Ich könnte ausrasten.
Ey.
Immer wenn meine Tochter durch die Tür reinkommt, zieht sie sich aus. Sie bremst abrupt ab, bleibt wie angewurzelt stehen und streift alle ihre Klamotten ab, um nackt davonzuflitzen. Die Klamotten bleiben dann da so liegen. Klar. Sie hat ja zu tun.
Vollbepackt mit müdem Baby und tausend Dingen auf dem Arm jedes Mal eine haarscharfe Kurve hinlegen zu müssen, um sie nicht mitsamt ihren Ballerinaunterhosen mittels eines scharfen Tritts ins Kreuz durch den Flur zu befördern regt mich auf.
Jedes. Verdammte. Mal.
Wut und das Gehirn
Dabei ist es so lächerlich. Klar kann sie sich ausziehen. Ihr Körper, ihre Regeln (hier ein schönes Beispiel für den Umgang damit). Klar denkt sie nicht daran, ihre Sachen wegzulegen. Klar rennt und springt sie und klar hält sie abrupt an und denkt nicht an mich, die ich hinter ihr die Treppe hochschnaufe. Sie ist vier. Meine Güte.
Aber ich rege mich auf. Ich schimpfe, motze und maule herum, als hinge sonstwas davon ab.
Mehr noch, oft denke ich, während ich motze, dass es gerade vollkommen bescheuert ist und ich damit aufhören will. Das Problem ist, dass ich es nicht tue.
Wut ist nämlich ein Gehirnproblem.
Wenn wir wütend werden, feuert ein Areal unseres Gehirns, das lymbische System, und sendet ‚Notfall‘. Die Strategie: Angriff.
Dass das so schnell geht, ist ziemlich klar: Unser Gehirn ist für schnelle Problemlösungen gedacht, die im Notfall gar nicht erst den Umweg durch unser Bewusstsein gehen.
Wir handeln. Einfach so.
Und so kommt es, dass ich immer wieder da stehe und bedaure, dass ich wieder doofe Dinge gesagt habe. Dass ich gemein war. Dass ich ausgerastet bin.
Das Problem mit unseren Notfallstrategien ist, dass sie angelernt sind und nicht an Beziehung ausgerichtet. Sie sind effizient, ja, aber unsere Werte, das Abwägen unserer Verantwortung und all das – diesen Umweg gehen die Neuronen nicht. Sie feuern. Wir handeln.
Wenn das erstmal in Gang gesetzt ist, ist es extrem schwer, es aufzuhalten. Schließlich will uns unser Unterbewusstsein schützen, mit dem, was es zur Verfügung hat (hier wird deutlich, wie wichtig der Umgang mit aggressivem Verhalten ist – damit unsere Kinder ein größeres Repertoire lernen dürfen!).
Also ist es unglaublich wichtig, dass wir handeln, bevor wir in diese Situation kommen. Damit wir nämlich so handeln können, wie wir es eigentlich wollen. Und da ich bittere Erfahrung mit Wut habe, verrate ich dir heute exclusiv meine Lieblingsstrategien, um Wut abzuwenden:
1. Achte auf dich
Wut ist ein Seismograph. Bei Erdbeben ist es wie mit den Gefühlen: Ehe es rumst, baut sich längere Zeit Spannung auf. Um ein Erdbeben vorauszusagen, werden die Spannungen im Erdreich gemessen – um deine Wut zu verhindern, ist es wichtig, dass du die Fühler nach innen ausstreckst: Wie geht es dir? Wie fühlst und denkst du? Was brauchst du?
Und dann: Rechtzeitig gegensteuern. Nachhaltig gegensteuern.
Viele Menschen, die zu mir in die Beratung kommen, wissen gar nicht mehr, was ihnen gut tut. Wenn dir das auch so geht, hier ein paar Vorschläge:
- gutes Essen
- Sport, Bewegung
- Raus in die Natur, frische Luft
- Ruhe
- Tee oder Kaffee trinken
- Fernsehen oder lesen
Vieles davon ist mit Kindern wunderbar umsetzbar. Das Maß bestimmt dein innerer Seismograph: Zeigt er an, dass die Spannung nachlässt, ist es gut für euch alle.
2. Nimm dich ernst
„Ich hab gar keine Zeit für mich! Ich muss ja erst… und dann…“ so oder so ähnlich höre ich viele Eltern (und ich selber sage das noch viel zu oft).
Lass mich mal eben Klartext reden: Wenn du wütend wirst und Scheiße baust, ist das schädlich. Für dein Kind, weil es psychischer und eventuell gar physischer Gewalt ausgesetzt ist. Für eure Beziehung, weil dein Schreien, Nörgeln, Meckern und Abwerten das Vertrauen angreift. Und für dich selber, weil dieses Verhalten garantiert, dass du nicht bekommst, was du eigentlich willst: Verbindung (dazu Brené Brown in ihrem grandiosen Ted-Talk).
Also lass den Haushalt liegen, sag den Termin ab, scheiß auf die drei Torten, die du noch backen wolltest und steuere jetzt gegen. Für euch alle.
Und dein Kind kann dabei gleich erleben, wie wichtig du dich nimmst und wie Selbstfürsorge geht. Mach es ihm vor.
3. Eliminiere negative Energien
Manchmal, wenn ich mich so mit meinen Coachingklient_innen unterhalte, bin ich total erschrocken, in was für einer Umwelt sie sich da tapfer gegen Erziehung behaupten.
Da ist die Oma, die meint, dass früher alles besser war. Die Tante, die jeden Sonntag kommt und den Klaps empfiehlt, der ja ’niemandem geschadet‘ hat. Die Partnerin findet auch, dass Regeln aber sein müssen und man muss eben bestimmte Dinge. Und die Freund_innen auf dem Spielplatz sind regelmäßig beleidigt, warum das Kind bei Fehlverhalten nicht gemaßregelt wird.
In so einem Umfeld geht es dir wie dem Pinguin von Eckart von Hirschhausen: Du bist aus deinem Element. Ständig bist du dabei, dich abzugrenzen. Das ist sau anstrengend!
Achte darauf, dass du irgendwo deine Energien auffüllen kannst. Dass du Menschen in dein Leben lässt, wo du sein darfst, als Mensch und als Mutter. Das ist unendlich viel wert.
(Kleiner Tipp: Vielleicht gibt es ja auch in deiner Nähe ein unerzogen-Treffen? Wenn nicht, dann starte doch eines! Termine gibt’s im unerzogen-Magazin).
4. Beobachte deine Muster
Es gibt Dinge, die ärgern uns mehr als andere. Manche Menschen springen auf Unordnung an, andere auf Lärm, dritte auf Streit und Konflikte.
Finde deine Muster. Es bringt dir nix, zu wissen, dass deine Wut anderen schadet. Es ist wichtig zu wissen, wann sie auftritt, um dir helfen zu können.
Wut ist nicht da, um dich zu ärgern. Sie ist da, weil sie dich auf einen seelischen Notstand aufmerksam macht.
Neugierig und freundlich (!) auf dich zu schauen, wo sie herkommt, ist ein guter Beginn, um ihr den Stachel zu nehmen. Denn wenn Wut auf irgend etwas allergisch ist, ist es Empathie.
5. Achte auf deine Gedanken
Nein, das wird jetzt kein spirituelles Rumgehopse von wegen deine Gedanken formen die Welt.
Das ist nämlich beinharter Fakt!
Deine Gedanken formen, was du siehst und wie du es siehst.
In meinem Beispiel oben ist es nicht meine Tochter mit ihren Klamotten, die mich wütend macht. Es ist die Tatsache, dass ich denke, sie sollte das nicht tun. Dass ich denke, das sei respektlos. Unhöflich. Dass ich doch nicht ihr Diener bin.
Das macht mich wütend. Nicht mein Kind.
Das gilt für alle Gedanken. Achte auf sie. (Sehr hilfreich: Byron Katies Lieben was ist. Wie vier Fragen Ihr Leben verändern können
).
6. Mache dir die Wut zum Freund
Haha, ich kann dich gerade quasi vor mir sehen: „Hä? Liest die ihre eigenen Texte nicht? Oben schrieb sie, Wut sei voll schrecklich und schlimm für Kinder!“
Ja, aus Wut kann Schreckliches entstehen. Das der Wut zugrunde liegende Gefühl, die Aggression, ist aber unendlich wertvoll.
Wir brauchen sie, um das zu verändern, was uns daran hindert, so zu leben, wie wir wollen. Aggression treibt uns an. Aggression hilft uns, nicht aufzugeben.
Deine Wut ist außerdem ein Hinweis: Schau hin. Hier ist ein Schmerz, eine Trauer oder etwas anderes, was du – vielleicht schon vor langer Zeit – begraben hast.
Nimm es ernst. Es könnte ein Schatz auf dich warten.
Danke für die Post, oh wie gut ich das kenne 🙁 Fast jeden Tag könnte ich mich selbst ohrfeigen für mein Gemotze und Genörgele und für was? Unnötig, einfach unnötig…Ich hoffe nur, dass ich diese Wut mal in den Griff bekomme, ich kann mich schon selbst nicht mehr leiden. So wollte ich nie sein 🙁
Liebe Sabrina,
ich erlebe immer wieder, mit welcher Härte und Abwertung Eltern mit sich umgehen, wenn es um ihre eigene Wut geht. Das Problem ist, dass das meist zu einer Verschärfung der Lage führt – Wut braucht Einfühlung und Selbstliebe und Selbstempathie.
Sei sanft zu dir!
Alles Liebe, Ruth
Einfach Fantastisch
Toller Text! Ich habe auch so einen Trigger. Mein Sohn ist erst neun Monate und ich also noch am Anfang von überzogen. Ich könnte ausrasten in Situationen in denen sich mein Kleiner verletzen kann. Also wenn ich mit ihm auf der Couch sitze und er beginnt zu turnen oder wenn er sich an unmöglichen Stellen hochziehen will, wie z.B. meiner Schlafanzughose während ich mir die Zähne putze oder am Herd stehe. Dann legt sich in meinem Hirn ein Schalter um und ich könnte platzen. Es ist dann auch nicht mehr aufzuhalten. Ich vermute dass es daran liegen könnte dass die meisten Verbote in meiner Kindheit darauf gerichtet waren mich vor Gefahren zu schützen. Aber obwohl ich das weiß kann ich diesen Hebel in meinem Gehirn nicht feststellen. Schwächt das irgendwann ab? Wie ist das bei Dir? Wird die Wut weniger?
Liebe Susanne,
oh ja, das kann man lernen. Ich habe dafür eine Weile gebraucht (aber ich hatte auch keine Coachingmöglichkeit, wie es sie heute gibt 😉 ), aber ja, das ist möglich.
Gerade diese Wut, die so scheinbar irrational hervorkommt kann ein Hinweis auf massive Angst oder andere unterdrückte Gefühle sein. In meinem neuen Kurs werde ich mich damit befassen, sie aufzulösen. Vorerst hilft, den Trigger umzulenken: Laut singen, sich selber kneifen, atmenatmenatmen… Es gibt da vieles unterschiedliches, was helfen kann.
Das Wichtigste ist, dass du siehst, dass es deine eigene Verletzung ist, die da arbeitet und dass das Kind einfach nur dein Kind ist.
Alles Liebe,
Deine Ruth
Ganz toller Text? großes Lob an Ruth.
Das ist mir alles schon bewusst und in der Theorie ganz nett. Aber seine Stress Faktoren zu eliminieren bevor es zum Ausbruch kommt ist nicht immer möglich (Stichwort: Arbeit, Bedürfnisse des Geschwisterkindes, besondere Ereignisse wie z.B. Umzug) und an genau diesem Punkt funktioniert es für mich nicht. Ich glaube alle Mamis wären gern die super entspannten, liebevollen Beziehungsmuttis wenn sie könnten – aber viele können es nicht oder zumindest nicht immer, wegen Faktoren auf die sie keinen Einfluss haben.
Liebe Antonia,
ich kenne das sehr gut! Dass wir darauf, ob wir arbeiten oder umziehen, keinen Einfluss haben, ist allerdings so ja auch nicht richtig – wenn wir ehrlich sind. Und wenn wir ehrlich sind, machen wir uns extrem viel Stress selber.
Ich habe mein ganzes Leben umgebaut um glücklicher und gelassener meine Kinder begleiten zu können. Es ist eine Frage der Prioritäten. Heute mache ich Beratung und habe wenig Geld und dafür viel, viel Zeit mit meinen Kindern anstatt mit aller Gewalt mein Studium als Elite-Stipendiatin durchzuziehen… Ich weiß also, wovon du redest 😉 .
Liebe Grüße, Ruth
Und was tust du, wenn du gerne mit deinem
Kind leben möchtest, da du dieses ja unendlich liebst, aber das Leben mit Kind einfach hasst? Es macht mich wütend, dass wir stundenlang brauchen, um für einen 10 Minuten Einkauf mal eben das Haus zu verlassen. Oder generell für jeden Grund, das Haus zu verlassen. Es macht mich wütend, dass er immer noch solche Probleme mit dem Schlafen hat. Ich hasse es, dass wir kaum etwas unternehmen können, weil er ständig überreizt ist. Ich habe hier schon alle Arbeiten auf Sparflamme laufen, was mich aber auch stresst, da ich gerne eine Arbeit mit einem positiven Ergebnis mache. Ich habe selten Termine, ich habe keinen Druck, ich gehe noch nicht arbeiten. Und doch ist jeder Tag anstrengend. Er ist high Need. Benötigt PERMANENTE Zuwendung, ansonsten habe ich andauernde ausraster. Mal sitzen und einen Tee trinken? Da lache ich. Ich habe es eine Weile versucht, allerdings war das auf beiden Seiten nur Frust und somit habe ich das wieder sein lassen. Bis ich mit ihm in die Natur komme, dauert ewig und ich bin vorher geplatzt. Das dauert nämlich, wie bereits erwähnt, zwischen 2-3 Stunden.
Ich will gerne mit meinem Kind leben, ich will unbedingt dass wir das schaffen ohne dass ich mich ständig zusammenreißen muss, aber ich weiß nicht wie. Ich würde für ihn auch gerne kindergartenfrei leben, aber das würde ich vermutlich nicht überleben ?.
Ich hole mir Hilfe. Wirklich. Das klingt schrecklich und anstrengend.Ich habe da rausgefunden, aber ich habe viel Hilfe gebraucht. und ich habe mein Leben mehr so gestaltet, wie ich es leben wollte. Alles Liebe! Ruth
Wie sah diese Hilfe aus?
Liebe J,
dass hört sich sehr anstrengend an und ich glaube, dass ich es gut nachvollziehen kann. Genau das hätte ich vor 3 Jahren schreiben können…. Ich habe auch einen highneed Sohn und das erste Jahr war genauso schrecklich und voller Mühen. Inzwischen Leben wir tatsächlich kigafrei und ich habe schon sein zweites Geschwisterchen im Bauch. Man überlebt es also und mit einigem Dazulernen lebt es sich gar nicht so schlecht 😉
Zuerst möchte ich dir sagen: es WIRD einfacher!!! Dein Text ist ja schon etwas her, vielleicht hast du es selbst gemerkt, mit steigender Kommunikationsfähigkeit des Kindes sinkt auch sein Frust ein wenig. Gerade die willensstarken HN sind einfach sehr extrem, wenn es nicht läuft wie sie wollen. Da hilft es schon sehr, wenn er besser erklären kann, was er sich wie vorstellt. (wir hatten hier schon D R A M E N weil ich die falsche Tasse reichte…. Kommunikation hilft da ungemein 😉
Und dann hilft es, Strategien zu ändern, den Blickwinkel zu ändern…. Du sagst du hasst es, dass jeder Einkauf ein Tagesakt wird. Ging mir auch so, dann habe ich einfach ungeplant: der Einkauf wurde mein Tagesplan. Mit Kind Klamotten suchen (wichtig: Er darf aussuchen), ggf 30 Minuten zusehen, wie er versucht Schuhe anzuziehen, Treppen runterschleichen, jeden Stein umdrehen. Kind beim Einkauf einbeziehen, wenn er laufen kann, kann er evtl Wagen schieben oder Sachen holen… Ich habe mir jeden Tag nur eine Sache vorgenommen und dafür alle Zeit eingeplant, das hat den inneren Stress gemindert…. Du hast Recht, mit highneed ist Selbstfürsorge nicht so einfach. Meiner wollte auch 1,5 Jahre fast nie beim Papa sein. Versuche Dinge zu finden, die ihr zusammen machen könnt. Kakao trinken, kurz Film schauen, Tierdoku zB oder nach draußen (auch wenn es dauert loszukommen) irgendwo hin, wo er alles machen kann und möglichst wenig Eingreifen von dir erforderlich ist (keine Autos in der Nähe, Abgründe oder tiefe Wasser :-D…) vielleicht war etwas hilfreiches für dich dabei. Im übrigen kann ich dir nur sagen, dass ich mir mein highneed in einem kiga zumindest die ersten Jahre nicht hätte vorstellen können (und wir haben Eingewöhnungen versucht). Wir du schreibst, tritt einfach schnell eine Überreizung ein und ich habe gemerkt, dass es meinem Sohn ohne mich als Anker einfach nicht gut ging. Zuhause spielen wir uns ein und meistens geht es ganz gut (-:
Liebe Jaqueline, darf ich dich mal kontaktieren? Vielen lieben Dank! Liebe Grüße Janina
So geht es mir auch. Kein Freiraum, keine Pausen – da ist entspannt sein schwer 🙁
Dankedankedanke
Der Artikel kam wie gerufen.
(Bis auf die Empfehlung des Buches von Baron Katies, die halte ich eher für gefährlich denn hilfreich, aber man muss ja nicht 100pro, ne?)
Dankedankedanke ♡
Hallo Ann, vielleicht liest Du das hier nach 6 Jahren noch. 😉 magst du ausführen, was du Byron Katie gefährlich findest?
liebe ruth, dein blog tut mir so gut und ist wie ein befreiungsschlag zu büchern wie „jedes kind kann regeln lernen“ etc. welche nur druck und schlechtes gewissen bei einem aufbauen, da man dieses erziehungssystem nie wirklich schaffen kann, ohne dabei durchzudrehen.
ich selber bin seit vier monaten auch dreifache mami und unter der woche beinahe allein erziehend, da mein mann viel auf geschäftsreisen ist – und ich kann dir sagen, ich komm regelmäßig an meine grenzen.
was genau hast du mit folgender aussage gemeint:
„Also lass den Haushalt liegen, sag den Termin ab, scheiß auf die drei Torten, die du noch backen wolltest und steuere jetzt gegen. Für euch alle.“
wie steuere ich dagegen? wenn ich in einer situation bin, wo ich am ausflippen bin und stress hochkommt, weil mein 2jähriger bub zum x-ten mal auf das baby losgeht und gleichzeitig meine 4jährige heult, weil sie nicht in ihr ballett-tütü reinkommt?
in der praxis weiß ich oft nicht, wie ich das umsetzen kann…
über ein paar ganz praktische helferchen in extremsituationen um gegenzusteuern würd ich mich wahnsinnig freuen.
liebe grüße, pez
Krass! Genau das ist/vielleicht war mein Problem. Meine Tochter (20 Monate) hat, wenn sie etwas anderes wollte als ich (auf die Straße laufen, mit den Spielsachen anderer Kinder weglaufen, nicht gewickelt werden usw.), mich gebissen. Daraufhin habe ich sie grob festgehalten und sehr bestimmt NEIN! gesagt – ehrlich gesagt, sie vom Nahen angeschrien. Die Folge: sie war traurig, ich war überfordert, erschrocken von mir und sehr wütend; erstmal miese Stimmung. Abends habe ich mich selbst dafür fertig gemacht. Viele – auch andere Mütter – haben häufig gesagt, dass es ihnen auch so geht, dass das nun mal eine anstrengende Phase ist, ich ja alleinerziehend bin, wie sie sonst lernen soll, dass gewisse Dinge nicht gehen usw. Daraufhin habe ich mich irgendwie bestärkt gesehen und mich ein wenig in meiner Ohnmacht ausgeruht. Denn ich konnte diesen Impuls einfach nicht kontrollieren. Mein innerer Vulkan MUSSTE sich immer entladen. Aber dann habe ich’s wieder nicht ausgehalten. Und auch wenn es schwer ist, Veränderung bedeutet auch immer Schmerz, ich will keine Mutter sein, die ihr Kind anschreit, ausschimpft oder gar körperlich gewalttätig wird. Nun habe ich es doch geschafft – zumindest schon ein Mal! dieses Erfolgserlebnis gibt mir so viel Kraft und Optimismus, dass ich hoffe, dass ich mich nachhaltig regulieren kann. Und das Geheimnis ist … Trommelwirbel … 1) Situationen voraus schauen und es gar nicht soweit kommen lassen, dass ein großer Frust bei ihr entsteht, dass sie um sich schlägt. 2) Locker bleiben und nicht alles so verbissen sehen – z.B. Unordnung auch mal aushalten können 3) Mehr Zeit für „schwierige Projekte“ wie z.B. Wickeln einplanen 4) Sanfte Übergänge schaffen – vom Spielen zum Wickeln: erst mal ein bisschen hüpfen oder Quatsch machen 5) Ganz wichtig: IHRE Perspektive einnehmen. LG und danke für Deinen Artikel.
Oh wie schön zu lesen! Das freut mich aber. Alles Gute dir!
Ruth
Liebe Ruth!
Danke Dir fuer diesen( und auch andere) Artikel!
Wir befinden uns gerade auch auf der Motz- und Anschreistrasse mit unserem 4-jaehrigen.Und ich will das nicht mehr!
Hier entstehen solche Situationen gerade weil er uns viel haut und kneift und kein Stopp wird angenommen.Auch der Kontakt mit kleinere Kindern ist sehr anstrengend, da er sie (im Spiel) permanent umwirft, schubst, kneift haut, … etc…Ich wuensche mir sehr seine Beduerfnisse hitner diesem Verhalten zu erkennen und ruhig darauf zu reagieren… aber gerade wenn ich permanent gehauen und geschubst werde(dazu noch im 7. Monat bin)… da brennt bei mir schon mal was durch und ich schnauz ihn an…. und dann fuehl ihc mich schlecht wenn ich in dieses kleine, verstoerte Gesicht gucke… 🙁 och menno……
Oh man Ruth,schön geschrieben. Leider weiß ich nicht wo ich bei mir ansetzen muss. Ich mutiere bei Schlafentzug zum Arschloch (entschuldige die Wortwahl – doch nur diese ist passend). Die erste Zeit mit Baby war schrecklich und auch jetzt neige ich noch zu Schreiereien und Gewaltausbrüchen ( Dinge zerstören) , wenn mein Kind krank ist. Mein verstand sagt mir ganz genau, dass mein Kind am wenigsten dazu kann und indem ich schreie, merke ich schon wie scheiße ich bin und dann geht der Selbsthass erst richtig los. Seit über einem Jahr versuche ich aus dieser Schleife herauszukommen( unterstützend Psychotherapie weil ich so eine Kackmama nicht sein will) und es deprimiert mich, es nicht zu schaffen. Was sollte ich beim nächsten mal tun, wenn mein Kind krank ist? Ich weiß ja vom Verstand her, dass es vielleicht 3 Nächte in Folge sind, in denen ich sehr wenig Schlaf bekommen werde. Das schützt mein Kind und mich aber nicht davor, dass ich wieder zum motzenden bis schreienden Arschloch mutiere.Nachts!
Tagsüber bin ich dann ungeduldig und fühle mich schuldig.
Ich will das nicht mehr :‘-(
Oh je, das verstehe ich SO gut! Ich hole mir mittlerweile sofort UNterstützung (auch bezahlte), wenn ich in herausfordernde Situationen komme, und verwöhne mich hemmungslos. Das hilft ganz gut.
Grüße, Ruth
Wahnsinn, manchmal sehe ich wirklich die einfachsten Lösungen nicht. Auch ich bekomme ein Wutproblem, wenn ich müde bin. Manchmal schon dann, wenn ich noch gar nicht müde bin, sondern nur Angst habe, dass ich am nächsten Tag müde sein könnte, weil Kind das 5. Mal die Nacht wach ist und gefühlt stundenlang turnen muss, ehe es wieder Schlaf findet. Das zehrt mich aus und ich habe keine Motivation mehr, etwas zu tun, rauszugehen oder den Tag sinnvoll zu gestalten und werde dann bei Kleinigkeiten mega wütend und motze rum. Ich finde mich dann selbst ätzend. Und dann lese ich hier „Hilfe holen und mich selbst verwöhnen“. Was für eine naheliegende und an sich einfache Lösung! Danke, das war genau der Tipp, den ich brauchte, ich rufe jetzt erstmal die Oma an und ich gehe 2 Stunden ins Schwimmbad und ziehe Bahnen, bis ich wieder ausgeglichen bin.
Interessant, was du da schreibst.. .
Ich bin oft wütend, weil mein Kind / meine Kinder nicht tun, was ich von ihnen erwarte. Es fühlt sich sofort so an, als könnten sie alles mit mir machen. Ich fühle mich ohnmächtig. Ist es nicht respektlos? Kann ich da jetzt darüber wegsehen? Was ist aber beim nächsten Mal? Vielleicht liegt es auch an meinem Selbstbild und dem Selbstverständnis wie ich aufgewachsen bin und welche Werte mir vermittelt wurden…
Ich werde deine Tipps mal ausprobieren. Lg
Liebe Ruth, ich finde deine Tipps super hilfreich. Ich habe da ein kleines Problem aber mit der Präsentation der Wut. Wut an sich ist nicht schlimm (das was du im letzten Tipp als Agression bezeichnest). Wut ist eins der Grundgefühle. Schlimm sind einige Arten, wie man seine Wut zum Ausdruck bringt. Und darin liegt die Kraft. Dass ich lernen kann, meine Wut produktiv zu leben, statt destruktiv. Da hilft die GFK von Marshall Rosenberg sehr.
Hallo Ioanna,
da bin ich deiner Meinung. Ich würde da mit Jesper Juul zwischen Aggression, dem Impuls zur Verteidigung von Integrität, und Wut, dem (destruktiven) Äußern von derselben unterscheiden.
Beste Grüße, Ruth
So wundervoll geschrieben, Dankeschön. Es ist absolut ätzend viele Leute um sich zu haben, die anderer Meinung sind, bezogen auf „wie ich mit meinen Kindern umgehe“ und das Schlimme daran ist,dass es sehr nahe Verwandte sind. Ich merke,dass ich anders reagiere,wenn jemand in der Nähe ist,der anders denkt. Meine Mutter zum Beispiel, die mich nach dem alten Konzept erzogen hat, wenn sie denn da war und jetzt bei mir reinredet und gegen redet. Es ist so schon alles anstrengend finanziell etc zu wuppen, ich arbeite aber daran,damit es mir und meinen vier Jungs besser geht. Der erste Schritt war die Trennung vom Vater meiner Kinder. Es gibt so vieles, das ich schreiben möchte,das würde aber den Rahmen sprengen 😉 ich hoffe nur, dass ich mehr Leuten begegne, die es so sehen, wie du es so wundervoll schreibst und ich es umsetzen will. Danke
Liebe Ruth,
viele Deiner Texte mag ich unglaublich gern! Den hier auch. Da ist so viel drin. UNd mag Deine Art zu schreiben. Hab vielen Dank für Dein unermüdliches Engagement. Alles Liebe, Susanne
Liebe Ruth,
Danke für den schönen Artikel. Das ist hier inmer wieder ein Thema. Unsere Kinder sind 6 Jahre, 22 Monate und 9 Monate. Gerade der mittlere Sohn ist wahnsinnig eigersüchtig auf die kleine Schwester. Er haut ihr immer wieder Sachen auf den Kopf und wenn ich ihm sage, dass das so nicht geht weint er immer bitterlich. Er macht es, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich werde aber immer furchbar wütend, weil ich dann immer zwei weinende/schreiende Kinder auf einmal habe. Und dann werde ich unserem großen Sohn nicht mehr gerecht, weil die zwei Kleinen mich so sehr vereinnahmen. Es ist wirklich eine Herausforderung und oft bin ich überfordert und das macht mich nur noch mehr wütend ?
Ich würde deine Wut da nochmal seperat anschauen. Das lohnt sich oft! – Ruth