Ich hab immer noch Bauchweh.

Gestern Abend, es war nach 22 Uhr, wollte ich eines meiner Kinder ins Bett bringen.

Du kennst das. Kind knallmüde, will aber noch, keine Ahnung. TipToi-Lieder hören. Legotürme bauen. Die Weltherrschaft an sich reißen. Sowas halt. Was so Vierjährige vorm Schlafengehen tun wollen.

Zum Glück war ich auch müde.

Ich sage zum Glück, weil ich dadurch ein bisschen durchgedreht war. Und gar nicht erst in die Versuchung kam, dem Kind nen pädagogischen zu machen. Es zu überreden, zu bestechen, was weiß ich.

Wir fingen albern an, mit lila Einhörnern zu spielen, die einander anpupsten.

Herrlich. Nach 10 Minuten bekamen wir einen derartigen Lachflash, dass wir erstmal Pause machen mussten.

Noch kichernd krochen wir ins Bett. Zähne putzen im Halbschlaf. Schlafen.

Die Moral von der Geschichte ist übrigens nicht, dass sich Albernheit lohnt. Dass sie funktioniert. Dass das eine tolle Strategie ist, um zu bekommen, was wir wollen: Ein gehorsames Kind.

Nö. Es geht darum, dass ich total müde sein musste, um ich selber zu sein. Und nicht meinen Mutterblick aufzusetzen und zu sagen: ‚Du siehst mir aber müde aus. Lass uns mal schlafen gehen.‘

Daran ist ja auch erstmal nix verkehrt, könnte man meinen.

Das Ding ist, so bin ich nicht. Das ist nicht echt.

Warum brauchen wir Authentizität?

Wenn du deinem Kind in ruhiger und freundlicher Art und Weise zum fünften Mal sagst, es soll den Maximilian-Lysander nicht mit Sand bewerfen, mag das pädagogisch korrekt sein und die anderen Muttis auf dem Spielplatz werden dich bestimmt extrem cool finden.

Nur kenne ich genug Eltern, die das tun und dabei denken: „Boah, jetzt hör auf mit der Scheiße!“

Wie du deinen Frust ausdrücken kannst und dabei noch du selbst bleibst, habe ich hier mal geschildert.

Warum aber ist das wichtig? Dass du nicht lächelnd und freundlich eine Show abziehst?

1. Weil dein Kind das spürt

Double bind ist das Stichwort. Du sagst etwas und meinst etwas anderes. Wir alle kommen mit einer Antenne für authentisches Verhalten auf die Welt. Und dein Kind merkt, wenn du ihm was vormachst.

Ein guter Anfang ist, eine vertraute Person zu fragen: „Wenn ich mit meinen Kindern rede, hast du den Eindruck das bin ich? Oder klinge ich mehr nach einer Rolle, die ich spiele?“

Bei uns selber ist nicht authentisches Verhalten enorm schwer zu erfassen – bei anderen fällt das leichter. Nutze das und hole dir Feedback von Menschen, die dich kennen.

2. Weil du dich selbst verrätst

Ständig schreiben mich Eltern an, die unglaublich wütend sind. Sie werden wütend, weil ihr Baby das Essen runterschmeißt oder ihr neunjähriges Kind keine Hausaufgaben macht – also bei vollkommen nachvollziehbarem und nicht weiter tragischem Verhalten.

Wenn wir dann miteinander sprechen, wird oft deutlich, dass diese Eltern eine Rolle spielen. Sie wollen, dass das Kind endlich aufhört, sie zu hauen und hauchen nett und freundlich, dass es aufhören möge. Bitte. Weil das doch netter wäre.

Du verrätst dich selbst, wenn du nicht klar zu dem stehst, was in dir lebt.

Und nein, das ist nicht immer fröhlich und freundlich. Hallo?! Du bist ein Mensch! Du bist auch schlecht gelaunt, ängstlich oder total albern. Und das ist okay.

Den Preis dafür, dass du dich beherrscht und so agierst, wie du denkst, dass eine Elternrolle sein sollte, den zahlt ihr alle. Lass das. Du bist, so wie du bist, schon komplett okay.

3. Weil Rollenbilder einengen

Auf dem Spielplatz. Es wird kalt. Alle Kinder gehen.

Alle? Nein, eines bleibt. Es ist drei und es friert, aber es will bleiben. Der Vater spricht es an. Lockt es. Droht. Trägt es schließlich weg. Und fühlt sich scheiße damit.

Ganz entscheidend dabei ist, dass der Vater sich selber zum Objekt macht: Er denkt sich „Was sollen denn die anderen denken?“ und macht wovon er denkt, dass andere es wollen.

Im Gespräch stellt sich heraus, dass er das Kind eigentlich gerne da gelassen hätte. Was ihn gehindert hat, waren Glaubenssätze.

Als guter Vater kann man schließlich kein frierendes Kind haben. Wie es dem Kind geht, ist dabei egal.

Die Fixierung auf die Rolle und wie es auszusehen hat, dass er so ist, wie er sich Vatersein vorstellt, hat dazu geführt, dass er jede Menge Möglichkeiten einfach übersehen hat: Humor zum Beispiel. Ein Spiel spielen und dabei die kalten Füße warmrubbeln.

Oder nach Hause fahren und die Jacke holen, während jemand anderes aufpasst. Oder die eigene Jacke geben. Oderoderoder…

Kreativität braucht aber die Fixierung auf das, was ist. Nicht das, was eigentlich sein sollte! In dem Moment, in dem wir frustriert sind und unser Kind unseren Ideen anpassen wollen, stellen wir unsere Rolle über das Wohlergehen unserer Beziehung.

Wie schade.