Hier die Hörversion:
Ich glaube, dass wir in der bedürfnisorientierten Elternwelt nicht genug über Privilegien nachdenken.
Ich meine damit noch nicht einmal, dass Antipädagogik Rassismus, Sexismus, Klassismus mitdenken muss, denn wenn wir uns anti-adultistisch positionieren, müssen wir immer intersektional denken. Zusätzlich ist es allerhöchste Zeit, über die unterschiedlichen Voraussetzungen, die Menschen mitbringen in ihre Elternschaft, zu reden, denn es ist nicht für alle gleich einfach, etwas zu verändern.
So richtig getroffen hat mich das, als ich vor vier Jahren ein Seminar gegeben habe und eine Mama sagte: „Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist, irgendwie flipp ich immer aus, wenn mein Kind am Tisch sitzt und Essen schmeißt.“ Wir haben gemeinsam mit ihr Lösungen gesucht, aber dann schnell gemerkt, dass sie nicht helfen, weil wir das Problem noch nicht richtig verstanden hatten. Also fingen wir an, die Situation greifbarer zu machen. Die Teilnehmerin hat mehr erklärt, wir haben die Esssituation nachgestellt. Irgendwann wurde deutlich, dass für diese Mama die „simple Lösung“, das Baby matschen zu lassen und hinterher einfach zu wischen, nicht möglich war. Diese Frau hatte furchtbare Dinge in Bezug auf ihr eigenes Essverhalten erlebt.
Ich habe lange gezögert, ob und wie ich diesen Blogbeitrag gestalten möchte. Denn wir können nicht sagen: „Ich hatte es halt so schwer, ich kann jetzt nicht anders.“ Das ist natürlich Mist. Und unwahr! Aber:
Menschen starten an unterschiedlichen Stellen.
Ich bin kein Fan davon, so zu tun, als wäre dem nicht so. So zu tun, als hätten wir alle die gleichen Chancen, wenn wir uns nur genug zusammen reißen und anstrengen. Nein! Manche von uns sind PoC, manche von uns sind in Armut geboren und manche von uns haben massive Gewalt erlebt. Wir müssen verstehen, dass die erlebte Gewalt, systemische oder direkte, physisch und psychisch, Voraussetzungen schafft, die nicht hilfreich sind für friedvolle Elternschaft.
Das ist verdammt nochmal ungerecht! Und scheiße gemein!
Nehmen wir mich als Beispiel: Ich habe grundsätzlich erfahren, dass ich richtig und wichtig bin, meine Eltern haben viel versaut und ich darf viel aufarbeiten, aber ich wurde nicht geschlagen, ich musste nicht hungern, meine Existenz wurde nicht verneint, ich wurde grundsätzlich anerkannt als Mensch, es gab ein Bemühen darum, mich liebevoll zu begleiten. Das sind Voraussetzungen, die nicht jeder Mensch hat, das ist Privileg. Das macht mein Erleben nicht falsch, ich muss mich nur immer wieder fragen, wie ich das Erleben anderer Menschen inkludieren kann.
Es ist ein Privileg, ein glücklicher Zufall in eine weiße, liebevolle Familie hineingeboren zu sein, keine Frage der Disziplin.
Wenn du erlebt hast, dass du ne saftige Tracht Prügel bekommst, sobald du auch nur den Mund aufmachst, dann braucht erstmal kein Mensch mit dir darüber reden, ob und wie nuanciert ein Kind gelobt werden soll. Dein Problem ist, dass du nackte Gewalt kennst und dein nächster Schritt macht dich bestimmt nicht zu der super mega reflektierten, stets tief durchatmenden Supermom. Keine*n bringt der nächste Schritt in die Perfektion, aber du bist noch weiter davon entfernt.
Das müssen wir mitdenken, wenn wir Lösungenswege aufzeigen.
Es ist nicht hilfreich Lösungen präsentiert zu bekommen, die nicht bedenken, wo du gerade stehst.
Wir brauchen Empathie und Gefühl für die verschiedenen Punkte, an denen Menschen stehen, ansonsten schlittern wir in eine priviligierte Akademiker*innendebatte hinein. Und ja, ich glaube, dass das momentan passiert. Ich fürchte, dass ich meinen Teil dazu beigetragen habe, dass wir ständig darüber reden, wie mittelständische Eltern mit enorm viel Zeit-, Geld- und Bildungsressourcen und -privilegien sich untereinander Tipps geben, wie sie – etwas übertrieben – die Bananenschnittchen noch schöner anrichten können. Das muss anders werden!
Wir brauchen noch viel mehr Lösungen jenseits des Perfekten.
Natürlich wäre es schick, wenn wir alle immer nur entspannt und total nett zu unseren Kinder wären und wir jederzeit 30 friedvolle Lösungen zur Hand hätten, aber das ist einfach nicht die Realität. Und für viele Menschen hat es aufgrund der erlebten Gewalt absolut gar nichts damit zu tun, wo sie gerade real stehen.
Wie kann friedvolle Elternschaft für Menschen, die an verschiedenen Stellen stehen, gelingen?
Allererster Schritt: Annahme. Wenn dir danach ist, sei wütend und traurig über das, was dir passiert ist. Es IST scheiße!! Da helfen keine Wattebäuschlein und auch kein Spirital Bypassing à la „Deine Seele hat sich diesen Ort ausgesucht, du musst dich nur richtig anstrengen.“ Nein! Deine Erfahrungen haben dir weh getan und sie belasten die Beziehung zu deinem Kind heute. Das ist echt richtig scheiße, bedeutet aber nicht, dass du nichts ändern kannst.
Ich weiß, einige von euch – und ich ziehe den Hut vor euch – haben einen langen, langen Weg hinter sich.
Manchmal fühlt sich das fies und ungerecht an, wenn andere Leute darüber nachdenken, wie sie sich noch liebevoller verhalten können, und man selber nur Gewalt und Ablehnung und furchtbare, beziehungszerstörende Dinge kennt. Dein Gehirn und deine Verhaltensweisen wurden durch deine Erfahrungen geformt, deine Psyche und dein Vertrauen haben gelitten und darüber dürfen wir, darfst du nicht hinweg sehen. Von hier aus, indem du das voll anerkennst, das nicht schön redest, nicht klein machst, kannst du deinen nächsten Schritt gehen. Der ist nicht perfekt, das ist er nie, aber er ist genau richtig! Dein nächster SChritt ist das, was du real machen kannst.
Je eher du anerkennst, dass es so ist und wo du gerade real stehst, desto besser kannst du dann auch den nächsten, kleinen Schritt machen. Das ist dann vielleicht nicht der, den du gerne machen würdest, sondern eben der nächste unperfekte.
Die Seminareilnehmerin zB hat eine Mahlzeit ihres Babys an ihren Partner delegiert und ansonsten dem Kind Essen gegeben, das es möglichst wenig matschen konnte. Zusätzlich hat sie sich mit dem Lesen eines Buches abgelenkt, um die Essenssituation irgendwie zu überstehen. Also quasi das Gegenteil vom gemütlichen, zugewandten Familienmahl. Perfekt? Sicher nicht, aber eben das Leben!
Das ist friedvolle Elternschaft! Den nächsten für mich möglichen Schritt machen unter voller Berücksichtigung des Punktes, an dem ich real stehe.
An die Community insgesamt hab ich die große, große Bitte: Lasst uns anfangen – und ich möchte mich da mit einschließen – uns zu öffnen für die vielfältigen Lebenswege und die vielfältigen Möglichkeiten, die einzelne Eltern mitbringen. Lasst uns weniger darüber reden, was perfekt und richtig ist, und stattdessen mehr darüber, wo wir gerade stehen. Verletzlich. Unperfekt. Und von da aus, welchen nächsten Schritt wir gerade gehen wollen, was wir gerade ausprobieren, wo wir gerade scheitern. Das wünsch ich mir.
Vielen Dank, den Ansatz, die Unterschiede der Kindheitserfahrungen der Eltern/Mütter in die Beratung einzubeziehen, finde ich wichtig und richtig. Auch vom Perfektionismus und der Selbstoptimierung in der Mutterrolle wegzukommen ist gut. Was ich aber zu bedenken geben möchte ist, dass eine Mutter mit dieser geschilderten Gewalterfahrung und der damit offensichtlich bei Ihr damit verbundenen, sich in ihrem Verhalten gegenüber ihrem Kind massiv auswirkenden, Posttraumatischen Belastungsstörung unbedingt (neben der Ermutigung zum „aus dem Weg gehen„ oder Ähnliches) HÖREN UND WISSEN MUSS: „Ich habe ein therapiebefürftiges Problem! Ich muss mir helfen lassen, denn sonst laufe ich Gefahr, dieselben Dinge zu wiederholen, die meine Eltern mir angetan haben.“ Und dann sollten ihr Wege aufgezeigt werden, wie sie einen passenden Therapieplatz finden kann. Es gibt noch etwas, was ich zu bedenken geben möchte. Wir sollten, bei allem Verständnis, aller Unterstützungsbereitschaft für die vielen schlimm Unterprivilegierten, doch BITTE NICHT mit den typisch deutschen Schuldgefühlen kommen und uns schlecht fühlen müssen, nur weil wir evt eine gewaltfreiere, glücklichere Kindheit hatten. Jede(r) hat sein Päckchen aus der Kindheit zu (er)tragen. UND ich gebe zu bedenken, dass diese Prägungen und Traumatisierungen aus der Kindheit dermaßen stark sind, dass sie sogar z. B. bei Schlägern oder Mördern vor Gericht stets strafmildernde Berücksichtigung findet. Da können wir „mit unseren begrenzten Mitteln des Gesprächs unter Müttern nicht viel erreichen, denke ich. Ich war einmal Mutter von 4 Kindern (die ich nie geschlagen habe), hatte leider, zusammen mit meinen Geschwistern, eine sehr gewaltvolle Kindheit und konnte nur mit Hilfe von Therapien überleben.
Liebe Erika,
in meiner Erfahrung machen das Eltern schon sehr gut allein – sich belasten mit Ideen wie sehr problematisch sie sind. Und ich bin dabei, Schuld hilft niemandem. Aber eben auch und gerade Menschen mit einem „therapiebedürftigen Problem“ nicht.
Grüsse, Ruth
Das ist ein Artikel, der mich abholt. Derzeit werde ich immer wieder auf das Thema Privilegien gestoßen, aus ganz verschiedenen Richtungen, und das hier ist tröstlich und herausfordernd zugleich. Danke!
Liebe Ruth,
ich habe mich lange eher versteckt in der BO Blase und mich abgelenkt tiefer einzufühlen. Jetzt tut es oft weh, wenn alte Schichten in mir berührt werden. Dein Text trifft es so so auf den Punkt.
Ich bin in der DDR mit 6 Wochen abgegeben worden in die Krippe, mit 7 Wochen wegen falscher Nahrung ins Krankenhaus ohne Mama, damit sie arbeiten könnte.
Heute erst bin ich laut geworden, wegen in meinen eigenen Augen einer Kleinigkeit. Esnging um die Ungerechtigkeit, das die jüngere mehr Schoki hatte. Nein, es ist nicht klein für mein Nervensystem. Dann frage ich, warum sie nicht „einfach“ mich fragen, ob mehr da ist. In mir löst Streit ums Essen im Herzbereich Schock aus, das darf erst mal so sein und die Tränen fließen jetzt. Das hat mich lange in Teufelskreise Fällen lassen, weil ich nicht so friedvoll bin oder ich rein interpretiere, dass meine Kinder Angst haben nach mehr zu fragen….
Danke Ruth für das Thema.
Mein Tempo und meine Schritte wertschätzen.
Liebe Grüße Katja
Liebe Katja, ja, sei lieb zu dir. Es ist Mist und ungerecht, aber es ist wichtig dass du deine Geschichte anerkennst. Weil von DA aus gelingt Veränderung.
– Ruth
Danke schon oft habe ich darüber nachgedacht warum anderen Mütter vieles besser im Griff haben. Bin ich zu Faul oder einfach zu dumm zu verstehen und umsetzen zu können was in vielen Büchern über Bedürfnis orientierte Erziehung steht? Ich persönlich würde diese Frage für mich mit „Nein“ beantwortet! Aber was war dann der Grund? Gerade die Essensituation kann ich voll unterschreiben es macht mich wahnsinnig wenn die Kinder das Essen durch die Gegend schmeißen und damit dreck machen. Wo stehe ich gerade?
Ich muss beim Einkaufen immer aufs Geld achten einfach losrennen und einen neuen Joghurt kaufen weil 3 davon an der Wand kleben ( etwas überspitzt) ist da nicht so einfach drinnen. Des Weiteren hasse ich putzen, ja ich hasse es wirklich und nein ich habe auch keine Glücksgefühle wenn ich mit dem Putzen fertig bin und alles schön glänzt! Der Grund ist dafür liegt in sicherlich in meiner Kindheit nach dem Motto wenn du nicht aufräumst darfst du nicht zu Freunden usw. und egal wie ich mich angestrengt habe es war nie gut genug aufgeräumt. Ich hab für mich entschieden das ich keine Putzfee werde und lieber ein Kreatives Chaos bin was einfach versucht so wenig dreck wie möglich zu machen um nicht Putzen zu müssen. Nur sind meine Kinder da irgendwie einer anderen Meinung 😅
Ich hätte es ohne diesen Text niemals so in Worte fassen können, Danke!
Liebe Kerstin: Ganz wichtiger Punkt. Lösungen finden ist SO viel einfacher wenn man nicht arm, krank oder sonstwie am Rand der Gesellschaft gelandet ist! Das ist real – nicht alle Lösungen „gehen“ für alle. Danke fürs Teilen. Und: Erstens hat nicht jede alles im Griff und zweitens bist du absolut nicht falsch.
– Ruth
Liebe Ruth,
dieser Beitrag hat mich zu Tränen gerührt und ich habe mich gesehen und verstanden gefühlt.
Menschen mit Privilegien, die in emotionaler und materieller Fülle satt geworden sind, haben kaum eine Vorstellung von Verletzungen die weniger privilegierte Menschen haben können. Oft verstehen sie es lange selbst nicht.
Und so sehen die einen auf die anderen hernieder und die anderen blicken hungrig hinauf…
Dank Ruth
Liebe Carmen,
ja – und dabei ist es so wichtig dass wir mitdenken dass wir sehr, sehr unterschiedlich denken und leben.
– Ruth
Ich muss täglich üben mit *Andere sollten egal sein*. Man sollte nur gute Zugaben annehmen.
Ruth dein Spruch dass das allein MEIN WEG ist, hilft mir immer wieder.
Danke!!!
Wieder einmal sehe schön reflektiert. Ich selber sehe mich irgendwo zwischen den Stühlen – religiöse Erziehung mit Schlägen, aber auch viel Liebe innerhalb einer großen Familie. Das alles kam mit in die Begleitung unserer Kids und wurde dann on the flow ausprobiert. Beim ersten Mal ausrasten überkam mich meine Vergangenheit und die erziehungsmethoden meiner Eltern wie eine Welle und ich begann, alles zu hinterfragen. Ich begann mich ungesehen, warum man uns Menschen eigentlich nicht zwingt vor dem Eltern sein eine Prüfung abzulegen – wurde mir doch immer bewusster, dass wir hier an der Zukunft unserer Spezies ohne Ahnung herumverziehen und ihnen die Köpfe häufig mit viel zu viel Müll vollstopfen den wir selber nie hinterfragt haben.
So bin auch ich hier gelandet – und nicht NUR hier – viele andere Dinge haben mich seither dazu animiert mich weiterzubilden – vor allem auch persönlich – meinen inneren Schweinehund zur Mitarbeit zu bewegen und ihn ein wenig zu zähmen. Er sollte nicht mehr ungestüm auf meine Kinder losgehen dürfen. Gewaltfreie Kommunikation hat mir sehr geholfen mich selber besser kennen zu lernen und innerlich ruhiger zu werden. Und heute sehe ich Eltern wie mich zu seiner Zeit und empfinde nur Mitgefühl – lasse hier und da Kommentare fallen die zum nachdenken anregen sollen – zum hinterfragen oder einfach nur unterstützend – will des Nachbarn Kindern zeigen, dass es in Familien auch anders gehen kann – dass sie unsere Kinder als Menschen respektieren und sie sein lassen wie sie sind.
Immer wieder aber verfalle auch ich in alte Gewohnheiten – häufig als Stress, wenn mal wieder zu wenig Zeit für einen selber blieb. Dass zeigt mir immer wieder, dass dies eine kontinuierliche Reise ist. Man kommt nicht an – man setzt täglich einen Schritt vor den anderen und erlebt eben auch schon mal Rückschläge.
An alle denen es ebenso geht – durchhalten. Unsere Kinder werden älter und uns immer mehr von dem zurückgeben, was wir versucht haben ihnen zu schenken. Für mich ein schöner Gedanke der mich immer dazu animiert, nach den besten Lösungen für Ungleichgewichte im Haushalt zu suchen. Wenn wir da dran bleiben, wird es eine hoffnungsvolle Generation nach uns geben 🙂
Liebe Ruth! Ich danke dir von tiefen Herzen für diesen wundervollen Text & deine wertvolle Reflexion. Du hast mir einen neuen Horizont eröffnet!
Toller Artikel. Weckt mich auch im Hinblick auf Beobachtungen anderer auf, also wenn ich Situationen erlebe, wie andere mit ihren Kindern umgehen und das kaum ertrage und die Eltern stark negativ bewerte innerlich, mir klar zu machen: ich stecke nicht in ihrer Haut, weiß nicht, was sie gelernt, erlebt, mitbekommen haben. Was bemächtigt mich, da zu (ver-)urteilen?
Ganz genau – wissen wir, was da gerade los ist? Ob das nicht gerade das Beste war was ging? Fast immer ist die Antwort: Nein.
– Ruth
Volle Zustimmung! Wer, der sich „beziehungs und beürfnisorientiert“ nennt, hat noch nicht kopfschüttelnd auf die „Assi-Mama“ (überspitzt gesagt!!) herabgeblickt, die versucht, ihren Alltag mit „wenn Du jetzt nicht xy machst, kannst du das Eis heute vergessen“ o.ä. zu meistern versucht. Ich muss mich beschämt dort einreihen.
Eine ganz kleine Anmerkung noch zu dem Umgang mit dem Wort „Privileg“. Ein Privileg ist „ein Vorrecht, das einer einzelnen Person oder einer Personengruppe zugeteilt wird“, d.h. wie es früher z.B. beim Adel war (nur der Adel darf jagen). Heute müssen wir bitte von „Vorteilen“ sprechen, die wir durch z.B. unsere Herkunft haben. Privilegien haben wir, weil wir z.B, weiß und männlich sind, nicht, z.B. steht weißen Männern ja nicht per Gesetz ein höheres Gehalt für gleiche Arbeit zu usw, das ist ein strukturelles Problem, kein „Privileg“. Tatsächlich fällt mir für die heutige Zeit kein Fall mehr ein, wo man das Wort Privileg noch korrekt verwenden kann.
Als eine Mama, der punktuell vieles noch misslingt, die noch vielfach hadert mit dem, was ist, die gerne öfter geduldiger, gelassener und weniger perfektionistischer wäre, kann ich auf einen Punkt verweisen, der jeder und jedem offen steht, egal an welchem Punkt der eigenen Biografie sie oder er sich befindet: Fehler erkennen, an-erkennen und sich von Herzen entschuldigen. Viele Brüche können mit einer ehrlichen Annahme von Fehlverhalten geheilt werden. Letzthin sagte meine Fast-Fünfjährige zu mir: „Gell, Mama, ich glaube Dir nur, was Du lieb sagst. Die bösen Sachen nicht.“ Mir fiel ein Stein vom Herzen. Durch (viele, viele) Entschuldigungen hat sie irgendwie verinnerlicht, das in der Wut Ausgesprochenes (oder Getanes) nicht wahr ist. Sie wird von mir entsprechend vielleicht nicht Geduld und Gelassenheit lernen. Aber zu Fehlern zu stehen, und es (Mini-Schritt fr Mini-Schritt) besser zu machen versuchen. Als Kind habe ich für meinen Teil nie eine echte Entschuldigung gehört, nur Ausflüchte und Vorwände, und rückblickend ist dies für mich die schmerzhafteste Erfahrung meiner Kindheit.
Liebe Mila,
Ja, es ist wichtig da sehr klar zu sein und Verantwortung zu übernehmen wenn wir Mist bauen. Bin ich dabei! Allerdings ist das auf Dauer eben kein Ersatz oder Abwenden von dem Schaden, den wir, ob wir das nun wollen oder nicht, vielleicht doch verursacht haben.
Liebe Grüsse, Ruth
Ruth, D A N K E !!!!! 🙁
Liebe Ruth,
vor längerer Zeit ist in meinem Bewusstsein ein Begriff aufgetaucht, der mich seither beschäftigt. Ich hatte auch schon überlegt, dass ich irgendwann einmal dazu forschen und promovieren könnte.
Den Begriff der Milleufeindlichkeit. Jetzt habe ich die Idee, dass das nicht weit genug geht. Der Begriff des Privilegs ist da nur zum Teil mit bedacht. Er passt aber so gut zu der Grundidee die mich umtreibt.
Manchmal sieht man das Offensichtliche nicht. Danke, dass Du hier mein Hinweisschild warst.
Da arbeitet es jetzt in mir. Ich werde die Welt die sich in mir öffnet, jetzt erst einmal versuchen in mir zu integrieren. Mal schauen was in Zukunft damit passiert. Dankeschön <3