Wie du es meinst, wenn du mit deinen Kindern umgehst – ist völlig egal.

Sorry. Ist so.

Was zählt, ist, wie du handelst.

Wenn wir mir Kindern umgehen, neigen wir dazu, zu argumentieren, dass der Sinn unserer Handlung schließlich sei, dass das Kind etwas Gutes erleben soll. Oder werden soll.

Das ist aber egal, solange es sich nicht gut anfühlt. Liebe muss fühlbar sein, nicht gedacht. Und zwar von unserem Gegenüber. Nicht von uns.

Liebe als Mittel zum Zweck

Mit ‚ich hab es doch nur gut gemeint‘ gibst du dann auch gleich zu, dass du weißt, dass es sich für den_die andere_n nicht so anfühlt.

Scheiße, ist das ein mieses Gefühl, erzogen zu werden. Erinnerst du dich?!

Liebe gilt gemeinhin als Ausrede für die fiesesten Gemeinheiten. Dabei ist sie oft Mittel zum Zweck:

  • Sie dient als rhetorische Figur, um Grausamkeiten zu verschleiern,
  • sie wird vom erziehenden Elternteil oft tatsächlich gefühlt und das wird gezielt eingesetzt,um dem Kind den Gehorsam leichter zu machen,
  • sie verwirrt das Kind und ist schwerer zu durchschauen als pure Berechnung.

Wenn du dem Kind etwas Gutes tun willst, es zu diesem Zweck aber zu etwas zwingst (‚zu seinem Glück zwingen‘ wird das paradoxerweise genannt), vermittelst du ihm eine verwirrende Botschaft. Deine Handlungen und das, was du über deine Gefühle und Absichten sagst, stimmen nicht überein.

Das Ergebnis? Erwachsene, die einander erziehen und glauben das sei Liebe. Menschen, die höflich sind und glauben, das sei Respekt. Leute, die bitte und danke sagen und denken, dies sei Dankbarkeit.

Das Stichwort ist double bind. Diese verwirrende Botschaft führt dazu, dass ein Kind sich entscheiden muss. Normalerweise entscheidet es sich gegen sich selbst und für Kooperation. Das ist die downside der Tatsache, dass Menschenkinder so unglaublich kooperationswillig sind.

Liebe als Motivator für erzieherisches Handeln ist also nicht nur gemein, es ist auch gefährlich für die psychische Gesundheit.

Die Verführung des ‚guten Zwecks‘

Sobald du ein Ziel hast, erziehst du.

Du willst, dass das Kind einmal sozial und höflich wird – und unterstellst, dass es das heute nicht kann. Du willst, dass das Kind einmal glücklich und zufrieden wird – und unterstellst, dass du das entscheiden darfst.

Du bist aber kein Lehrmeister im Leben deines Kindes. Du bist Zaungast, Begleitung, Tröster_in, Freund_in und Vorbild.

Ja. Aber wissen, was dein Kind glücklich macht, kannst du nicht.

Die Botschaft, die ankommt – egal, wie liebevoll du das meinst! – ist, dass das Kind so, wie es ist, nicht richtig ist. Was nicht unbedingt glücklich macht. Merkste selbst, ne?

Nehmen wir ein Beispiel: Der Kampf um Essen.

Du willst, dass dein Kind gut isst. Oder? Also ich will das für meinen Teil gerne. Vielleicht bist du Veganer_in, aber definitiv bist du informiert. Darüber, wie grausam Nestlé handelt. Darüber, wie dämlich es ist, Fleisch zu essen. Darüber, dass Chiasamen Omega-3-Fettsäuren enthalten. Oder so.

Dir ist natürlich nicht egal, was dein Kind isst. Du weißt ja, zumindest so ungefähr, was sinnvoll ist in Sachen essen.

Dass du das weißt, liegt meist an Erfahrung. Nicht an Erziehung. Wenn es dir geht wie mir, blickst du auf eine lange Karriere von Reglementierung zurück – zunächst wurdest du von deinen Eltern reglementiert, dann hast du dich selbst reglementiert.

Du hast es selber herausgefunden, wie das ist mit Nestlé und den Omega-3-Fettsäuren. Oder so. Du allein. Und wenn es dir geht wie mir, dann bist du auch noch kein Ernährungsvollprofi. Dann bist du auch noch auf dem Weg. Wie wir alle.

Dann bist du auch Mensch. Fehlbar. Lernfähig. Auf dem Weg eben.

Heiligt nun der Zweck die Mittel?

Warum willst du nun also dein Kind zwingen, auf eine gewisse Weise zu essen? Ich rate mal munter drauf los: Weil du denkst (bewusst oder unbewusst), dass der Zweck die Mittel heiligt. Hab ich auch lange. Leider.

Es ist eine sehr beliebte ethisch-rhetorische Figur, um schreckliche Dinge zu rechtfertigen. Erziehung zum Beispiel.

Das Problem ist, dass auch ein hehres Ziel, auch etwas, was wirklich toll ist, nicht herbeigeführt werden kann durch Erziehung. Es kann nur ausgeführt werden vom Kind. Weil es gehorsam ist, nicht, weil es verstanden hat, was du willst.

Verstehen kann es das nur, wenn es Erfahrungen macht. Was passiert, wenn ich drei Wochen lang Toast mit Nutella esse? Was passiert, wenn ich Grünes meide? Was passiert, wenn ich Senf aus der Tube esse?

In den meisten Fällen kann man ehrlich sagen: Nix. Es wird eine Lernerfahrung gemacht. Vielleicht gibt es mal Bauchweh. Das ist natürlich ärgerlich.

Aber ist es das wert? Denn am Ende sind die Chancen, wenn wir kein Ziel haben in der Begleitung eines jungen Menschen, viel höher, dass er_sie sich irgendwann gesund ernähren will. Denn kein Mensch, der in Balance mit sich lebt, schadet sich gern. Und absichtsvoll.

Das ist absurd.

Das Zieldenken ist ein Denken, dass Menschen unterstellt, sie könnten nicht selbst entscheiden, welche Ziele gut und erstrebenswert sind und welche nicht.

Die, die solche Ziele dann vorgeben und erreichen wollen, vergessen dabei allzu leicht eines: Dass sie selber einmal diese Ziele entwickelt haben. Aus Erfahrung.

Ich zum Beispiel finde es sehr, sehr wichtig, dass Eltern nicht mehr erziehen. Das habe ich erst festgestellt, als ich ein paar Jahre erzogen habe. Leider. Ich habe dafür enorm viel Zeit und blöde Erfahrungen gebraucht.

Das ist schade – aber so habe ich es begriffen. Das war mein Weg. Niemand hätte mir das beibringen können.

Übrigens will auch dieser Blog das nicht. Niemand kann den Weg für dich gehen!

Wenn du also das nächste Mal ein Ziel für dein Kind hast – lass es los wie eine heiße Kartoffel. Ziele sind Gift für Prozesse. Prozesse sind Beziehungen. Und Beziehungen sind die Brutstätten des Lernens.

Kein Ziel der Welt ist es wert, dass du die Beziehung zu deinem Kind ruinierst.