beitrag. Ich hab deine Kritik an der gewaltfreien Kommunikation gelesen und ich fühle das etwas anders.
Ich würde dir das gerne erläutern:
Ich glaube was Marshall vermitteln wollte ist Verbindung. Dass wir zuerst in Verbindung mit uns selbst kommen und dann wenn wir uns selbst spüren dies nach außen tragen. Dann können wir auch die Bedürfnisse anderer gleichwürdig behandeln wie unsere eigenen.
Ich hatte nie den Eindruck dass es bei ihm darum geht nach einem Schema zu handeln oder zu denken bzw. Kommunikation zu nutzen um Druck zu machen. Es geht bei ihm denke ich primär eben nicht um das was wir sagen sondern in welcher Stimmung, in welchem Gefühl wir es sagen. Ob wir uns selbst Empathie geben und daher auch dem anderen einen Raum geben können.
Und geht es nicht genau darum? Dass wir unseren Kindern Raum geben? Und aber auch uns selbst? Und dass wir in Verbindung gehen mit uns und mit anderen. Und dann ist es egal ob da ein Kind oder ein Erwachsener steht weil wir jedes Leben achten und gleichwürdig “behandeln”.
Ich sehe Marshalls Fragen wenn dann als Krücken die er uns gegeben hat damit wir laufen lernen können – die wir aber dann nicht mehr brauchen sobald wir immer sicherer darin werden.
Für mich selbst ist gewaltfreie Kommunikation leider wie eine Fremdsprache, ich wurde sehr gewaltvoll erzogen.
Aber sobald ich im liebevollen Kontakt mit mir selbst bin, kann ich andere nur mehr würdevoll und mit Achtung behandeln. Und egal mit welchen Worten ich es ausdrücke – es kommt von Herz zu Herz an. Die Erfahrung habe ich mit meinem Sohn gemacht.
Ich glaube dass jeder Akt der Gewalt gegen ein Kind eigentlich ein Akt der Gewalt gegen mich selbst ist.
Und sobald ich meinen eigenen Schmerz zulasse und ihn annehme, desto mehr kann ich mich selbst und damit mein Kind wahrhaftiger lieben. Ohne Schablonen die ich dem Kind versuche überzustülpen (die mir auch übergestülpt wurden und die mir mein Kind daher aufzeigt, weil es sich nicht hineinpressen lassen möchte.)
Sobald ich mich selbst spüre und in mein Herz gehe und von dort aus kommuniziere, braucht es dann eigentlich kaum mehr Worte bzw. kann kein Wort “falsch sein” oder “falsch ankommen”. Weil das Gefühl dahinter viel mehr transportiert. Und genau das spüren die Kinder hinter einem aufgesetzten “Könntest du bitte dies und das…?”
Und genau das hat Marshall einmal erzählt, dass sein Sohn nie auf seine Bitten einging weil sie eigentlich unterschwellige Befehle waren. Bis Marshall begann sie wirklich als Bitten zu meinen. Und seinem Sohn wirklich die Wahl lies.
Und ich habe selbst bei mir im täglichen Leben gemerkt, dass das automatisch klappt und ich viel entspannter bin, wenn ich von Herz zu Herz mit meine Sohne rede. Das braucht einen kurzen Augenblick, einen tiefen Atemzug. Und manchmal auch eine lauthafte Erinnerung von meinem Kind ;).
Und dann bin ich wieder dort – an dem Ort wo es kein richtig oder falsch gibt. Sondern nur uns beide und was uns verbindet.
ich bin da total bei dir, dass DAS die Ideen und Ansätze sind, die unfassbar weiterbringen. Aber ich sehe schon auch in der Theorie das Problem – namentlich im Aufbau der 4 Schritte, die dann zu den von mir genannten Problemen führen. Und ich glaube auch dass die Theorie von ihm nicht vollständig ist sondern einige blinde Flecken, vor allem in Bezug auf systemische Probleme, aufweist. Auch ist Gewaltfreiheit eben nicht nur eine Frage der „richtigen“ Kommunikation, dazu gehören noch viel mehr Faktoren, die er in der Benennung unterlässt. und das sind mE wichtige Kritikpunkte, um die wunderbare Grundlage, die du so schön ausgeführt hast, weiter auszubauen.
– Ruth
Hallo Daniela, danke für deine wunderbaren Gedanken zur GFK – so wie du sie beschreibst, habe ich sie auch wahr genommen und empfunden. Es geht nicht um Worte, sondern um die Verbindung zu sich selbst und dem anderen und diese Verbindung entsteht von Mensch zu Mensch. (Natürlich wäre es wünschenswert die „Krücke“ der GFK für viel Menschen erfahrbar zu machen, unabhängig von ihrem kulturellen oder sozialen Hintergrund.) Ein Lehrer von mir meinte einmal GFK ist keine Methode sondern eine Haltung.
Ich erlebe die gewaltfreie Kommunikation völlig anders. Ich erlebe Trainer, die keine „manipulative GfK“anwenden, wie du sie beschreibst.
Auf welche Bedürfnisse, die in der ursprünglichen Literatur nicht vorkommen beziehst du dich?
„Bei einer Bitte, akzeptiere auch ein nein“ ist der Leitsatz, den ich kennengelernt habe, um eine Bitte von einer Forderung zu unterscheiden. Und ja- es ist verdammt schwer im Alltag den inneren Raum zu haben, ein Nein zu akzeptieren und sich leichten Mutes eine andere Strategie zu überlegen. Und ja-gerade bei Kindern und in pädagogischen Institutionen ist die Gefahr sehr hoch, dass keine Wahlmöglichkeit besteht. Dann ist es aber auch keine GFK, und ich habe bis jetzt auch keinen getroffen, der von sich behaupten würde ausnahmslos gewaltfrei zu kommunizieren. Wie du schreibst-wir sind Menschen.
Die Eltern, die ich im GFK Kontext kennengelernt habe bemühen sich tagtäglich darum, dass ihre Selbstoffenbarung nicht als Vorwurf oder Kritik beim Kind ankommt. Ein Wutausbruch oder ein sich-auf-den-Boden schmeissen hat mindestens so viel Gewicht, wie die elterlichen Bedürfnisse, eher noch mehr. Die „GFKler“, die ich kenne, versuchen mit Ausdauer und Hingabe zu ergründen, warum die 5-jährige Spielsachen um sich wirft, ohne Rücksicht auf Verluste. Und dann auf Augenhöhe für sie zu übersetzen, was ihre Gefühle und Bedürfnisse sein könnten. Oder ihr einfach nur den Raum zu halten und sie dabei liebevoll anzusehen.
Klar, wenn man bei den 4 Schritten hängenbleibt und meint, damit alles „richtig“ zu machen, dann hat man den Kern der GFK nicht begriffen. Und erfüllt sich damit bestimmt ein Bedürfnis. Das ist ja das radikale-es gibt kein besser und schlechter oder moralisch höher stehend. Für mich ist es ein lebenslanges Lernen, jedem Menschen mit dieser wohlwollenden Haltung gegenüberzutreten, dass er/sie das Beste tut, was er kann.
Die Kritik, dass man sich aus der Verantwortung stiehlt, wenn man sagt „Ach, so hab ich das nicht gemeint, muss an dir liegen, wenn das bei dir so ankommt“ kann ich nachvollziehen.
Bei Erwachsenen bin ich grosser Fan davon, dass jeder die Verantwortung für sich selbst und seine Gefühle übernimmt. Aber natürlich kann man diese Verantwortung einem Kind nicht übertragen.
Danke, Ruth! Der Artikel fasst mal wieder zusammen, was ich oft fühle denke , aber noch nicht mal.so genau einordnen kann, wenn ich mich zum. Beispiel im Kreise von pädagogisch wertvoll handelnden Menschen bewege und der polnische Vater meiner Kinder dabei ist… Mit seinem. Akzent….aber auch, wenn ich spüre, dass zum Beispiel eine Aussage sich anders formuliert auch nicht besser anfühlt…
Mir fällt es generell sehr schwer, Methoden anzuwenden, wenn ich mit Menschen zusammen bin oder auch arbeite…. Seltsamerweise wünschen sich die Leute so oft aber Methoden oder Programme, weil sie sich damit besser zu orientieren glauben.
Vielen Dank für diesen Artikel, ich bin sehr sehr froh darüber
Liebe Ruth, vielen Dank für diesen Artikel. Deine Worte haben beschrieben, was ich so oft fühle in meinen Versuchen, die GfK in meiner Familie anzuwenden!
Ich beschäftige mich seit etwa 1 Jahr mal mehr mal weniger intensiv damit, und einer meiner Mainstruggles ist die gerade in der „GfK mit Kindern“ angewandte These : ein Kind will immer kooperieren, wenn du die richtige Strategie findest. Für mich ist das so wie „ich nerv mein Kind jetzt so lange mit tollen Ideen, wer wie mit an den Tisch kommt damit es sich setzt, bis es keinen Bock mehr auf mein Gelaber hat und einknickt.“ Da ist die von dir beschriebene fehlende freiwilligkeit, und in meinem Augen ist es so wichtig, ein Nein vom Kind auch stehen lassen zu können! Da darf ich dann kooperieren,
Es ist wie du sagst, ohne die Haltung, ohne das Verständnis dafür, was Empathie ist, bzw nicht ist, können die vier Schritte viel Schaden anrichten!
Peace out
Ein paar zusätzliche Gedanken kommen mir zu der Vorstellung, das GfK sanft und seicht ist und friedlich im Sinne von „frei von zwischenmenschlichen Verletzungen und Schmerzen“: Gewaltfrei zu kommunizieren, bedeutet meines Erachtens nicht, dass man sich der (utopischen) Vorstellung verschreibt, keine schmerzhaften Begegnungen zu haben/zu kreiren.
Gewalt bedeutet „rücksichtloses Anwenden von Macht“. Das heißt, ich nutze Möglichkeiten, Mittel und Fähigkeiten, um zu bestimmen, was passiert (auch und im Speziellen mit anderen Menschen), ohne dabei Rücksicht auf ihre Bedürfnisse und Gefühle zu nehmen.
Gewaltfrei deute ich dann so: Ich übe Macht aus (das tun wir immer, wenn wir anderen Begegnen – wir nehmen Einfluss auf sie, ob wir wollen oder nicht), und nehme dabei Rücksicht auf die Bedürfnisse und Gefühle anderer.
Und TROTZ dieser Rücksicht, kann natürlich Schmerz entstehen. Passiert andauernd. Denn wir Menschen bringen alle unsere eigenen Päckchen mit in die Begegnung – keiner kann diese Komplexität so durchschauen, dass er der Gefahr aus dem Weg gehen könnte, den anderen nicht zu verletzten. Wie du so wunderbar hervorgehoben hast Ruth – der Schmerz entsteht zwischenmenschlich.
Erst gestern habe ich einer allerliebsten Freundin von einer richtig doofen Erfahrung erzählt und sie hat mit aufmunternden Worten geantwortet, weil sie mir helfen wollte (und sie hat das nicht einfach so dahingesagt, sondern sie dachte wirklich, mir könnte das helfen). Ich aber war einfach nur wütend und traurig und konnte mit der positiven Aussicht eben gerade nichts anfangen. Was ich in dem Moment wollte, war simples und pures Mitgefühl. So kam es bei mir zu Schmerz, einfach, weil ich etwas anderes brauchte und sie das nicht erkennen konnte. Nachdem ich das aber wahrgenommen habe, habe ich ihr das kurzerhand einfach gesagt (das kann ich bei ihr nur, weil sie und ich eine für mich wirklich einmalig schöne Beziehung haben). „Kannst du mit dem Aufmuntern warten. Darauf komme ich jetzt einfach noch nicht klar. Ich möchte, dass du weißt, wie verdammt traurig ich grad bin und dass ich gerade noch nichts daran ändern will.“
Was ich damit sagen will: in dem, was ich von Rosenberg gelesen habe, finde ich keinen Hinweis darauf, dass gewaltfreies Kommunizieren verhindert, dass Menschen verletzt werden. Es soll verhindern, dass wir diese Verletzungen übersehen. Und soll helfen, unsere eigenen Verletzungen anderen mitzuteilen (wenn wir wollen). Und wiederum, damit neu umzugehen, wenn uns jemand sagt, dass ihn/sie das eben gerade verletzt hat. Suchen wir nach dem Schuldigen („DU hast mich verletzt“, oder aber „Dass DICH das verletzt, hat nur was mit DIR zu tun“…) oder können wir gemeinsam über den entstandenen Schmerz trauern und einen anderen Weg finden?
Hallo Ruth,
Unglaublich spannend, dieses Fass, das du da aufmachst. Besonders die sprachliche Überlegenheit gegenüber Kindern, die die GfK nicht reflektiert, hat mich auch schon umgetrieben. Insgesamt ist es natürlich ein super Tool, vor allem für die Gedanken, wie du es ja auch vorgeschlagen hast. Und viele Kritikpunkte, die du anbringt, hatte Rosenberg immerhin auch selbst auf dem Schirm, das kann man hoch anrechnen, finde ich (die Wichtigkeit der inneren Haltung z.B.).
Einen kritischen Punkt möchte ich noch ergänzen. Die GfK erwähnt nicht, dass es neben den aktuellen Bedürfnissen auch solche gibt, die in der Vergangenheit, meistens Kindheit, liegen. Besonders für Eltern ist es so wichtig ihre eigenen Glaubenssätze und Traumata zu kennen und aufzuarbeiten. Bedürfnisse, die in der Kindheit nicht befriedigt würden, können immer noch sehr laut schreien, sind aber mit herkömmlichen Strategien in der Gegenwart kaum zu erfüllen. Dazu bietet das Modell GfK keinerlei Handhabung. Das finde ich sehr schade, denn gerade die Aufarbeitung der eigenen Kindheit birgt die riesige Chance, seine innere Haltung wirklich zu integrieren.
Mich würde sehr interessieren, wie du oder ihr anderen das seht!
Liebe Grüße, Fine
Oh Fine, stimmt, da biste an was dran. Genau wie systemische Ungleichheiten beruecksichtigt das die GfK nicht… Spannend!
– Ruth
Liebe Fine, was die Aufarbeitung von der Vergangenheit betrifft eignet sich die GfK ganz wunderbar in meinen Augen. Es gibt ein Buch von Rosenberg das heißt: “Den Schmerz überwinden, der zwischen uns steht: Wie Heilung und Versöhnung gelingen” – hier geht es zum Beispiel viel um die Arbeit mit der Vergangenheit und wie sich der Schmerz der Vergangenheit in den Bedürfnissen der Gegenwart wieder spiegelt.
Bezüglich der sprachlichen Überlegenheit den Kindern gegenüber – das ist ja zu Beginn ihres Lebens bis weit ins Schulalter eigentlich immer der Fall. Das Tolle ist doch, dass wir versuchen können, ihnen dabei zu helfen, eine Sprache zu entwickeln, die ihnen hilft, auszudrücken, was in ihnen vorgeht. Es gibt ganz wunderbare Wort-Listen (auch im Netz) mit “Übersetzung” zu den abstrakten Bedürfniss-Begriffen, die es Kindern (und ehrlich gesagt auch Erwachsenen wie mir) leichter machen und auf sie abgestimmt sind.
Liebe Rosa-Maria,
Vielen Dank für deine Antwort! Interessant, dieses Booklet kannte ich noch nicht. Habe nur das Hauptwerk gelesen und darin werden ja einige Themen angesprochen, Heilung der Vergangenheit nicht. Ich stimme dir völlig zu, besonders die Selbstempathie ist ein Tool, dass super in diesem Kontext anwendbar ist. Und überhaupt die ganzen Grundlagen, die innere Haltung anderen und sich selbst gegenüber. Und ich würde gleichzeitig sagen, dass hier eine Grenze der GfK erreicht ist, denn damit allein kommt man nicht aus.
Ich möchte betonen, auch ich bin sehr begeistert von der GfK, ganz besonders von diesen humanistischen Grundsätzen, eben der Grundhaltung, dem Streben nach Verbindung. Ich bin froh, darauf gestoßen zu sein und finde es mega spannend auch hier die kritische Brille aufzusetzen.
Hallo liebe Ruth,
danke für den hilfreichen Artikel. Hab länger nicht bei dir mitgelesen, aber finde mich sehr darin wieder. Es ist auch in den Arbeitsfeldern rund um Diskriminierungs-sensibilisierung das 1-A Argument, das immer und immer wieder auftaucht. „So war es doch aber gar nicht gemeint.“ „Das war doch nicht böse gemeint.“ Und immer wieder bringt es die von Unterdrückungssystemen negativ Betroffenen in die Situation erstmal „verstehen zu sollen“, dass es ja um eine nette Absicht ging. Da das in den meisten Fällen nicht geht, ist es DER Konfliktherd, wenn z.b. zwischen Weißen und Schwarzen Personen über Rassismus gesprochen wird (aka white fragility). Ich stimme überein, dass GFK ein sehr weißes Konzept an sich ist, auch wenn Rosenberg ja damit auch viel für Versöhnungsarbeit im Konflikt Israel-Palästina und auch zwischen Weißen und schwarzen angeleitet hat. (Er erzählt davon in „ein Gespräch mit Gabriele Seils, das für mich hilfreichste GFK-Buch das ich gelesen habe). Für die Anti-Rassismus arbeit bleibt mein Leitsatz bei den Einwänden: „Gut gemeint ist nicht gut gemacht.“ Und meine Solidarität bei den systemisch unterdrückten, egal, wie viele Argumente für das „lieb gemeint“ vorgrbacht werden.
Die selbe Struktur sehe ich außerdem innerhalb meines familiären Umfelds, wenn ich verusuche, meine Entscheidungen, meinen Raum und meine Zuständigkeiten aufzuzeigen: Wenn zb. meine Mutter sagt „Es war doch nur nett gemeint, dass ich Xyz gemacht habe“ zählt trotzdem mittlerweile endlich für mich: ich habe aber gesagt dass ich es nicht will!
Für mich war das Einlesen in GFK insbesondere super wichtig und hilfreich für meine eigene Kommunikation (innere, also die Stimme in meinem Kopf wurde dadurch viel liebevoller! klappt auch nicht immer 😉
Für Situationen mit meinem Kind und in Konflikten, hakt es in der Praxis immer noch. Das Erkennen und Mitdenken von Macht ist für mich ein schwieriger und andauernder Prozess. (Genau bei: „Räum doch bitte auf“ gegenüber „Räum jetzt endlich auf, du hast keine Wahl“) überzogen gesagt. Wie geht mensch am besten damit um?
ist es nicht auch einfach generell ein Paradox, in einer von Macht durchzogenen Beziehung wie der Eltern-Kind-B komplett gewaltfrei sein zu wollen oder?
Liebe Mira, genau das – diese Dynamik von „ich meine es aber xy“ ist etwas, was wir in Machtgefällen finden. Und ja, gerade in den extremen Machtgefällen wie Eltern-Kind-Beziehungen ist Gewaltfreiheit mE gar nicht unbedingt möglich. Genau deswegen ist es ja auch falsch und verführerisch, etwas „gewaltfrei“ zu nennen und damit eine Kommunikationsart zu meinen – die ist nämlich hier gar nicht allumfassend möglich, weil nicht alle Dynamiken und Probleme von Gewalt erfasst sind.
– Ruth
Wow, bin zufällig über diesen Artikel gestolpert. Ja, ich habe auch oft den Eindruck, dass die GFK manipulativ eingesetzt wird und dass es wohl so nicht von Rosenberg gemeint war. Danke für diese Inspirationen!
Zu Kritik 1: Das ist so eine Sache, die ich nicht verstehe. Heißt das, ich darf nach diesem Modell NIE etwas von einem Kind fordern? Niemals damit rechnen, dass eine freundlich vorgetragene Bitte auch erfüllt wird?
Dann gehe ich nämlich mMn dazu über, nichts mehr zu fordern, anzuordnen, zu bitten, vorzuschlagen, sondern alles selbst zu machen. „Räume bitte dein Zimmer auf! Kannst du schon mal den Tisch decken? Setze bitte deine Mütze auf, es ist kalt! Du musst noch Hausaufgaben machen! Kannst du bitte leise sein, dein Bruder schläft schon? Höre auf, deinen Bruder zu schlagen, das tut ihm weh!“
Das alles dürfte ich vom Kind nicht fordern, denn es ist ja „Gewalt“.
Was mache ich also? Ich sage nichts mehr und mache Dinge selbst. Decke den Tisch, räume wortlos das Zimmer des Kindes auf, frage vielleicht mal, ob es mir helfen will, rechne aber nie damit, es ist ja nur eine Bitte/ Frage. Ich stelle mich wortlos zwischen das schlagende Kind und den Bruder. Damit lernt das Kind ja, dass ich nicht verbal kommuniziere, es eigentlich nichts gibt, das man machen „muss“, dass man keiner Anordnung oder Bitte entsprechen muss oder nur sollte. Alles Unangenehme wird vermieden („räume dein Zimmer auf!“ – „Keine Lust!“ – „Okay!“). Das wird doch dann in der Schule mit jeder neuen Klassenstufe immer problematischer!
Im Alltag macht der Erwachsene sehr viel, einfach, weil andere es sagen, nicht mal aus Zwang wie bei der Arbeit (Anordnung vom Chef etc.), sondern aus Höflichkeit. „Bring mir ein Glas Saft aus der Küche mit! Kannst du noch Milch kaufen, ich habe nachher keine Zeit mehr dazu? Kannst du den Backofen ausschalten, wenn der Timer klingelt? Kannst du bitte leise sein, ich habe Kopfschmerzen?“ Das alles machen wir ja in der Regel ohne nachzudenken oder wir geben einen Grund an, warum das jetzt nicht möglich ist und dann läuft es auf einen Kompromiss hinaus.
So etwas würden dann ja Kinder durch GfK nie lernen, weil sie alles Unangenehme vermeiden und immer das machen könnten, was sie sich vorgenommen haben, wonach ihnen gerade der Sinn steht – z.B. den kleinen Bruder schlagen oder Schlagzeug spielen, auch wenn Mama Kopfschmerzen hat und das Baby schläft. Rücksicht wird damit ja gar nicht gelernt. Auch nicht die Freude, mal etwas für andere tun zu können, ein Lob, ein Danke zu bekommen. Auf der anderen Seite würde das Kind dann auch dauernd frustriert, denn auch alles, was das Kind erbittet, kann jederzeit abgeschlagen werden, es gibt da keine Sicherheit, keine Höflichkeit. „Kannst du mir bei den Hausaufgaben helfen!“ – „Nein, ich bin müde!“ „Kannst ich dir mal mein Schlagzeugsolo anhören?“ – „Nein, das interessiert mich nicht!“
Ich bin erstaunt über diesen Artikel. Er kritisiert meines Erachtens Einiges an der GFK, das mir in dieser Weise gar nicht kritisierbar scheint, weil die GFK eine natürliche Empathie zwischen Menschen voraussetzt. Vielleicht wird das in Seminaren etc nicht so vermittelt, im Buch wird das aber ausdrücklich thematisiert. Ich habe 3 Kinder. Ich kommuniziere oft gemäss GFK. Meine Bitten sind echte Bitten. GFK heisst auch, dass ich meinen Kindern zuhöre. Sie sagen mir manchmal auch, warum sie etwas in diesem Moment nicht tun mögen. Ich kann das dann verstehen, ich kann auch nicht verbales Verhalten zu verstehen versuchen. Das ist auch GFK, wenn ich mir klar mache, dass ihr Kern Empathie ist. Die GFK will explizit kein Schema sein, das „bloss äusserlich“ als Gerüst angewendet werden kann, das thematisiert Rosenberg selbst, ihr Kern ist immer Empathie und der Wunsch nach gegenseitigem Verständnis.
Verzeihung, ich bin etwas verwirrt – wer hat nun den Artikel geschrieben?
Eva oder Ruth?
Sehr interessanter Blickwinkel. Ich habe mich bisher nur mit Gewaltfreier K. mit Erwachsenen beschäftigt