Heute machen wir mal was Neues. Ich hab nämlich jemanden eingeladen – ich erzähle euch gleich mal ein bisschen was zu ihr. Sie hilft uns heute, mehr über die Hund-Kind-Beziehung zu verstehen.

Es ist Dr. Janey May. Sie ist Tierärztin mit Tätigkeitsschwerpunkt Verhaltenstherapie und hat sich dem bedürfnisorientierten Umgang mit Hunden, dem entsprechenden Miteinander von Tier und Mensch und dem Thema Hund und Kind Sicherheit verschrieben. Hier findest du ihre Webseite.

Aber erstmal zum Thema:

Kinder und Hunde.

Wie kriegen wir das hin, dass alle miteinander klar kommen?

Mal von vorne: Wir dürfen erstmal verstehen, dass BEIDE unsere Verantwortung sind und gerade, wenn das Kind klein ist, BEIDE nicht die Möglichkeiten haben, sich in andere Wesen hineinzuversetzen und mit Emotionen von allein umzugehen. Sie brauchen Hilfe. Sie brauchen Unterstützung. Rumjaulen und den Hund hemmen und das Kind anmaulen hilft exakt niemandem. Die beiden können keine Verantwortung übernehmen. Sorry, aber das ist dein Job.

Und für diese Hilfe haben wir ein paar Tipps zusammengetragen:

Kind vs Hund – die Kindersicht

1) Hilf dem Kind beim Kommunizieren

Hunde kommunizieren anders als Leute. Ich weiß, sehr schockierend. Aber das Ding ist, dein Kind kann, je nach Alter, ja kaum mit anderen MENSCHEN kommunizieren. Es braucht also Übersetzung. Es braucht Hilfe und zwar deine. Weiter unten wird Janey erklären, was du dazu beitragen kannst, damit die Signale deutlich lesbar werden – aber hier oben sage ich dir: Übersetze für dein Kind und hilf ihm*ihr, die Signale zu verstehen.

„Schau, der Hund guckt so und so“ – „Schau, er/sie will das nicht“ etc. können sehr helfen. Helfen und Lernen statt Verurteilung. Gemeinsam Bilder und Filme anschauen zum Tierverhalten und altersgerecht Informationen finden, hilft auch. Bitte beschäme dein Kind nie dafür, dass es bestimmtes Wissen nicht hat. Lernt gemeinsam.

 

2) Gib dem Kind Dinge, die es tun DARF

Oft entstehen die blödesten Situationen dadurch, dass das Kind sehr gerne Kontakt suchen WILL, aber nicht weiß, wie. Die Begeisterung kann da mit dem Kindlein durchgehen – und wir wollen ja idealerweise auch, dass es sich des Tieres erfreut. Ich erinnere mich gut, wie ich meine kleine Tochter, schmerzhaft in das Fell unserer (sehr geduldigen) Berner Sennenhündin verkrallt, abwehrend brüllte „aber ich hab sie LIEB!“ – und da klickt es.

Also, du brauchst konkrete Dinge, die das Kind tun darf. Da hängt es natürlich total von ab, was das Tier mag und das Kind schon kann. Es kann sein, dass ein kleines Futterspiel gut passt oder ein kleines Signal. Oder streicheln auf eine bestimmte Art, die das Kind umsetzen kann. Oder gemeinsam bürsten, Kissen aufschütteln und pflegen. All diese Dinge.

Absoluter Pro-Tipp: Biete diese Dinge aktiv an, wenn du mega gute Laune hast und der Hund zufrieden ist  – nicht erst, wenn die Hütte brennt.

 

3) Unterstelle deinem Kind Gutes

Ja, es kann krass mies nerven, wenn du ständig dabei sein musst und wenn du Angst hast, dass der Hund irgendwann mal beißt. Ich weiß. Das Ding ist, dass du die Sache schlimmer machst, wenn du davon ausgehst, dass das Kind ein Arsch ist. Oder dreist. Oder vielleicht eines Tages ein Monster wird und Tiere hasst. Ich verstehe deine Angst, aber wenn du irgend kannst, leg sie erstmal hin und konzentriere dich auf den Moment.

Es hilft, dem Kind zu unterstellen, dass es einen Grund hat.

Nein, „einen Grund haben“ bedeutet nicht, dass du das Verhalten super findest. Es bedeutet, dass du davon ausgehst, dass dein Kind gut sein WILL und das aus guten Gründen gerade nicht hinbekommt. Das hat zwei Folgen: 1. Du hast bessere Ideen für eine Lösung und 2. Du bleibst ruhiger, weil dich diese Gedanken nicht auch noch stressen. Was, wenn dein Kind neugierig ist? Oder wenn es noch gar nicht versteht, dass andere Wesen auch fühlen können? Was, wenn dein Kind dir dringend etwas mitteilen will und nicht weiß, wie?

Was auch immer du denkst, denke das Netteste, was du kannst.

So, und für die nächsten zwei Tipps gebe ich das Mikro an Janey weiter. Janey, take it away!

 

Kind und Hunde: Die Hundesicht

4) Bring dem Hund eine Ankündigung bei, die vorhersagt, dass er angefasst wird. 

Auch der Hund soll die Möglichkeit haben, mitzuentscheiden, ob er gerade Interaktion/Berührungen möchte. Damit er sich also nicht unwohl fühlt, wenn das Kind ihn streichelt, schaffen wir eine gemeinsame Kommunikationsebene. Der Hund kann gehen, wenn er nicht angefasst werden möchte.

Selbstwirksamkeit ist auch bei Hunden ein wichtiges Thema. Deutliche Kommunikation ist für Kinder leichter zu verstehen als die feine Körpersprache von Hunden. Ein Kopfabwenden erkennen zwar Erwachsene, aber nicht jedes Kind.

Ein Hund, der Mitspracherecht hat, muss auf der Kommunikationsleiter nicht immer weiter nach oben schreiten. Das Knurren, welches völlig normale Kommunikation ist, wird in Familien nämlich oft verboten. So hat der Hund keine Möglichkeit mehr zur Kommunikation und beißt gegebenenfalls. Das „Anfassen-Signal“ kann außerdem als Ankündigung genutzt werden, wenn eine Situation nicht mehr abzuwenden ist. So kann der Hund aber noch vorbereitet werden, was nun passiert und somit wird ihm der Schreckmoment genommen.

Sag also in Zukunft ca. 3 Sekunden bevor Du den Hund streichelst das Signal “Anfassen” (oder ein anderes Signal). Dann hat er ganz schnell verknüpft, was es bedeutet.

 

5) Ohne Ja-Umgebung: undenkbar! 

Umgebungen, in denen man sich das Wort nein nach Möglichkeit spart, sind wichtig und toll. Und können uns viel Stress ersparen. Weil reaktives Eingreifen niemandem Spaß macht.

Wenn wir also Orte schaffen, an denen Hund und Kind sie selbst sein dürfen, wo Selbstwirksamkeit groß geschrieben ist, lernen sie die friedliche und ignorierende Koexistenz kennen.

Denn das romantisierte Bild aus der Werbung ist eben nicht die Realität, und bitte auch nicht Dein Ziel.

Jeder macht sein Ding und hat nicht viel Interesse am anderen. Schleckmatte, Futterball, Kausnack für den Hund und ganz wichtig: Trenngitter. Denn Wegsperren ist oldschool und für den Hund eine schmerzhafte Erfahrung. Durch diese „Trennungen“ sparen wir uns Energie für Momente, in denen wir aktiv begleiten.

 

Danke, Janey! Übrigens, wenn ihr mit ihr arbeiten und mehr hilfreiche und friedvolle Tipps für alle Familienmitglieder haben wollt, empfehle ich euch ihre Kurse – hier könnt ihr sie kennen lernen. 

Wenn du das Gefühl hast, dein Hund kommt gar nicht mehr zur Ruhe, kann tagsüber kaum in den Tiefschlaf finden, ist oft hibbelig und draußen reagiert er auf alles und findet keine Zeit für Hobbies, dann empfehle ich dir den Kurs “Stress lass nach – Slow Motion”. Dauerstress kann krank machen und aggressives Verhalten begünstigen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass unsere Hunde zuhause entspannen können und auf dem Spaziergang Ausgleich vom Familienalltag finden.

Zerrt dein Hund den Kinderwagen von A nach B und du kannst gar nicht mehr normal raus gehen? Entsprechen deine Spaziergänge mit Kind und Hund so gar nicht dem, wie du sie dir vorgestellt hast? Dann ist der Kurs “Schluss mit Leinezerren” das Richtige für dich. Du wirst verstehen, warum dein Hund an der Leine zieht und lernen, wie ihr eine entspannte Zeit draußen haben könnt.

Oder musst du dir beim gemeinsamen Familienspaziergang im Wald dauernd Gedanken machen, ob sich dein Hund auch sicher zurückrufen lässt und sich nicht wieder aus dem Staub macht? Der Kurs “Der perfekte Abruf?!” sorgt dafür, dass du dich auf ihn verlassen kannst.  

Alle drei Kurse bieten viel theoretisches Hintergrundwissen, damit Du verstehst, warum Dein Hund welches Verhalten zeigt. Außerdem viele praktische Übungen, die Schrittweise und über Videos erklärt werde. Am Ende ist Deine Werkzeugkiste mit ganz vielen Werkzeugen gefüllt, und Du suchst Dir für die jeweilige Situation das genau passende für euren Alltag heraus.

So, und nun bist du dran – welche Situationen stressen dich am Meisten im Umgang mit Kind und Hund und was hat geholfen? Teile deine Gedanken in den Kommentaren!