Kennst du das? Du willst, dass deine Kinder etwas tun (oder sein lassen). Und irgendwo in deinem Hinterkopf sitzt eine Stimme, die sagt ‚… denn Kinder brauchen Grenzen‘.
Das sagen schließlich Bestsellerautor_innen, die Nachbarin und diese fiese Stimme eben auch. Und irgendwie fühlt sich das dann falsch an. Grenze setzen macht Bauchgrummeln. Keine Grenze setzen auch. Und nu?
Meist spürst du, dass diese ‚Grenze‘ die du da ziehen willst, künstlich ist. Es gibt keine ’natürlichen‘ Grenzen. Es gibt nur Hindernisse.
Dass du eigentlich einfach nur deinen Willen durchsetzen willst, zum Beispiel. Oder dass du deine Bedürfnisse – nach Schutz, Ruhe oder Verbindung – unbedingt erfüllen willst. Und dafür fällt dir nichts besseres ein, als die zu begrenzen, die gerade deinen Kontakt suchen: Deine Kinder.
Kinder brauchen Kontakt, keine Grenzen.
Aber: Ist es denn nicht wichtig, dass du dich erwehrst, wenn ein wütendes Kind dich angreift? Oder wenn es sich weigert, seine Schuhe anzuziehen?
Ist das nicht eine Grenze?
Nein.
Ich glaube: Das ist Humbug. Was du meinst ist Verantwortung. Für dich und andere. Und das ist einfach etwas komplett anderes. Grenzen verteidigen wir. Verantwortung haben wir. Grenzverteidigung geschieht gegen andere – Verantwortung nehmen wir für uns und andere wahr.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich schlage nicht vor, dass du dich nun hauen lässt (wenn es dich denn wirklich stört). Oder deine Dinge ungefragt nehmen lässt. Und ich schlage auch nicht vor, dass du dich zu etwas zwingen lässt, was du nicht tun magst. Das mag niemand.
Ich glaube nicht, dass Kinder Grenzen brauchen (das habe ich hier schonmal erzählt). Und ich glaube auch nicht, dass du und ich Grenzen haben.
Wir sind doch kein Staat.
Aber der Reihe nach. Was ist nun an dem Begriff so schlimm?!
Warum Grenzen Beziehung verhindern
Grenzen. Eine Metapher.
In seiner bahnbrechenden Arbeit zeigte George Lakoff, wie Metaphern bis in unsere Gehirnstruktur wirken. Metaphern aktivieren einen bestimmten, verknüpften Assoziationsbereich. Deswegen sind berühmte Reden mit kraftvollen Metaphern angereichert (diese hier zum Beispiel)
Grenzen, das ist das, worüber wir in der Politik diskutieren, das was für so manchen Menschen mit dem falschen Pass zum Verhängnis wird. Grenzen sind Verhinderer. Bei mir. Sie separieren. Sie werden durch Kriege und Elend verteidigt. Und bei dir? Was denkst du, wenn du ‚Grenze‘ denkst?
Grenzen. Willkürlich gesetzt und mit Macht verteidigt. Will ich das wirklich im Alltag mit meinen Kindern? Nicht, wenn ich nicht erziehen will. Wenn ich friedlich mit meinen Kindern leben will.
Und dann ist da noch das Problem, dass ‚Grenze‘ als Wort eine Tatsache verschleiert: Du kannst ja oft sehr wohl gut damit leben, wenn sie ‚überschritten‘ wird.
Oft ist das unangenehm. Aber allermeistens möglich.
Ich hätte immer gedacht, dass ich absolut nicht damit leben kann, nachts ständig geweckt zu werden. Niemand hätte das mit mir machen dürfen. Aber hallo! Da hab ich doch ne Grenze!
Ja – und dann bekam ich Kinder. Die mich nachts weckten und schrieen und gar nicht fähig waren, sich überhaupt für meinen Zustand zu interessieren. Für meine ‚Grenze‘.
Und also überschritt ich sie. Und das auch noch gern.
Da war nichts endgültig.Es war nur unangenehm.
Und das suggeriert dieses Wort eben auch: Endgültigkeit. Wo keine ist. Oft nutzen Menschen das Wort ‚Grenze‘ und meinen dabei ihr Unwohlsein; Es ist keine Grenze erreicht, wenn ein Kind eine Gurke auf den Boden wirft. Echt nicht.
Das nervt. Das kann ärgerlich machen oder Unwohlsein auslösen bei anderen. Aber nein, eine Grenze – etwas sehr definitives, etwas, was du brauchst um dich zu schützen, das ist nicht da. Es ist eine Gurke. Keine Grenze.
Beziehung statt Begrenzung
Und wenn du nicht mehr an Grenzen und Überschreitung und Verteidigung denkst, dann kommst du weiter: Dann fallen dir Lösungen ein für die Gurke. Du könntest:
- Dem Kind etwas anderes zum Runterwerfen anbieten,
- die Gurke Gurke sein lassen und später aufheben,
- auf dem Boden weiteressen,
- etwas ganz anderes tun.
Denn du brauchst nichts mehr verteidigen. Du musst deine Macht nicht mehr gebrauchen gegen dein Kind. Du darfst lösungsorientiert denken. Beziehungsorientiert. Glaub mir, das ist viel geiler als sauer sein wegen einer Gurke!
Ja, gut. Aber ich kann doch nicht alles einfach erlauben? Man hört das geflügelte Wort von Kindern, die Grenzen brauchen, doch immer und überall. Da muss doch was dran sein? Ich kann doch nicht einfach alles erlauben?
Nein. Kannst du nicht. Weil es unheimlich viele Dinge im Leben eines Kindes gibt, die echte Grenzen sind.
An einem wunderschönen Sommerabend saß eines meiner Kinder weinend am Fenster. Es brauchte eine ganze Weile, bis es mir, erschüttert schluchzend sagen konnte, was los war: Es wollte den Mond berühren. Das ging nicht. Und mein Kind war ganz entsetzt, dass auch ich ihm da nicht helfen konnte. Es war nicht möglich, den Mond zu berühren. Aber das brauchte ich nicht künstlich zu inszenieren, um einen Lerneffekt (der meist keiner ist) hervorzurufen. Ich verweigerte ihm auch keine Hilfe oder beschloss willkürlich, den Mond außerhalb seiner Reichweite zu platzieren – es war, wie es war. Und mein Kind trauerte darüber.
Unsere Kinder sind uns und ihrer Umwelt in vielerlei Hinsicht komplett ausgeliefert. Sie sind so hilflos, dass die Gefahr eines Entwicklungstraumas besteht, wenn wir ihnen nicht helfen. ‚Ergänzungsbedürftigkeit‘ nennt Ekkehard von Braunmühl, der Vater der Antipädagogik, diese Eigenschaft von kleinen Menschen. Kinder brauchen uns. Um sich in der Welt und all ihren natürlichen Begrenzungen zurechtzufinden. Um mit Emotionen umzugehen. Um zu lernen.
Mich und andere schützen – ja, bitte!
Und dann gibt es noch die Dinge, die du nicht zulassen willst.
Das ist bei jedem Menschen und von Stimmung zu Stimmung anders; Manchen ist Lärm unerträglich. Manche wollen nicht, dass ihnen weh getan wird. Das ist nicht universell. Das ist noch nicht einmal gleich bei jedem Menschen.
Ich finde das Wort ‚Grenze‘ auch da unzureichend. Dort ist es nur wichtig für dich, auf deine Integrität zu achten. Und das kannst du am besten, in dem du von deinen Gefühlen berichtest. Und Lösungen findest.
Was brauchst du dafür?
Erstmal musst du nur ’nein‘ sagen. Dann herausfinden, was dein Kind braucht. Und dann eine andere Lösung finden. Und manchmal wirst du feststellen, dass es keine Lösung braucht. Oder dass dein Kind dein ‚ja‘ so dringend braucht, dass du es dir anders überlegen willst.
All das geht aber nicht, wenn du starr in ‚Grenzen‘ denkst. Das geht nur, wenn du in Verantwortungskategorien denkst.
Daran, was du brauchst und wofür du einstehst. Daran, dass du allein für dein Wohlergehen und deine Integrität zuständig bin. Und daran, dass du gleichzeitig für das Wohlergehen deines Kindes verantwortlich bist.
Deine Lösungen mögen dann unvollständig und nicht immer befriedigend sein – aber sie sind in Liebe und Verbindung entstanden. Nicht im Grenzverteidigungskampf.
Oh wow. Dankeschön für diesen tollen Beitrag!
<3 mehr davon bitte! 🙂
Oh vielen Dank! Mehr folgt!
Danke dass Du ganz in meinem Sinne schreibst und ich das jetzt frohen Herzens auf meingeliebteskind teilen kann <3
Liebe Katharina, gern – da freu ich mich 🙂
Einfach nur toll.ich lese schon lange in der unerzogengruppe auf fb mit,aber das ist nochmal richtig richtig super!!!
Vielen lieben Dank! Das freut mich zu lesen! Grüße, Ruth
Krass, ich bin gerade erst auf deinen Blog gestoßen, aber das sind ja wohl alles unglaublich gute Texte! So vieles, das ich bisher empfinde, teilweise auch praktiziere, aber oft nicht gut begründen kann – und du findest so klare, verständliche Worte dafür. Danke!
Vielen lieben Dank, da freu ich mich aber, über so freundliche Worte… Grüße, Ruth
Hallo,ich lese gerade da erste Mal von Dir, bisher zwei Beiträge und es deckt sich viel mit meinen Überlegungen zu der Erziehung meiner kleinen Ladies. Ich finde so dämliche Regeln sich furchtbar. Aber es gibt Situationen wo 100% Gehorsam gefragt sind, zb wenn ich noch darauf verlassen muss, dass mein Kind auf mein „Stopp“ reagiert wenn wir an eine Straße kommen. Wie setze ich so etwas durch, ohne verbohrt die Freiheit meiner Kinder zu beschneiden? In solchen Momenten ist keine Zeit „erstmal gemeinsam eine Lösung zu finden“… wie machst du sowas?
Liebe Bilke,
es ist ein ganz gängiges Missverständnis, dass ohne Erziehung leben bedeutet, dass Kinder in Not nicht geschützt werden (können). Gut, dass du da nochmal nachfragst!
Wenn ein Kind auf die Straße läuft und in Gefahr gerät, mache ich das, was ich auch bei einem Erwachsenen machen würde – ihn_sie retten! Das ist doch klar! Nur sind solche Situationen, in denen wirklich Gefahr droht, sehr selten, wenn wir ehrlich sind. Und in ihnen ist auch keine Gehorsam nötig. Wir greifen im Notfall auch gegen den erklärten Willen eines anderen dessen körperliche Integrität an. Aber eben nur im Notfall.
Also: In echten Notfällen ist kein Gehorsam vom Kind, sondern der Einsatz schützender Macht vom Erwachsenen gefragt. In allen anderen Situationen gilt, was ich in meinem Artikel beschrieben habe – gemeinsame Lösungen auf Augenhöhe, Vertrauen und Beziehung sind wichtiger als Gehorsam.
Die Verantwortung liegt dabei beim Erwachsenen. Nicht das Kind muss verlässlich auf ‚Stopp!‘ hören, sondern der Erwachsene in seiner Verantwortung für das Kind verlässlich dafür sorgen, dass es sicher ist.
Hat das deine Frage etwas klären können?
Grüße, Ruth
Es fehlt mir leider eine wesentliche Komponente im Umgang mit Kindern, die Vorbildfunktion die Erwachsene/ Eltern haben und wie Kinder sich zu einem nicht unwesentlichen Teil daran orientieren. Zudem, finde ich das herumreiten auf dem Wort Grenzen auf Dauer einfach anstrengend. Schon mal probiert ein anderes Wort zu verwenden, der womöglich auch mit einer anderen Konnotation versehen ist? Zum Beispiel: einen Rahmen schaffen. Ein Rahmen kann Schutz und Orientierung bieten und freie Bewegung zulassen (gilt übrigens für beide Seiten), wie weit und flexibel ich den Rahmen gestalte liegt in meiner Verantwortung (der Person mit Erfahrungsvorsprung). Das tragen der Verantwortung für mein eigenes tun und das meiner kleinen Kinder kann mir niemand abnehmen.
Tatsächlich habe ich eben das anderer Stelle schon vielfach ausgeführt – dass es um Verantwortung geht und der Begriff Grenzen genau deswegen so schwierig ist. Ich lade dich ein, dich weiter damit zu befassen! Grüße, Ruth
Laut STOPP rufen, wenn das Kind auf die Straße zufährt, klar.
Wenn man auf die Straße fährt, wird man vom Auto angefahren – das ist ja keine „erfundene“ Konsequenz sondern eine natürliche… Das ist eine Grenze, wo man als Erwachsener die Kindern schützen muss, auch mit „Macht“ oder „Gewalt“ (festhalten, laut rufen). Der Artikel beschäftigt sich aber doch gar nicht damit, die Kinder auf die Straße laufen zu lassen.
Wir haben unserem kleinen Sohn (1,5) immer erklärt „wenn Du auf die Straße läufst, machen die Autos bummm“ (leichtes Klopfen auf seine Brust). Jetzt ist er 3 und wir kommen mit Anhalten an Ampeln etc. sehr gut klar, ich begleite ihn aber nach wie vor immer „so, hier ist eine Ampel, wir müssen hier anhalten, guck, es ist rot – willst du drücken? Guck, jetzt fahren die Autos. Jetzt halten sie an, es ist grün, jetzt können wir zusammen rüber“.
Hi Bilke,
stimmt, IN der akuten Lebensgefahrsituation, muss ich Kinder mit (fast) allen Mitteln davon abhalten, auf die Straße zu gehen. Aber meist befinden wir uns nicht IN der Situation, sondern zwischen diesen Situationen, da kann präventiv oder postventiv gehandelt werden. Und dies muss nicht autoritär, sondern kann sehr gut im Dialog auf gegenseitiges Verständnis basierend geschehen.
Präventiv
*kann ich dem Kind erklären, dass Autos schnell fahren und einem wehtun, wenn sie einen treffen
*ich kann mit Spielzeugautos und Männchen demonstrieren, was passieren kann
*kann ich vorausschauen handeln:
Nehmen wir an, das Kind will seinen Ball mitnehmen und ich habe Angst, dass der Ball auf die Straße rollt, es hinterherennt und dabei etwas passiert. Ich hätte den Ball am liebsten zu Hause gelassen, was für das Kind natürlich inakzeptabel war. Muss es mir dann gehorchen und den Ball zu Hause lassen? Nein. Es geht auch anders: Ich habe dem Kind aktiv zugehört: „Du hast große Lust, deinen Ball mitzunehmen. Du spielst sehr gerne mit dem Ball, nicht wahr?“ Ich habe dem Kind gesagt, dass ich es verstehen kann, aber dass ich nicht möchte, dass es dem Ball auf die Straße hinterherrennt. Sondern, dass i c h das tun möchte und erst schauen werde, dass kein Auto kommt. Das Kind hat sich mit den Worten: „Ja.“ und „Autos tun weh, da muss man aufpassen.“ damit einverstanden erklärt.
Und postventiv? Wi reagieren wir da? Wie reagieren die meisten Eltern, wenn sie ihr Kind festgehalten oder gar zurück auf den Gehweg gezogen haben?
Sie schimpfen, machen Vorwürfe, äußern Negativgefühle. Aber wie fühle ich mich wirklich, wenn ich ein Kind davor gerettet habe, an- oder überfahren zu werden? Ich bin erleichtert und froh. Das kann ich meinem Kind sagen, in den Arm nehmen und: „Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist.“ (Das nimmt den Kindern auch den Wind aus den Segeln, sodass sie dann gar nicht (so sehr) wüten, weil es wehgetan hat, als wir sie zurückgezogen haben oder weil sie gekränkt sind, weil wir ihnen nicht zugetraut haben, selbst zurückzuspringen.) Und danach ist jede Menge Zeit, um dem Kind aktiv zuzuhören – was äußerst wichtig ist, denn die Situation war nicht nur für uns beängstigend, schokierend ect., sondern auch und gerade für das Kind. Wenn das Kind wieder ruhig, gelassen und entspannt ist, können wir in einen Dialog gehen und ich kann nicht mehr nur aktiv zuhören, sondern auch Ich-Botschaften senden! Hierbei kann sich dann auch eine Lösung abzeichnen. Aber vieleicht ist die auch gar nicht mehr nötig, weil wir durchs aktive Zuhören bereits verstanden haben, wie es zu dieser gefährlichen Situation kam (Versehen) und das Kind z. B. für die Zukunft schon eine Lösung dies zu vermeiden gefunden hat
Ich bin schon gespannt, was du dazu meinst!
Liebe Grüße
Sanftmut tut gut!
Liebe Ruth,
ich lese gerade sehr interssiert deinen Blog und finde viele Ansätze nachvollziehbar, aber frage mich wie genau man das umsetzen kann. Du hast die Frage von Bilke nicht ganz beantwortet. Mich interessiert aber sehr, wie machst du das in der Praxis, gerne das Beispiel mit der Straße (leider sind das für mich keine seltenen Situationen, sondern Alltag)?
Für Anregungen wäre ich sehr dankbar.
Liebe Grüße
Jule
Na, so wie bei einer erwachsenen Person – die schütze ich, wenn sie auf die Straße rennt. Du doch auch, oder? 😉
Bei allem anderen zeige ich auf, was mir wichtig ist und bin verhandlungsbereit. Nicht erzogene Kinder, die die Sicherheit haben, dass sie nicht gezwungen werden, sind meiner Erfahrung nach auch sehr viel eher bereit, Kompromisse zu schließen und vertrauen auf die Erfahrung älterer Menschen.
Ruth
Liebe Ruth,
danke für deine Antwort. Aber heißt das wirklich, ich muss meiner 4jährigen jetzt immer hinterher laufen beim Fahrradfahren, um sie im Notfall von der Straße zu ziehen, falls sie nicht stehen bleibt? Der Vergleich mit Erwachsenen hinkt ein bisschen, da Kinder nun mal einfach nicht den Straßenverkehr so einschätzen können.
Um wirklich überzeugend zu sein, muss eine Argumentation schon schlüssig sein. Die hier ist es leider nicht.
Und ich bin wirklich geneigt, vieles so zu sehen wie du, aber bei vielen Dingen fehlt mit der Realitätsbezug. Zum Beispiel würde mich auch deine Einstellung zu Gewalt unter Kinder interessieren. Ich habe selten zweijährige erlebt, mit denen man wirklich über die Vernuftsebene aushandeln konnte, dass Hauen und Schubsen nicht okay ist.Mit zunehmendem Alter ändert sich das sicher, aber gerade in dem Alter ist das ein großes Thema.
Vielleicht ist das ja auch ein spannendes Thema für einen Blogeintrag?
Liebe Grüße
Jule
Ich sehe das genau wie Jule. In einer Welt, die so wäre, wie ich mir das wünsche, würde ich sagen, OK, wir brauchen keine Grenzen. Aber leider ist die Welt nicht so, wie ich sie mir wünsche. Straßen stellen eine tödliche Gefahr für Menschen und besonders für Kinder dar. Wegen meiner sollte es keine Autos geben, so dass Kinder gefahrlos und grenzenlos ihre Umwelt erkunden können. Leider gibt es sie aber und so muss ich Grenzen setzen. Die Grenze, die da lautet:“ Spiel, Spaß und Quatschmachen muss leider an der Straße aufhören, denn hier müssen wir dem Verkehr 100% unserer Aufmerksamkeit widmen. ich finde das Scheiße, aber das ändert nichts an den Tatsachen. Die Grenze setze also im Grund nicht ich, sondern unsere lebens- und kinderfeindliche Umwelt. Ähnliches gilt für Selbstbestimmung beim Aus- und Einsteigen in Bus und Bahn, kein Busfahrer, keine U-Bahn wartet bis das Kleinkind sich nach langem Zaudern entschließt auszusteigen. Auch hier Konflikte über Konflikte, aber hier geht es einfach nicht anders als dem Kind Grenzen seiner Macht aufzuzeigen, will man nicht stundenlang mit Bus und bahn sinnlos durch die Gegend kurven. Schlussendlich denke ich, dass auch kinder lernen müssen sich Gegebenheiten anzupassen, denn das Leben ist ja kein Wunschkonzert, das müssen wir alle lernen und Kinder, von denen immer alle Frustrationen ferngehalten wurden, entwickeln sich selten zu empathischen und umgänglichen Zeitgenossen, sondern eher zu fordernden Egoisten, die meinen einen verbrieften Anspruch darauf zu haben, immer zu bekommen, was sie wollen.
Tatsächlich ist das eine gängige Angst, dass Menschen, die Hilfe bekommen anstatt künstlicher Grenzen, Egoisten werden. Die unerzogenen Kinder, die ich kenne, belehren mich eines besseren.
Übrigens ist das ein Missverständnis, dass ich Frustration fernhalten will von Kindern. Ich wünsche mir Eltern, die die Verantwortung übernehmen für ihre Handlungen und schützend eingreifen, wann immer das erforderlich ist. Das Konzept der Grenze ist dabei nicht vonnöten.
Dass unsere Umwelt sehr kinderfeindlich ist und natürlich einem Kind genau wie jedem anderen Menschen nicht alles möglich ist, bestreite ich nicht. Die Dinge jedoch, die ich ändern kann und wo ich helfen kann, da helfe ich gern. Das gilt im Straßenverkehr wie auch woanders – ich bin verantwortlich. Darüber veröffentliche ich heute noch einen Blogartikel 🙂 .
Grüße, Ruth
Keiner muss frustration von kindern fernhalten. Wenn das Kind frustriert darüber ist das du es aus der Bahn getragen hast wo es doch selber laufen wollte kannst du ihn hinterher in seinem Frust begleiten und wenn sichs beruhigt hat ihm erklären warum du so gehandelt hast.
Alles geht nicht aber ich kann so viel es geht ermöglichen.
Liebe Jule,
magst du mal ein paar Situationen beschreiben, die für dich analog zum Straßenbsp. gehen?
Vielleicht habe ich (oder die Anderen) die eine oder andere Idee dazu?
Liebe Grüße
Sanftmut tut gut!
Ich liebe deine Texte. Danke dafür. Es ist immer wieder wichtig, sich das vor Augen zu führen und da helfen deine Texte mir sehr!!
Hi Ruth, ich finde deinen Artikel sehr interessant. Oft habe ich mich gefragt, ob ich das nicht immer gesellschaftstaugliche Verhalten meines 2jährigen nur deshalb nicht ständig eingrenze, weil mir oft die Energie fehlt und ich dann nicht gerne laut werde. Stattdessen gehe ich meistens kreativ mit den Situationen um, sodass eine positive Stimmung bleibt. Trotzdem habe ich immer das Gefühl, dass ich vor mir selbst meine eigene Lockerheit oft rechtfertigen muss. Und sobald andere Mütter und Kinder im Spiel sind, traue ich mich kaum so locker zu sein, da die meistens strenger sind…
Hallo Ruth, ich finde das Konzept superspannend, aber im Alltag zwischen Kindern stoße ich echt an meine (eigenen) Grenzen. Wenn der Freund meines Sohnes Paul, strikt nach diesem Konzept aufwachsend, Paul seine Sachen wegnimmt, bittet Paul ihn zunächst kompetent, ihm sein Spielzeug zurückzugeben, was der aber nicht will. Irgendwann ist Paul völlig hilflos weil er seinen Freund ja nicht schlagen soll, und alle Erwachsenen sitzen minutenlang um das Kind herum, es anflehend ob ers nicht vielleicht doch bitte bitte zurückgeben will weil der Paul ja jetzt so traurig ist. Der Freund sonnt sich sichtlich in der Aufmerksamkeit, hat das Spielzeug und Paul sitzt fassungslos daneben. Das ist doch das Recht des „Stärkeren“ in Reinformat, oder? Hast Du irgendwelche Tips, wie man damit umgehen kann?
Hey Lea,
klingt als wären die Kinder noch klein. Da würde ich anderes Spielzeug geben oder ablenken und vor allem kurz abwarten. Druck aufbauen und anflehen und einem kleinen Kind die Verantwortung für die Gefühle anderer geben ist gemein. Helfen bedeutet trösten, begleiten und Ideen entwickeln, nicht richten und werten.
Grüße, Ruth
Kinder brauchen Grenzen und diese suchen sie auch. Sie wollen lernen was richtig und was falsch ist und testen aus. Wenn man es dann ignoriert, wie sollen sie es lernen? Klar unwichtige Dinge sollte man nicht bewerten und sie auch mal machen lassen. Die Kunst ist es ein Mittelweg zu finden. Das wichtigste in der Erziehung meiner Meinung nach ist Liebe und Konsequenz. Ich bin Erzieherin und sehe oft dass die Kinder die so Erzogen werden und Grenzen kennen sozialer sind und sich in vielen Dingen einfacher tun. Natürlich ist es von Kind zu Kind unterschiedlich und manche brauchen weniger Grenzen als andere, weil sie vom Typ anders sind. Aber Tatsache ist, dass in einer größeren Gruppe das Miteinander nicht ohne Regeln funktioniert und ohne Grenzen drunter und drüber geht. Wer sich nicht an Regeln hält muss nun mal die Konsequenz erfahren und Grenzen gesetzt bekommen. Sonst würden die Regeln immer wieder gebrochen werden. Spätestens als Erwachsener nützt es nicht mehr sich auf den Boden zu werfen um etwas zu bekommen. Je frühzeitiger man das lernt um so einfacher hat man es im Leben. Man kann viel Verständnis für die Kids haben, aber ab einem gewissen Punkt sollte man auch mal Spiegeln wenn das Verhalten nicht in Ordnung ist. Denn Kinder sind nicht blöd und verstehen durch aus wann eine Grenze berechtigt ist. Außerdem sind sie oft auch dankbar, da sie in ihrem Verhaltensmuster festsitzen. Grenzen geben Sicherheit und mit dieser können Kinder ihr Verhalten ändern und aus Verhaltensmustern aussteigen.
Es gibt auch „natürliche Grenzen“, Bertrand Stern hat das in diesem Video erläutert:
https://www.youtube.com/watch?v=w55cjNoHzq4
Danke für deine Beiträge! 🙂
Schön, dass sich auch eine Erzieherin zum Wort meldet – ich dachte schon, ich sei vom falschen Stern.
Seit über 20 Jahren leite ich für 3-5jährige die Ballschule in unserem Verein.
Es mag daran liegen, dass ich älter geworden bin (wobei man da eigentlich oft geduldiger wird) oder es liegt an genau solch unerzogenen Kindern: es macht keinen Spaß mehr.
Kinder, die keine Grenzen kennen, funktionieren nicht in der Gruppe (bei uns: 15). Wenn dann noch mehrere auf einem Haufen sind, ist man die ganze Stunde Ballschule mehr am reden, als am Spielen.
Zum Verständnis: ich setze schon immer auf den Gruppendruck: wenn ein Kind nicht mit macht, machen alle erstmal nichts. Das regeln dann die Kids mit dem Kind.
Alternativ hat das Kind, das nicht möchte, die Option zuzuschauen. Nur die anderen stören ist nicht erlaubt.
Hat man aber mehrere Kids, die nie gelernt haben, dass man auch mal Dinge (aufräumen?) tun muss, die man nicht möchte, ist die Stunde fürn A….
Ich habe selbst 3 Kinder. Ich bin sehr dafür, Kinder selbstständig zu erziehen, sie vieles alleine machen zu lassen.
Entscheidungen treffen, Demokratie lernen.
Aber machen wir uns summa summarum nichts vor: allein das beibringen von etwas ist Erziehung. Schließlich habe ich meinem Kind etwas so beigebracht, wie ICH es für richtig halte (= ich habe es in die Richtung ERZOGEN, die ICH für richtig halte).
Die ganze Drumrumrederei über ‚unerzogen‘ ist eine Farce.
Gefährlich und mein Problem als Trainerin der Ballschule sind die Eltern, die das missverstehen und ‚laissez faire‘ als ‚Erziehungsstil‘ anwenden..
Hallo Tina!
das ist witzig, dass du gerade die Ballettschule anführst – da wurde meine Tochter immer für ihre herausragende Disziplin bewundert. Ganz ohne Erziehung tut sie das weil sie will und weil sie sicher vor ZWang ist.
Meinst du denn, dass alle die Kinder die du als störend empfindest nicht erzogen worden sind, in Gleichwürdigkeit und Liebe? Oder glaubst du dass sie gar keine Beziehung (= laissez-faire) erfahren haben? Das wäre zwar sehr schade ist aber auch nicht die Idee von unerzogen.
Liebe Grüße, Ruth
@Tina:
Sehe ich auch so. Ich oute mich mal als Vater. Meine Frau zieht das unerzogene Erziehen ( pardon nichterziehen) voll durch und unsere Tochter (2) ist also Mittelpunkt. Frau links, ich rechts. Mir pers. geht dies komplett gegen meine innere Überzeugung wie mit Kindern umgegangen wird, wir man was beibringt, wie man Grenzen aufzieht und Kindern dazwischen sich entwickeln lässt.
Ich kann mir bei leibe nicht vorstellen, dass Kinder mit 1 oder 2 Jahren selbst entscheiden können und das große ganze sehen. Es ist doch wesentlich, dass man seine Lebenserfahrungen mit nimmt und dies in der kindlichen Erziehung einbaut.
Meine Frau sagt immer, Erziehung ist Gewalt und das will sie nicht. Nun gut, das ist ihre Meinung die ich akzeptiere, aber was mach ich dann bspw. Wenn das Kind keine Windel anziehen will aber sie noch nicht das Wasser lassen bemerkt / steuern kann. Aufm Topf will sieh ja auch nicht und was ist denn nach dem unerzogenen Lebensstiel die richtige Lösung? Kind so rumrennen lassen bis es nass ist? Das Kind will raus – geht ja im Herbst nicht. Hier ist eine Blasenentzündung sehr wahrscheinlich. Autofahren geht auch nicht, der Kindersitz wäre sonst nass. Alles Dinge die meines Erachtens ungeklärt sind. Scheiss auf die Gurke, die liegt bei uns lange am Boden, auch das restliche Essen. Das kann man tolerieren, aber ich ( meine Frau in übrigen auch, wenn es auch andere sind ) stoßen immer wieder an die Grenzen, wenn Tochter was will / nicht will und sich dadurch der Tag so nicht gestalten lässt. Gut zureden bringt nix.
Und wenn ich in die Zukunft sehe frage ich mich, was aus der Menschheit wird.
Hallo Rene,
freut mich dass du hier schreibst, dir Gedanken machst, dich mit unerzogen auseinandersetzt und die Meinung deiner Frau grundsätzlich akzeptieren möchtest.
Natürlich lernen Kinder gerne, auch und gerade von ihren Erwachsenen Bezugspersonen. Ich spreche gerne mit einem Kind zeitweise Englisch, auch wenn es das noch nicht versteht (bzw. nur einzelne Wörter), ich lese auch gerne Tiernamen und Beschreibungen vor und lasse die Kinder dann raten welches Tierbild dazu passt. Ich gebe gerne etwas weiter, es macht mir Spaß, wenn Kinder etwas Neues lernen. Es ist alles kein Problem (und widerspricht nicht der Antipädagogik), solange es beiden Seiten Spaß macht; solange kein Druck und Zwang aufgebaut wird oder unbeabsichtigt entsteht. Beibringen hat für mich den Touch von der Erwachsene bestimmt, wann und was das Kind lernen soll, ob es will oder nicht, deshalb mag ich den Begriff nicht.
Zu deinen konkreten Bsp. mit der Windel und Toilette:
Wie macht ihr das im Moment? Zieht ihr ihr eine Unterhose und Hose an oder lasst ihr sie unten ohne herumlaufen?
Was glaubst du, welche Gefühle und Bedürfnisse dahinter stecken, dass sie keine Windel anziehen will?
Weche Bedürfnisse und Gefühle vermutest du dahinter, dass sie nicht aufs Töpfchen geht?
Im unerzogen Lebensstiel gibt es übrigens kein richtig oder falsch, sondern wird jenseits dessen gedacht. Außderdem ist das Erkennen der unglaublichen Vielfalt der Lösungsmöglichkeiten das Besondere, statt sich auf eine, maximal zwei zu fixieren und diese durchzusetzen.
Liebe Grüße
Sanftmut
Welch gelinde gesagt seltsame Problemstellung. Welche Grenzen? Als unsere „Kinder zur Welt“ kommen sollten, war schon klar, dass wir viele Nächte nicht durchschlafen werden. Das Kümmern da lies die körperliche Nähe aus der Schwangerschaft zwar nicht erhalten, wohl aber eine Vertrauensbasis. Mit den alltäglichen Aktivitäten bildete sich bei ihnen recht schnell ein Tag-Nacht-Rhythmus heraus. Für uns gab es da keine zu durchbrechenden Grenzen.
Wir beeinflussen unsere Kinder mit den sozialen Regeln, die sie bei uns erleben, vom ersten Tag ihrer Entstehung an. Spätestens nach der Geburt sind sie kommunikationsfähig. Und wir freuen uns. Und wundern uns manchmal über unsere Engstirnigkeit…ohne die Fragen wegen der runtergeschmissenen Gurke beantworten zu wollen.
Aber ich erwarte auch von anderen Eltern soziale Kompetenz und mehr als achselzuckendes Zuschauen, wenn unserem Kind etwas Liebes weggenommen wird. Das zerstört Vertrauen in Emotionen.
Hallo! Wir sind uns da offenbar ganz einig. Nur, dass ich nirgendswo davon schrieb dass Achselzucken eine angemessene Reaktion sei. Erziehung ist es aber auch nicht.
grüße, Ruth
Vielen Dank für diesen Beitrag. Es ist wirklich ein spannende Sichtweise über die ich noch mehr ubd intensiv nachdenken werde… Eine echte Inspiration!!! Gerade die Sache mit den Grenzen und der Verantwortung. Und was passiert wenn meine Grenze überschritten wird?!Gerade als Eltern stoßen wir doch nochmal schneller an Grenzen wie mir/uns eigentlich lieb wäre. Ich glaube es ist auch eine Frage des Vertrauens sowohl in mich selbst als auch in mein Kind. Und ich glaube, es ist auch sehr entscheidend wie ich etwas vorlebe und mich selbst verhalte. Den in dem Verhalten meines Kindes erkenne ich so manches mal mein eigenes wieder…
Ehrlich gesagz verstehe ich das Konzept nicht. „Achsel zucken“ sei keine angemessene Reaktion auf Rüpelhaftigkeit des Kindes „Erziehung“ aber auch nicht; ja was denn dann? Ist nicht jede Art von Reaktion „Erziehung“? So wie man sie eben für richtig hält?
Ich möchte das Konzept der „Unerzogenheit“ nicht gleich veurteilen, aber verstehen tue ich es noch nicht. Es scheint als ob Regeln der Gesellschaft als Grenzen verstanden werden. Für mich sind Grenzen aber eher in der eigenen Persönlichkeit liegende Hindernisse (Angst bspw.), die überwunden werden können.
Für die Definition wie sie im Artikel angewandt wird, schließe ich mich dem obigen Kommentar an: Einen Rahmen geben. Wie flexibel der ist, muss jeder selbst wissen.
Es gibt da eine genaue Definition, was Erziehung ist und was nicht.
Zwischen Achselzucken und Erziehung liegt genau die Welt die es zu erschließen gilt. Es ist tatsächlich zunächst unvorstellbar, wie Beziehung jenseits von Erziehung denkbar ist! Deswegen gibt es diese Seite.
Grüße, Ruth
Früher habe ich immer geantwortet auf die Frage : Wie erziehst du deine Kinder? Konsequent inkonsequent! Das hieß je nach Situation ,handel ich anders, Ich bin kindlichen Argumenten immer erlegen, wir haben alles ausdiskutiert, immer Lösungen gefunden! Ich kannte diese Art des Umgang von meinen Eltern und es war mir selbstverständlich nicht über die Köpfe meiner Kinder zu entscheiden! Früher war ich ein Außenseiter, wie könnte man 5 Kinder so „ erziehen“ und siehe da sie gediehen noch prächtig?! Schön dass es heute diese Bewegung : unerzogen gibt , die immer mehr Anhänger findet! Ich hätte gerne früher eine Bezeichnung gehabt für meinen Umgang mit meinen Kindern?bedürfnisorientiert erklärt es auch gut! Dass es klappt und der einzige Weg ist, habe ich an mir und meinem Brider erlebt, an meinen Kindern,,die Alle ihren guten Weg gefunden haben, nun geht es in die Enkelgeneration! Leider gibt es aber nicht nur die Bewegung unerzogen , sondern auch viele junge Eötern , die erschreckend konservativ denken,. Durch das Verschwinden der Kinder aus dem Alltag:(man sieht ja nur noch Babys beim Einkaufen,) alle anderen Kinder sind zu 90% bis 16:00 in Kitas und HBGs, fangen an Kinder zu stören! Früher habe ich seltener Außenstehende erlebt , die sich ständig einmischen , wenn Kinder sich auf den Boden schmeißen und trotzen! Mich stört es nicht, ich steh darüber, wir klären egal ,wo die Situation,! Aber es zeigt mir wieder ,dass wir langsam eine Parallelwelt entwickeln, Kinder hier , Erwachsene da! Wir lassen erziehen! Traurig traurig! Ich werd gerufen, mein Enkelchen schreit Oma, ich hol sie schnell aus dem Familienbett?Mama und Papa schlafen weiter, der Vorteil , wenn die Generationen unter einem Dach leben ! Mit liebem Gruß Andrea
So ein schöner Kommentar! Danke dir, dass du so Viele wichtige Dinge ansprichst? Du bist eine Traum-Oma!
Hallo! Ich bin auch Erzieherin und sehe das ein bisschen anders als meine Berufskolleginnen hier. Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit dem Thema „Beziehung statt Erziehung“ und fahre in der Arbeit mit meinen Kids sehr gut damit. Für mich ist das Schlagwort „Unerzogen“ eng Verknüpft mit dem Konzept der „gewaltfreien Kommunikation“ nach Rosenberg. Ich versuche „eine Pädagogik des guten Grundes“ zu leben, sprich: Jedes (kindliche) Verhalten beruht auf einem (für das Kind) guten Grund. Genau hinzusehen und zu hören welches Bedürfnis (welcher „Grund“) hinter dem Verhalten des Kindes steht, war für mich bis jetzt immer sehr erhellend und hat mir im Umgang mit den Kindern immer sehr geholfen.
Eltern, die mit ihren Kindern, wie die Autorin, „unerzogen“ leben, sind für mich in meiner Arbeit nicht die, die „klassisch unerzogene“ Kinder haben. Ihre Kinder sind meist Kinder die Dinge hinterfragen, auch mal wehement ihre Meinung vertreten- und das sind für mich sehr positive Eigenschaften. Als im alten Volksmund „unerzogen“ erlebe ich hingegen oft die Kinder, die von ihren Eltern besonders stark reglementiert und mit Regeln und Konsequenzen in ein „Korsett“ geschnürt werden. Oft sind diese Kinder dann in der Kita permanente „Grenzüberschreiter“ oder überangepasste Ja- Sager. Und wer sich beschwert, dass Kinder „unhöflich“ sind, z.B. kein „Guten Tag“ oder „Bitte und Danke“ mehr kennen, dem sei gesagt, dass Kinder diese Werte nicht durch „Erziehung“ lernen, sondern nur durch ein positives Vorbild.
Ich könnte jetzt ewig über das Thema weiterphilsophieren…
Lange Rede, kurzer Sinn: Für mich hat „keine Erziehung“, sprich „unerzogen“ leben, nichts mit „laissez-faire“ zu tun, wenn man das Konzept richtig verstanden hat!
Liebe Grüße, Juliana
Danke, Juliana!
Gern!? Mach weiter so!
Hallo,
auch Ich möchte mich zu dem Thema „Grenzen“ gerne noch äußern. Ich bin erst 23 und mein Sohn ist auch „erst“ 7 Monate alt. Trotzdem beschäftigen mich diese Erziehungsmethoden schon sehr lange und jetzt in Hinblick auf die kommenden Jahre noch mehr.
Ich kann also nicht mit sonderlich viel Erfahrung prahlen. Die einzige Erfahrung im Bereich Erziehung meinerseits ist jene, die ich als Kind/Teenager (und leider auch noch als Auszubildende) gesammelt habe. Die Erfahrungen waren da sehr sehr unterschiedlich. Jetzt als Mutter habe ich die Möglichkeit die Medaille mal von der anderen Seite zu betrachten/ für mich eine große Chance zu wachsen.
Meine Mutter selbst hat uns (sie hat 5 von uns) wohl eher „unerzogen“ durch die Kindheit begleitet. Wenn ich es jetzt im Nachhinein betrachte gab es für uns eigentlich tatsächlich fast ausschließlich natürliche Grenzen. Meine Eltern sind beide nicht streng/ganz im Gegenteil! Ich würde sagen: Wir hatten als Kinder die Wahl. Was nicht bedeutete, dass wir tun und lassen konnten was wir wollten und uns selbst überlassen wurden,aber wir wurden mit einbezogen und meiner Mutter war die persönliche Beziehung zu uns stets wichtiger als starr einem Erziehungskonzept oder bestimmten „Grenzen“ zu folgen. Manchmal hat auch sie sich verleiten lassen uns Strafen oder Schimpfe zu erteilen, beides hat mich im Nachhinein eher verletzt und erniedrigt, da fühlte ich mich eher hilflos und ausgeliefert, als verstanden. Es war also alles andere als sinnvoll, geschweige denn hilfreich, solche Methoden anzuwenden.
Meine Ausbilderin war für solche Methoden ein Extrembeispiel, was für mich als eher antiautoritär erzogenes Kind/noch Teenager in dieser Zeit eine große Herausforderung war, mit dieser Person und ihrem Verhalten (inklusive ihrer Macht über mich, die sie schonungslos immer wieder demonstriert hat) umzugehen.
Ich habe fast NICHTS von diesem Umgang miteinander gelernt, außer wie man andere Menschen erniedrigt und dass diese „Grenzen“, Strafen u.ä. nichts anderes als beziehungsschädigend sind. Eine Sache die ich dabei „gelernt“ habe war noch, dass es nun mal solche Menschen gibt (wer weiß, was diese in ihrer Kindheit erlebt haben) und dass auch wenn es schwer fällt es sich lohnt liebevoll und verständnisvoll mit ihnen umzugehen (oder es zumindest zu versuchen). Auch heute beobachte ich unter Erwachsenen oft noch, dass sie sich gegenseitig versuchen zu „erziehen“ und dabei alles mögliche aus ihren Kisten holen um den anderen zu bestrafen, erniedrigen oder schlecht zu machen. Schade, was Erziehung für Auswirkungen haben kann, wie ich finde.
Mich persönlich bringen schon alleine meine bisherigen Erfahrungen (aus der Sicht des „Erzogenen“ ) dazu sehr viele Erziehungsratgeber in die Tonne zu treten und vieles was heutzutage als „nötig“ erklärt sehr kritisch zu hinterfragen.
Für mich als angehende Mama schließe ich daraus, dass ich meine Kids wohl eher unerzogen durch ihre Kindheit begleiten werde.
Kinder brauchen meiner Meinung nach keine Grenzen, sondern funktionierende Beziehungen und vorgelebte funktionierende Beziehungen.
Die Verantwortung für diese Kinder liegt bei mir (und nur sehr gering bei Nachbarn, anderen Mamis, Freunden usw.) und meine Macht als Elternteil sollte meiner Meinung nach schützend (zum Wohle des Kindes) eingesetzt werden und nicht um meine eigenen Interessen,Wünsche und Bedürfnisse zu stillen und zu „verteidigen“.
Ich bin sehr dankbar diesen Blog gefunden zu haben! Danke, dass es Dich gibt liebe Ruth. Danke, dass du deine „Methoden“ so öffentlich mitteilst!
Liebe Grüße Clara
Die ewige Diskussion über Grenzen…
Grenzen… Brauchen Kinder Grenzen? Nein, Sie HABEN Grenzen. Wie du und ich. Wie alle Menschen auf dieser Welt. Wir haben Grenzen, Schmerzgrenzen, denn wir sind Körper und der Körper hat Grenzen. Der Schmerz ist unser ewiger Begleiter und ihn zu leugnen wäre realitätsfremd.
Eigene Schmerzgrenzen spüren, zu denen stehen und wenn nötig verteidigen. Nach innen schauen…
Kinder, wie alle Menschen auch, brauchen Kommunikation. Sie wollen wissen wo die Grenzen sind, damit sie die respektieren können. Zeigt den Kindern Grenzen, aber EURE Schmerzgrenzen und nicht die der Kinder, Überschreitet nicht die Grenzen der Kinder, respektiert sie und sie werden die eigenen Grenzen spüren.
Hallo, ich bin gerade auf deine Seite gestoßen, weil ich dich mit lifewithsandyandbenny im Interview gesehen habe und einige Unklarheiten aufkamen. Ich dachte ich lese nochmal genau nach und versuche es zu verstehen. Aber ich verstehe es nicht. Warum brauch ich für etwas, was Erziehung beschreibt einen neuen Begriff? Und was ist denn daran unerzogen? Ich praktiziere genau, was du beschreibst, das Beispiel mit der Gurke ist super! Auch das Beispiel mit dem Mond habe ich in anderer Form schon oft erlebt und habe mein Kind beim Akzeptieren dieser „Grenze“ begleitet und unterstützt. Sie wollte so gerne, dass heute schon Donnerstag ist, weil an diesem Tag etwas stattfinden sollte, worauf sie sich so freute. Aber was ist daran unerzogen? Sie lernt doch trotzdem durch mich, auch wenn ich nicht schreie und schimpfe. Auch wenn ich noch so sehr versuche ihre Persönlichkeitsentwicklung nicht zu beeinflussen, tue ich es doch trotzdem, allein weil ich mit ihr lebe. Ich finde all diese Diskussionen um Begrifflichkeiten so zermürbend. Egal wie es heißt oder wie man es benennt, es bleibt doch das gleiche: eine liebevolle, von Verständnis geprägte ERZIEHUNG. In der ich mein Kind natürliche Konsequenzen erfahren lasse. (Wenn ich meine Puppe im Garten liegen lasse, wird sie nass) und sie vor gefährlichen Konsequenzen schütze (überfahren werden), die sie noch nicht einschätzen kann und ihr diese 1000x mal erkläre. Ich muss in der Erziehung keine Macht ausüben und auch keine unnatürlichen Grenzen setzen, um mein Kind zu beherrschen. Das ist dann keine Erziehung!
Lg Viola
Liebe Viola,
das ist tatsächlich nicht hilfreich, den Begriff zu diskutieren, wenn er dich nicht weiterführt. Wenn es dich interessiert, empfehle ich dir meine Ressourcenliste, da sind die wissenschaftlichen Grundlagen der Definition von Erziehung aufgeführt. Auch die Facebook-Gruppe ‚unerzogen‘ kann ich empfehlen. Aber für den Alltag reicht es ja, die Anregungen mitzunehmen, die du magst. und wenn du dich wohlfühlst mit deinem Kind ist doch alles wundervoll.
Der Link zur (Metapher-)Rede funktioniert nicht mehr – ich würde so gerne wissen, um welche Rede es sich handelt! 🙂