…Eltern sein dagegen sehr. Oder?

Und das liegt nicht selten an anderen Eltern. Leider.

Wenn ich mit meinen Klient_innen spreche oder mich im Internet umsehe unter Eltern, stelle ich immer wieder fest, wie viel Erziehung, Machtmissbrauch und schlicht total bescheuertes Verhalten auf einer Idee fußt: Was die anderen denken könnten.

Könnten. Wohlgemerkt. Entscheidend ist der Konjunktiv.

Lass mich eben das Offensichtliche daran aussprechen. Wir wissen nicht, was die anderen wirklich denken. Echt. Nie. Was sie erwarten oder brauchen oder was auch immer. Wir wissen das nicht. Es ist also so, dass wir uns kolossal irren können, wenn wir die Blicke der anderen interpretieren. Ihre Gesten. Ihre Worte.

Ja, selbst wenn sie es sagen: Was sie wirklich brauchen und wie es ihnen geht, das können Menschen sehr, sehr selten ausdrücken.

Schonmal ein angenehmer Gedanke, oder? Der führt gleich zu meinem ersten Tipp an dich: Mach den Pippi-Langstrumpf-Move!

Ich mach mir die Welt…

Dein Kind will auf dem Spielplatz nicht den anderen Kindern Platz auf der Rutsche machen. Du bist unsicher und versuchst zu verhandeln.

Und dann siehst du die Blicke der anderen.

Stell dir einfach vor, sie denken etwas Nettes. Unterstelle ihnen das Netteste, was irgend möglich ist. Denke immer daran: Wir alle geben das Beste, was wir können. Wenn Menschen abwertend oder aggressiv reagieren, haben sie einen guten Grund (was ihre Handlungen nicht rechtfertigt!).

Denk dir einen guten Grund für ihre Blicke, Äußerungen und Handlungen. Interpretiere das Positivste, was du dir vorstellen kannst. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt! Aliens, Leichen im Keller und ein Pokémon auf deiner Nasenspitze sind ausdrücklich erlaubt.

Diese Art, mit anderen umzugehen, tut niemandem weh und hält dein ‚Beziehungsohr‘ offen.

Die Augen der anderen

Ein wirklich spannendes Phänomen ist, dass die ‚Augen der anderen‘, die wir wahrnehmen, immer dann so drückend auf uns lasten, wenn wir unsicher sind.

Das kennst du vielleicht auch – bestimmte Themen sind für dich gar nicht diskutabel. Und da spricht dich komischerweise auch niemand drauf an. Und die Blicke, die siehst du auch nicht.

Sobald du unsicher wirst, tritt ein Teil von dir in Resonanz mit der Umwelt, die ebenfalls zweifelt oder offen kritisiert. Wenn du innerlich schwankst ‚Soll ich sie nun von der Rutsche zerren? Oder ist das zu gemein? Aber was ist, wenn sie das nun NIE lernt?‘ – dann wird es dir schwer fallen, die Sicherheit auszustrahlen, die Eigenverantwortung mit sich bringt.

Auch hier empfehle ich einen spielerischen Umgang. Fake it ‚til you make it!

Eine Übung, die mir bei Unsicherheiten (in der Vergangenheit – das ist auch eine gute Nachricht: Es geht vorbei, sobald du sicher wirst!) geholfen hat, ist, mir vorzustellen, ich würde einen Film drehen. Darin zeige ich, wie eine nicht erziehende Lösung des Problems aussehen kann.

Wenn du arg angespannt bist ob der Blicke der anderen, stell sie dir als Zuschauer_innen vor. Gibts doch immer an einem Filmset!

Was ich sagen will, ist: Imaginiere deine Situation so, dass du wieder zu dem kommen kannst, was wirklich wichtig ist. Zu der Beziehung mit deinem Kind.

Was ist dir wirklich wichtig?

Das ist nämlich der Mist, wenn du den Blick der anderen im Kopf hast. Du verstellst die Beziehung zu deinem Kind.

Anders gesagt: Du entscheidest dich für die größtenteils lediglich imaginierten Erwartungen anderer und gegen dein Kind.

Uff.

Krass, oder?

Dein Kind hat aber keine sozial anerkannten Sanktionsmaßnahmen. Es hat keine Lobby. Es hat, wenn es klein ist, nur sehr begrenzte Möglichkeiten auszudrücken, was es braucht.
Es braucht deine Hilfe, dein Ohr, deine Empathie. Wenn dein Kopf aber besetzt ist von stressigen Gedanken über andere, kannst du nicht mehr offen sein.

Deswegen liegt mir dieses Thema am Herzen. Auch ich erschrecke immer wieder, wie schnell ich Dinge tue, weil ich denke oder mir vorstelle, dass andere das wollen könnten.

Hä? Wie doof ist das denn?!

Wir sind soziale Wesen und wollen immer kooperieren. Dieser ‚vorauseilende Gehorsam‘, etwas zu tun, weil wir denken, dass andere das eventuell erwarten könnten, ist ein super Beispiel dafür. Wir wollen dazugehören und anerkannt sein. Alle.

Such dir also ein Umfeld, dass dich nährt. Das hilft sehr. Dicke Empfehlung!

Sei die_der Verbündete deines Kindes. Das heißt nicht, dass du alles gut finden musst! Das heißt, dass du auf Gewalt und Gehorsam verzichtest, und zwar konsequent und zuverlässig.

Wenn du an der Seite deines Kindes bist, wird es auch viel eher deine Bedürfnisse und Wünsche hören können. Zumindest meine Kinder spiegeln mir immer deutlich, wenn ich nicht mit ihnen, sondern gegen sie agiere. Kennst du das?

Anderen die Macht zu geben, die Verbindung zu deinem Kind zu kappen, ist einfach Mist. Auch für die Beziehung zu den anderen! Die kriegen dann nämlich die Verantwortung für dein Handeln. Blöd für dich, blöd für dein Gegenüber. Und katastrophal für dein Kind.

Mit ‚Giraffenohren‘ hören

Zu guter Letzt: Ich bin ja ein Fan sozialer Abläufe. Ich finde es gar nicht schlecht, wenn wir erleben, was andere Menschen gut finden und was nicht.

Ein offenes Ohr und Auge zu haben für die Bedürfnisse anderer ist eine wunderbare Sache.

Das kann man lernen. Zum Beispiel mit der Gewaltfreien Kommunikation. Meine Empfehlung dazu immer wieder: Marshall Rosenbergs Gewaltfreie Kommunikation.

Wenn du die Kraft hast und zuhören kannst, sprich sie doch an, die ‚anderen‘. Ob es ihnen gut geht und was dein Eindruck ist. Was sie sich wünschen. Das musst du ja noch lange nicht machen – aber zuhören und Empathie kann mensch gar nicht genug in diese Welt bringen. Finde ich.